Quartiersarbeit im heterogenen Viertel: Nachbarschaft stärken, Vorurteile entkräften

Uwe Frey, Lena Kurz und Stefan Gabriel (v.l.)  | Foto: Julia Glöckner
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Ludwigshafen. Im „Haus der Begegnung“ steht die Tür meist offen. Denn dort ist das Quartiersbüro Mundenheim West Anlaufstelle für Fragen und Probleme der Menschen vor Ort. Gleichzeitig ist das Haus der Begegnung ein Ort gesellschaftlichen Lebens: Die Arbeit der beiden Quartiersmanager zielt vor allem aber darauf, die Bewohner in dem Viertel zusammenzubringen – trotz unterschiedlicher Milieus, die dort aufeinandertreffen.

Von Julia Glöckner

„Aktionen wie der im August geplante Aktionstag ,Miteinander Füreinander’ zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind“, sagt die Quartiersmanagerin Lena Kurz. Das Frauencafé hat den Aktionstag aus der Taufe gehoben und gemeinsam mit dem Kochclub vorbereitet. Er beginnt mit einer Müllsammel-Ralley und endet mit einem Sommerfest mit Wasserballonschlacht.

Nachbarschaftsfeste wie diese zeigen, dass die Menschen vor Ort angefangen haben, sich bürgerschaftlich zu engagieren und ihre Rechte und Pflichten erkennen, erklärt Frey.

Eines der Ziele der Quartiersarbeit ist damit auf halber Strecke erreicht: Sie soll die Menschen befähigen, sich für ihre Interessen und Bedürfnisse einzusetzen. „Wir sind dabei nicht in der Rolle von Animateuren“, sagt Frey, „denn die besten Projekte entstehen aus den Ideen der Bewohner heraus und mit ihrer Eigeninitiative.“ Die Quartiersmanager könnten diese nur anstoßen oder Impulse geben.

So haben sich die beiden offenen Bewohnertreffs, das Frauencafé und der Kochclub von selbst etabliert, bei denen man auch die Themen des Quartiers bespricht. Durch sie entstehen einerseits im Viertel bessere Nachbarschaft und Kontakte. Damit schwinden Ressentiments und Vorurteile. Andererseits lassen sich gemeinsam Lösungen finden, das Wohnumfeld nach und nach aufzuwerten, zu einem Lebensraum zu machen, mit dem man sich identifiziert. Ziel der Quartiersarbeit ist ein Viertel, in dem man gerne lebt, sich nachbarschaftlich hilft und sich zugehörig sowie anerkannt fühlt.

„Angesichts der unterschiedlichen Milieus, aus denen Menschen kommen, kann mehr sozialer Zusammenhalt nur ein Ziel auf Zeit sein, das wie überall im Quartiersmanagement nur langfristig über Jahre hinweg erreicht werden kann“, sagt Stefan Gabriel, Bereichsleiter der Kinder- und Jugendarbeit sowie der Quartiersarbeit.

Unterschiedliche Milieus

Vor 15 Jahren war das kleine Quartier, in dem die beiden Quartiersmanager seit Jahren für weniger Konflikte und Anonymität sorgen, noch sozialer Brennpunkt. Heute trifft das nur noch auf Teile davon zu. Etwa auf das sogenannte Einweisungsgebiet in der Kropsburgstraße, wo Menschen leben, die ihre Wohnung verloren haben und von Obdachlosigkeit bedroht sind. Manche Familien leben dort schon seit Jahrzehnten.

Das Einweisungsgebiet Flurstraße ließ die Stadt 2015 auf die drei großen Mehrgeschosskomplexe in der Kropsburgstraße reduzieren. Denn die Reihenhäuser, die es zuvor beherbergten, wurden wegen ihrer schlechten baulichen Substanz abgerissen. 2016 wurden dort Einfachhäuser hingestellt, die für eine Lebenszeit von 20 Jahren ausgelegt sind. In diese sogenannten Punkthäuser zogen damals Asylbewerber ein. Viele davon haben mittlerweile einen Aufenthaltsstatus.

Direkt neben den Punkthäusern stehen die neuen Wohnblöcke der Wohnungsbaugesellschaft GAG. Die Mieter dort sind eher heterogen, weil die Landesförderung die Mieten niedrig hält. Nördlich der Wachtenburgstraße, in der Hardenburg- und Ebernburgstraße sowie im Keßlerweg gibt es vor allem private Einfamilienhäuser. Entsprechend durchmischt ist das gesamte Viertel.

Aufkeimende Konflikte

Mit dem Abriss der Reihenhäuser und dem Neubau der Einfachhäuser seit 2013 kamen Ressentiments auf. Die beiden im Gebiet tätigen Mitarbeiter der ökumenischen Fördergemeinschaft sahen schon 2015 den Bedarf für die Quartierarbeit deutlich. Als über Jahrzehnte bekannte Jugend- und Familienarbeiter im Viertel waren Stefan Gabriel und Uwe Frey Bezugspersonen und mussten viele Konflikte schlichten. Die Quartiersarbeit sollte diesen entgegenwirken. Der Antrag ging bei der Ökumenischen Fördergemeinschaft durch: Sie wird seit Februar 2022 aus Mitteln der deutschen Fernsehlotterie finanziert.

Für manche Bewohner sei die Schwelle, in Kontakt zu kommen, hoch, erklärt Frey. „Die Menschen, die hier im Einweisungsgebiet leben, gehen nicht so gern raus und umgekehrt kommen die Menschen aus der Nachbarschaft nicht gern hierher“, erklärt der Quartiersmanager. Bei Festen sei dies anders. Erst Ende Mai hatten sich Menschen aus allen Bewohnergruppen daran beteiligt, die TWL-Stromkästen im Viertel zu bemalen. Auch ein iranischer Künstler verewigte sich.

Resulate des Nachbartags | Foto: Uwe Frey

Für ihre Quartiersarbeit haben Gabriel und Frey einen großen Vertrauensvorschuss, weil man sie im Viertel durch ihre Jugend- und Familienarbeit kennt. Bei den offenen Bewohnertreffs fällt es ihnen umso leichter, als Moderatoren zu wirken. „Wir helfen Konflikte zu lösen und andere Meinungen zu respektieren und zu tolerieren. Ausgrenzung und Ressentiments werden offen anmoderiert und damit unterbunden.“

Die Quartiersarbeit unterstützt zudem die Bewohner. Das Haus der Begegnung ist Anlaufstelle bei Fragen und Problemen, vermittelt Kontakt zu Beratungsstellen, gibt Sozialberatung und hilft in schwierigen Lebenslagen, in der Gesellschaft und im Arbeitsleben wieder Fuß zu fassen. Es laufen verschiedene Kooperationen: So wird versucht, über die GAG Wohnungen zu vermitteln. Das VHS-Lerntreff hilft Bewohnern individuell je nach Bedarf. Einige sind so über eine Ausbildung in ersehnte Jobs gekommen.

Baustrukturelle Fragen

Frey und Gabriel sind auch Vermittler in die Politik. Die Notwohnungsblocks in der Kropsburgstraße werden in den nächsten Jahren abgerissen. Weil das Einzugsgebiet mit dem in der Bayreuther Straße zusammengelegt wird, sobald dort die roten Blöcke bezugsfertig sind, entsteht auf absehbare Zeit eine Freifläche. Thema künftigerer Bewohnertreffs, die bald auch größer im Vereinsheim des Mundenheimer Sportvereins stattfinden könnten, wird deshalb auch ihre Nutzung sein. Offen ist, ob dort Infrastruktur in Form von Läden, Freizeitmöglichkeiten, Gastronomie entstehen kann. Dann wird das Quartiersmanagement auch Schnittstelle zwischen Bewohnern und Politik werden, um die Interessen der Bewohner in die Verwaltung oder in die Landespolitik zu vermitteln. Bisher steht es schon im engen Austausch mit den Ortsvorstehern, mit dem Bereich Jugend und Familien sowie über die Fördergemeinschaft auch mit dem Sozialdezernat. Zudem arbeitet es Hand in Hand mit Caritas, Schulrektoren und GAG.

In einem breit angelegten Bürgerdialog anhand von Umfragen und Versammlungen wird derzeit erhoben, welche Interessen die Bewohnergruppen zum Thema Quartiersverbesserung haben. Das Ergebnis könnte die Stadtverwaltung interessieren.
„In ein bis zwei Jahren wird die Quartiersarbeit größere Erfolge zeigen“, sagt Frey. Bis dahin freuen sich er und Gabriel über erreichte Zwischenziele. jg

Weitere Informationen: 
Die geplante Aufräumaktion „Miteinander Füreinander“ mit anschließendem Quartiersfest musste am Mittwoch, 2. August witterungsbedingt abgesagt werden. Der Aktionstag wird am Mittwoch, 23. August, ab 10 Uhr, nachgeholt.

Autor:

Julia Glöckner aus Ludwigshafen

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