Demenzkranke nicht vergessen
Tanz Café weckt Lebensgeister

Edda Mertz und Christoph Prost machen sich stark für Demenzkranke und ihre Angehörigen, die von der Gesellschaft an den Rand gedrängt wurden.  Foto: Kling-Kimmle
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  • Edda Mertz und Christoph Prost machen sich stark für Demenzkranke und ihre Angehörigen, die von der Gesellschaft an den Rand gedrängt wurden. Foto: Kling-Kimmle
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von andrea katharina kling-kimmle

Pirmasens. Wenn der Evergreen „Sierra Madre“ erklingt schwenken die Festgäste, teils im Rollstuhl sitzend, ihre Servietten wie Fahnen. Dann endet für die rund 30 demenzkranke Menschen ein Nachmittag der Freude.

Vor 17 Jahren hatte Edda Mertz, Vorstandsmitglied der Alzheimer Gesellschaft der Pfalz, das Tanzcafé „Vergissmeinnicht“ gegründet. Kooperationspartner war das Caritas Altenzentrum St. Anton unter dem damaligen Leiter Christoph Prost. Noch heute erfreut sich die Veranstaltung großer Resonanz, bringt sie den dementen Menschen „ein Stück Lebensqualität zurück“, sagt die Initiatorin.
Als ihre Mutter vor über 30 Jahren an Demenz erkrankte „gab es keine Hilfe, nicht mal ein Arzt wusste Rat“, erinnert sich Edda Mertz. Nach Gründung der Alzheimer Gesellschaft Rheinland-Pfalz im Jahre 1992 rief sie als Mitglied des Vereins in Pirmasens in Eigeninitiative eine Selbsthilfegruppe für Demenzkranke und ihre Angehörige ins Leben. Sie hatte erkannt, dass Familienmitglieder, die sich oftmals in der Pflege total verausgaben, Unterstützung und Verständnis brauchen. Im Austausch mit Gleichgesinnten könne man sich gegenseitig Ratschläge geben. „Dabei sind auch langjährige Freundschaften entstanden“. So stehen sich zwei Ehefrauen, deren Partner Demenz hatten und zwischenzeitlich verstorben sind, so nahe, dass sie öfter gemeinsam in Urlaub fahren. Die Selbsthilfegruppe, die heute im Horeb-Treff in der Klosterstraße beheimatet ist, tauscht sich jeden vierten Dienstag im Monat von 15 bis 17 Uhr aus.
Edda Mertz hat sich der tückischen Krankheit, an der in Deutschland rund 1,7 Millionen Menschen leiden und für die es keine Heilung gibt, mit Leib und Seele verschrieben. Denn sowohl Betroffene, als auch ihre Angehörige werden in die Ecke gedrängt, fühlen sich in der Gesellschaft ausgegrenzt. Das bringt nach wie vor das „Blut“ der engagierten Dame mit dem herzlichen Lächeln „in Wallung“. Trotz momentaner Einschränkung ihrer Mobilität versucht sie alles in ihrer Macht stehende zu tun, das Augenmerk der Bevölkerung auf diese Randgruppe zu lenken und sowohl den dementen Menschen, als auch ihren Familien Hilfestellung zu geben. Deshalb ist sie froh, in dem ehemaligen Leiter des Caritas Altenzentrums St. Anton, Christoph Prost, einen Mitstreiter gefunden zu haben. Zwar sei die Zusammenarbeit beim Aufbau des Tanz Cafés anfangs „recht holprig“ gewesen, erinnert sich Edda Mertz. Doch habe sich das Projekt prächtig entwickelt und aus den beiden Kooperationspartner ist „ein gutes Team“ geworden. Weil die Veranstaltung als offenes Treffen angelegt war, kamen durch die Vermittlung von Pflegediensten wie AWO und Kismed auch Betroffene aus anderen Einrichtungen dazu. Das waren dann bis zu 50 Teilnehmer. „Viele Damen stylten sich regelrecht für das Fest“, sagt die Initiatorin und Prost ergänzt: „In den Tagen davor hatte der Friseur im Haus alle Hände voll zu tun“.
Durch die Corona-Pandemie hat sich das allerdings geändert, Besucher von außerhalb sind nicht mehr zugelassen. Deshalb ist das Team auf der Suche nach externen Räumlichkeiten, um das Tanz Café auch nach außen hin wieder zugänglich zu machen. Allerdings fehlen auch ehrenamtliche Helfer, denn infolge der Lockdowns haben sich viele, gerade ältere Personen, zurückgezogen. Jüngere Generationen zeigen zum Leidwesen von Edda Mertz wenig Interesse, sich um die Belange Demenzkranker zu kümmern.
Froh ist das Orga-Team, dass dank der Karl Lehr-Stiftung wieder „Geld fließt“, denn das Fest einmal im Monat soll „etwas ganz Besonderes für die Betroffenen sein“ - und das hat seinen Preis. Deshalb werden die Räumlichkeiten meist nach den Jahreszeiten liebevoll dekoriert. Ein Alleinunterhalter, der auf die Wünsche der Gäste eingeht, sorgt mit bekannten Volksliedern und beliebten Evergreens für frohe Stimmung und bei Kaffee sowie einer leckeren Kuchenauswahl langen alle gerne zu. Natürlich darf auch getanzt, geschunkelt und geklatscht werden. Da „fliegen die Hände zum Himmel“ und selbst die Rollstuhlfahrer haben Spaß an der (eingeschränkten) Bewegung. Edda Mertz freut sich jedes Mal, wenn sich die Gäste beim Abschied für den „schönen Nachmittag“ bedanken und selbst die schwersten Demenzfälle ein Leuchten im Gesicht haben.
Das Tanz Café findet jeden ersten Donnerstag im Monat von 14.30 bis 17 Uhr im Caritas Altenzentrum St. Anton Pirmasens statt.
Das Tanzen, so haben Wissenschaftler herausgefunden, wecke bei kranken Menschen glückliche Erinnerungen an die Jugend, steigere die Lebensqualität und beruhige die Nerven. Die Musik schließlich könne dazu beitragen, Depressionen zu lindern.
Insbesondere die pflegenden Angehörige liegen Christoph Prost am Herzen. Deshalb bringt er sich bei dem Seminarprogramm der Alzheimer Gesellschaft unter dem Motto „Hilfe beim Helfen“ ein. So findet ab 8. September wieder eine Schulung im Dr. Lederer Haus in Rodalben statt, bei der er als Referent zum Thema „Entlastung für Angehörige“ spricht. Positiv bewertet das Vorstandsmitglied das Netzwerk Demenz für die Region mit dem Landkreis Südwestpfalz sowie den beiden Städten Pirmasens und Zweibrücken sowie die „Lokale Allianz für Menschen mit Demenz“, angesiedelt bei der „Leitstelle älter werden“ der Kreisverwaltung mit Karina Frisch als Ansprechpartnerin. ak
Info:

www.alzheimer-gesellschaft-rhpf.de; Mail: edda@mertzmail.de; Christoph.prost@alzheimer-gesellschaft-rhpf.de

Edda Mertz und Christoph Prost machen sich stark für Demenzkranke und ihre Angehörigen, die von der Gesellschaft an den Rand gedrängt wurden.  Foto: Kling-Kimmle
Viel Spaß haben die teilweise demenzkranken Besucher des Tanz Café in den Räumlichkeiten des Caritas Altenzentrums St. Anton.  Foto: Prost
Autor:

Andrea Kling aus Pirmasens

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