75 Jahre Kriegsende: Erinnerungen von Jutta Meyer
Auf der Suche nach einer neuen Heimat (Teil 1)

Jutta Meyer im Jahre 1944. Foto: Archiv Meyer
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Von Jutta Meyer

Haßloch. 75 Jahre Kriegsende - im Mai 1945 war auch in Danzig, der Heimatstadt von Jutta Meyer, der Krieg zu Ende. In ihren Erinnerungen lässt sie die schwere Nachkriegszeit aus der Sicht einer Vertriebenen Revue passieren und berichtet über ihre abenteuerliche Reise über Schwerin, Schleswig-Holstein, Münster und Bochum in die Pfalz.

Endlich fielen keine Bomben mehr. Doch Frieden kehrte nicht ein. Die Russen und Polen hatten Danzig besetzt, die Vertreibung der Deutschen aus ihren Häusern und Wohnungen wurde im Sommer durchgezogen. Dieses Schicksal teilten Millionen von Deutschen mit uns, zählt man die Flüchtlinge mit. Zunächst der Unterschied zwischen Flüchtlingen und Vertriebenen: Flüchtlinge können ihre wichtigsten Sachen mitnehmen, Vertriebene haben nur das, was sie am Leib tragen. Meine Mutter, mein Bruder und ich wurden vormittags, als wir in der Küche saßen, auf Anweisung von Polen, die das Haus meiner Großeltern stürmten, vertrieben. Wir mussten uns in den Treck, der an unserem Haus vorbeiführte, einreihen. Das Ziel war der Bahnhof, dort stand ein langer Zug, Viehwagen waren aneinandergekoppelt, in die wir hineingescheucht wurden. Tausende standen an dem Bahngleis und wurden ebenfalls in die Waggons getrieben. Nach einer langen Zeit, setzte sich der Zug in Bewegung. Wohin die Reise gehen sollte, wussten wir nicht. In den Waggons war es stockdunkel, denn die massiven Schiebetüren waren verschlossen. Wenige Lichtstrahlen durchdrangen unseren Waggon, in dem jeder nur ein Plätzchen für sich hatte. Unter anderem befand sich eine Adlige mit ihrer Gouvernante unter den Vertriebenen. Sie hatte schlohweißes Haar, dass durch die Ereignisse wirr geworden war. Zum ersten Mal erlebte ich eine Geisteskranke. Sie erhob sich von ihrem Platz auf dem Boden, streckte die Arme hoch und rief: „Ich fahre mit Hitler im Feuerwagen“. Dieses Bild werde ich nie vergessen, denn diese Szene erlebten wir immer wieder aufs Neue, eine gespenstische Szene.
Nach langer Fahrt hielt der Zug auf freier Strecke, damit die Insassen ihre Notdurft am Bahngleis verrichten konnten. Dieser Aufenthalt wurde oft dazu benutzt, wenn der Zug an einem Kartoffel- oder Gemüsefeld hielt, um sich mit dem Nötigsten zu versorgen. Oft hatten wir den Eindruck, dass der Zug hin- und herfuhr. Eines Tages verstarb der einzige Mann und ein Baby im Waggon. Der Mann hatte Wassersucht, das Baby war verhungert. Kinder weinten, es waren schreckliche Augenblicke. Ich flehte meine Mutter an: „Mama, lass uns weglaufen!“ Im allgemeinen Durcheinander, denn auch in anderen Wagen befanden sich Tote, die an das Gleis gelegt wurden, erfasste meine Mutter die Gelegenheit, uns hinter einen Busch zu ziehen, der vor unserem Waggon wuchs. Das war gefährlich, denn jeder, der nicht in den Waggon wieder einstieg, wurde von den Bewachern erschossen.jm

Fortsetzung folgt

Autor:

Markus Pacher aus Neustadt/Weinstraße

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