Bistum Speyer
Pfarrer missbrauchte über Jahre Jungen in Germersheim und Sondernheim

In den damaligen Pfarreien Germersheim und Sondernheim hat ein Priester in den 1970er und 1980er Jahren männliche Jugendliche missbraucht | Foto: Tinnakorn/stock.adobe.com
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  • In den damaligen Pfarreien Germersheim und Sondernheim hat ein Priester in den 1970er und 1980er Jahren männliche Jugendliche missbraucht
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Germersheim/Sondernheim. Lange gab es nur Gerüchte und Anschuldigungen in den sozialen Netzwerken, jetzt ist es bestätigt: Auch die katholische Pfarrei in Germersheim hat einen Missbrauchsfall. „Ja, es sind Verbrechen geschehen, ja es hat Übergriffe gegeben, die nicht in Ordnung waren“, fasst Pastoralreferent Thomas Bauer die Geschehnisse zusammen, über die die katholische Kirchengemeinde Germersheim vergangene Woche informierte.

Missbrauch in mehreren Fällen

Konkret handelt es sich um sexuellen Missbrauch in mehreren Fällen, geschehen in den 1970er und 1980er Jahren – begangen von einem Mann, der heute weit über 80 Jahre alt ist und damals Priester in Germersheim und Sondernheim war. Der beschuldigte Priester war 1972 bis 1976 in der Pfarrei Germersheim und von 1976 bis 1991 in der damaligen Pfarrei Sondernheim tätig. Er habe schon 2010 nach ersten Gerüchten und Anschuldigungen Dritter im Gespräch mit einem Personalverantwortlichen des Bistums Speyer gestanden, in den Jahren 1972 bis etwa 1985 "sexuell motivierte Handlungen an mehreren Jungen vorgenommen zu haben". Die Opfer des Pfarrers waren im Tatzeitraum, nach Angaben der Pfarrei, zwischen 13 und 20 Jahren alt. Seit 2010 haben sich drei Betroffene persönlich bei den Verantwortlichen im Bistum Speyer zu erkennen gegeben und den Missbrauch gemeldet, zudem gibt es Angehörige Betroffener, die mit der Pfarrei Kontakt aufgenommen haben. Nach den Aussagen des geständigen Täters gehen die Verantwortlichen aber von weiteren Betroffenen aus.
Dem Wochenblatt liegen detaillierte Protokolle der Übergriffe vor, die hier im Folgenden nur skizziert werden. Bekannt ist, dass der Täter Ministranten in seine Wohnung einlud und den Minderjährigen dort Alkohol anbot. Auch Übernachtungen in der Wohnung des Priesters fanden statt. Dabei schlich sich der Täter in das Zimmer der Jungen und griff einem damals 15-Jährigen unter der Bettdecke in dessen Unterhose.
In einem weiteren Fall suchte der Täter Körperkontakt zu einem 13-Jährigen, der im Kirchenchor aktiv war. Unter dem Vorwand der „Stimmbildung“ und "Atemübung" legte der Täter sich auf das Opfer. Außerdem lud der Täter den Betroffenen ein, in seiner Wohnung zu übernachten. In der Nacht versuchte er zunächst, den Jungen zu überreden, im selben Bett zu schlafen, was der Junge ablehnte. Daraufhin zog der Beschuldigte ihn zu sich ins Bett und versuchte, ihn zu überreden, den Schlafanzug auszuziehen. Als der 13-Jährige nur den Oberkörper entkleiden wollte, versuchte der Beschuldigte, ihm die Hose auszuziehen, was aber nicht gelang. Anschließend masturbierte der Priester in Gegenwart des 13-Jährigen.
Im dritten bekannten Fall fuhr ein 20-Jähriger den Priester nach Hause, da dieser nach einem Besuch bei der Familie des Betroffenen alkoholisiert war. Während der Fahrt legte der Priester seine Hand auf das Bein des jungen Mannes und berührte ihn im Schritt.

Hanna Wachter ist Interventionsbeauftragte des Bistums Speyer - wird ein Missbrauchsfall im Bistum gemeldet,  koordiniert sie notwendige Maßnahmen und steht im engen Kontakt zum Betroffenenbeirat | Foto: Heike Schwitalla
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Strafrechtlich verjährt

Der pädophile Priester ist mittlerweile im Ruhestand und nach Kirchenrecht verurteilt. Er muss eine Geldstrafe an die Caritas und den Opfern die so genannte „Anerkennung des Leids“ ( eine Geldsumme im vierstelligen Bereich) bezahlen. Außerdem erhielt er 2018 ein umfassendes und vollständiges Tätigkeitsverbot, in den Jahren vorher war es ihm lediglich untersagt, sich Minderjährigen zu nähern. Das Bistum Speyer hat in allen bekannten Missbrauchsfällen auch Strafanzeige erstattet, die Taten sind jedoch seit spätestens 1994 verjährt, so dass der Täter strafrechtlich nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden kann und alle Ermittlungsverfahren gegen den Pfarrer eingestellt wurden.

Betroffenen-Hilfe

Wer von sexuellem Missbrauch in diesem Fall oder durch ein Mitglied der katholischen Kirche im Bistum Speyer betroffen ist oder war, kann sich (auch anonym) an den Betroffenenbeirat im Bistum wenden. Dieser ist zu erreichen postalisch an das Postfach 1122, 66558 Ottweiler, per E-Mail an betroffenenbeirat-speyer@gmx.de oder über das Hilfetelefon 0151 144668058 (Montag bis Freitag 17 bis 19 Uhr). Auch der Kinderschutzdienst in Germersheim bietet Missbrauchsbetroffenen seine Hilfe an. Ihn erreicht man unter kinderschutzdienst.germersheim@caritas-speyer.de
Die Polizei rät davon ab, auf Aufrufe in den sozialen Medien zu reagieren und empfiehlt Betroffenen stattdessen in jedem Fall Strafanzeige bei der Polizei zu stellen und/oder sich an die Kontaktstellen der Kirchen zu wenden.

In Facebook-Gruppen tauchten in letzter Zeit häufiger solche Aufrufe auf - die Polizei rät Betroffenen, auf diese nicht einzugehen. Die Pfarrei in Germersheim vermutet, sie könnten mit dem jetzt öffentlich gemachten Missbrauchsfall zu tun haben | Foto: Screenshot/Heike Schwitalla
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Warum die Öffentlichkeit suchen gerade jetzt

Auf die Frage, warum man gerade jetzt mit diesem Missbrauchsfall in Germersheim an die Öffentlichkeit geht, erklärt das Pastoralteam der Pfarrei, das selbst zur Zeit der Taten und der ersten Anschuldigungen gegen den Täter noch nicht in Germersheim tätig war, man wolle Transparenz schaffen, bevor der Fall von außen aufgedeckt wird oder Gerüchte sich weiter verbreiten. Auch im Sinne eines zukünftigen Präventions- und Schutzkonzeptes innerhalb der Kirche, wolle man offen und ehrlich mit der schlimmen Thematik umgehen und Tätern so klare Signale setzen.
Nach den nächsten Gottesdiensten wird das Team den Kirchenbesuchern für Gespräche zur Verfügung stehen und auch telefonisch wird die Katholische Pfarrei Germersheim in den nächsten Tagen und Wochen noch mehr als sonst erreichbar sein. Denn so sagt Pfarrer Jörg Rubeck: „Wir sind uns schon bewusst, dass wir mit dem Entschluss, an die Öffentlichkeit zu gehen, die Gemeinde durchrütteln werden. Vermutlich werden viele Menschen, gerade ältere, die sich noch an die besagten Zeiten erinnern, Fragen und vermutlich auch eigene Anmerkungen haben und in den Grundfesten ihres Glaubens erschüttert sein. das wollen wir, so gut es geht, auffangen.“
Nicht zu vergessen – parallel zu der Offenlegung des Missbrauchsfalls in Germersheim veröffentlichte das Bistum Speyer eine Pressemeldung zum Beginn der Studie der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs im Bistum Speyer (UAK). Dass hinter dem Timing Absicht steckt, kann man nur vermuten, aber es würde aus verschiedenen Gründen natürlich Sinn machen - auch, um den Willen zu bekräftigen, Transparenz zu fördern und selbst verjährte Taten aus der Vergangenheit restlos aufzuklären.

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Autor:

Heike Schwitalla aus Germersheim

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