Wanderausstellung im Terra Sigillata Museum
Rheinzabern - Ausstellung 100 Jahre Frauenwahlrecht in Europa erfolgreich eröffnet

Bei der Ausstellungseröffnung. | Foto: Beil

Rheinzabern. Eine stattliche Besucherzahl war zur Eröffnung der jüngsten Sonderausstellung ins Terra-Sigillata-Museum gekommen, wo für acht Wochen eine interessante Wanderausstellung über die Einführung des Frauenwahlrechts in Europa zu sehen ist. Nach musikalischer Einleitung durch Harald Laudenbach und Begrüßung durch Vorsitzenden Philipp Schmitt führte Ortsbürgermeister Gerhard Beil als Kurator in die Ausstellung ein.

Vom Rat der Volksbeauftragten, der Revolutionsregierung, gleich nach der Abdankung Kaiser Wilhelms II. und mitten im Chaos am 12.11.1918 verkündet, durften 17.  Millionen Frauen erstmals am 19. März 1919 ihr Wahlrecht ausüben. Bei der ersten demokratischen Wahl nach Ende der Monarchie, wurden Abgeordnete für die Nationalversammlung gewählt, die eine Verfassung ausarbeiten sollten. Unter den 32 gewählten Frauen war es Maria Juchacz, die als erste Frau in einem deutschen Parlament sprechen durfte und dabei betonte, dass das Frauenwahlrecht kein Geschenk wäre, sondern nur die Beseitigung eines Unrechts bedeutete. Zu den Vätern der Verfassung zählte auch der in Rheinzabern geborene Maximilian Pfeiffer.

Gerhard Beil beleuchtet Vorgeschichte

Mit dem Wahlrecht war es aber nicht getan, weswegen Ortsbürgermeister auf die Vorgeschichte und die Entwicklung der Gleichberechtigung im Alltag einging.  Bekanntermaßen ist Ortsbürgermeister Gerhard Beil geschichtlich sehr interessiert und bewandert. Das Frauenwahlrecht war seit der Französischen Revolution ein Thema. Der populäre Revolutionär Robert Blum zweifelte 1848 am Frauenwahlrecht, worauf ihm damals die Frauenrechtlerin Louise Otto-Peters entgegenhielt, dass die Teilnahme der Frauen an den Interessen des Staates nicht nur ein Recht sei, sondern sogar eine Pflicht.
Im Deutschlandfunk vom 7. April  heißt es u.a.: „Die Frauen waren völlig rechtlos, sowohl in der Familie, als auch im Beruf, viele Berufe waren verschlossen, sie hatten kein Wahlrecht, sie konnten nicht in die Universitäten, denn die alten Philosophen haben ja alle noch gesagt: Das geht gar nicht, viel zu kleines Gehirn, viel zu emotional…“ Zu den Argumenten gegen das Frauenwahlrecht zählte nicht nur die Behauptung, dass dies die Frauen gar nicht wollten und das Thema vom Ausland importiert wäre. Manche wollten das Wahlrecht nur Personen zubilligen, die bereit wären, ihr Leben fürs Vaterland zu opfern. Der Gipfel der Ablehnung bestand in der Behauptung, das Frauenwahlrecht widerspreche der göttlich-natürlichen Weltordnung.
Generationen von Schülern hatten Schillers „Lied von der Glocke“ auswendig gelernt, wo es heißt: „Der Mann muss hinaus ins feindliche Leben…“, was im von Männern dominierten Kaiserreich in die Parole „Viel Feind, viel Ehr!“ mündete. Bei Schiller heißt es außerdem über den Mann: „Muss wirken und streben und pflanzen und schaffen, erlisten, erraffen, muss wetten und wagen…“. Kurz: Der Mann durfte quasi alles, während Schiller die Frau auf ihre Rolle im Haus beschränkte: „…Die züchtige Hausfrau……ruhet nimmer.“
Angeregt durch Einflüsse aus Amerika und England schlossen sich vor 125 Jahren, am 29.März 1894, deutsche Frauenorganisationen zum „Bund Deutscher Frauenvereine“ zusammen. Es gab insgesamt über 2000 Vereine mit über 500 000 Mitgliedern - liberale, sozialistische, konservative, kirchliche Frauenorganisationen, z.T. untereinander total zerstritten.
Es wars ein langer Weg, die Interessen zu bündeln und die Männer zum Handeln zu bewegen. Nicht zuletzt waren sozialistische internationale Bewegungen sehr rührig.
Der „Bund Deutscher Frauenvereine“ unter Führung von Gertrud Bäumer entwickelte sich schon vor dem I. Weltkrieg zu einer Massenorganisation. Die Bandbreite der Themen war sehr heterogen, z.T. unvereinbar. Es ging um Schutz der Heimarbeiterinnen und Fabrikarbeiterinnen, Verbesserung der Situation der Dienstmädchen, Bildungs- und Erwerbsmöglichkeiten für den Mittelstand, aber auch um die Regulierung der Prostitution, den § 218, der Abtreibung mit Zuchthaus bestrafte, und gegen den Krieg.
Frauen hatten während des I. Weltkriegs ihren Mann an der Heimatfront gestanden - in Fabriken, auf dem Bau, im Straßenverkehr, in der Landwirtschaft und am Herd, um hungrige Münder zu stopfen. Und um Millionen toter Söhne zu beweinen und Halbwaise aufziehen.
Das neue Selbstbewusstsein der Frauen, das sich u.a. in der Bubi-Kopf-Frisur zeigte, verschwand bald wieder. Die Nazis stellten keine Frauen als Kandidaten für Wahlen auf. Ihr Frauenbild indes hatte besonderen Einfluss zur Festigung der männlichen Vorherrschaft, wonach die Frau am Herd zu bleiben habe. Aktive Emanzipation praktizierten aber die Frauen während des Krieges und danach in vielen Bereichen des Alltags und der Erziehung, doch dauerte es nach dem Krieg noch 16 Jahre, bis Elisabeth Schwarzhaupt als erste dt. Ministerin von Konrad Adenauer in sein Kabinett berufen wurde.
Um diese Zeit herum Zeit wurde den Frauen endlich erlaubt, selbst ein Konto zu eröffnen. Lange waren sie dem Manne als Haushaltsvorstand untergeordnet, durften nur mit seiner Zustimmung Einkäufe tätigen, den Führerschein machen, oder berufliche Arbeit annehmen. Und sie unterschrieben mit dem Vornamen ihres Mannes. Viele Frauen erlebten häusliche Gewalt, waren ständig schwanger, Alkohol spielte eine große Rolle. Trost fanden sie indes im Glauben, besonders viele vertrauten sich den Fürbitten der hl. Therese von Lisieux an. Müttervereine leisteten wertvolle Selbsthilfe.
Viele Gesetze waren notwendig, doch so manches ist noch nicht gleichberechtigt geregelt, denkt man nur an die Entlohnung außerhalb des Öffentlichen Dienstes, was allerdings auch Sache der Tarifpartner ist.
1994 wurde das Grundgesetz um den folgenden Passus erweitert: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin“.
Und seit 2005 haben wir eine Frau im bedeutendsten politischen Amt unseres Staates. Wer hätte dies vor 100 Jahren vorhergesagt?  (gb)

Info
Die Sonderausstellung „Mit Macht zur Wahl“ im Terra-Sigillata-Museum ist zu folgenden Zeiten zu sehen:
Mittwoch bis Samstag von 11 bis 15 Uhr, an Sonn- und Feiertagen von 11 bis 17 Uhr 
Einlass bis ½ Std. vor Schließung.
Das Museum ist in der Hauptstraße 35 in Rheinzabern,  Telefon  07272   95 58 93

Autor:

Wochenblatt Archiv aus Germersheim

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