Neue Lesereihe in Ludwigshafen
Manfred Dechert | Hinnersinniges und Hinnerpälzisches

Isabel Eichenlaub (Cello) und Manfred Dechert | Foto: Peter Herzer
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Stadtbibliothek, 9. Februar 23. Gelungener Start einer neuen Lesereihe, initiiert durch Eleonore Hefner, Geschäftsführerin von Kultur Rhein Neckar e. V.
Manfred Dechert aus Ludwigshafen, aufgewachsen in Schmalenberg nahe Kaiserslautern, ist vor allem als Mundartdichter bekannt, so gewann er 5x den Bockenheimer Dichterwettstreit. Er erlernte den Beruf des Schriftsetzers. Was wohl darauf gründen mag, ist das ihm Eigene plastische, szenische Wort für Wort und Satz für Satz setzen. Dechert blickt gern auf sein damals weitgehend bäuerliches Heimatdorf zurück, wo die gesellschaftlichen Strukturen intakt schienen, ja, es gab auch Schattenseiten. Im Gegensatz dazu die Großstadt mit ihrem kulturellen Überangebot, aber auch Not und Vereinsamung. Er schrieb Texte für das Theater Oliv in Mannheim, da geht es bei "Mieter Günther" um die Gentrifizierung eines Stadtviertels, um die Verdrängung sozial Schwacher.
Dechert verfasst Texte ebenso in Hochdeutsch, daneben performt er als Kabarettist, auch trat er bei Poetry Slam-Wettbewerben auf, z. B. in der Alten Feuerwache Mannheim.

Zu Beginn spielte ein auf dem Tisch stehender alter Kassettenrekorder den ersten Text ab, Dechert blieb gelassen in der ersten Reihe sitzen, was soll er sich mühen, die Technik bringt es auch. Er gab sich dann einen Ruck und stellte den Rekorder in eine Plastiktüte unter den Tisch. Nach kurzer Weile meldete sich dieser dumpf: Weitermachen, weitermachen! ... bis Dechert endlich unter Gelächter den Aus-Knopf fand.
Dechert zog alle Register seines Könnens und verabreichte dem Publikum Wechselbäder. Spaßige Darbietungen, meist stehend mit temperamentvoller Gestik, wechselten mit sehr ernsten Vorträgen am Lesetisch ab. Dechert verliert niemals sein primäres Anliegen aus den Augen, seine soziale Ader pocht stark, er engagiert sich für die unteren Gesellschaftsschichten, die Abgehängten, die (politisch) Verfolgten, Menschen mit psychischen Problemen, dazu hielt er in der Vergangenheit Gesprächskreise ab.
Beim Gedicht "Wenn" entstand eine beklemmende Atmosphäre: "Wenn die Panzer wieder rollen/stütze ich den Kopf in die Hand/und drehe und scrolle mich durch:/Wut, Trauer, Schmerz, Mitgefühl, Haß/Wenn das Haus bebt/renne ich zur Tür/und zurück und/beruhige meine Hand/Wenn die Schüsse wieder fallen..." Nur zögerlich applaudierten einige. 
Der Autor beleuchtete in surrealer Weise umgekehrte Welten: "Schweine holen Metzger ab/Karikaturisten jagen Terroristen/Boxer singen statt zu kämpfen/Politiker rezitieren den Faust/und Dichter beschließen ein Gesetz/..."
Dechert schildert Macht- und Missverhältnisse, wie sie in Pflege- und Seniorenheimen immer wieder vorkommen, aber nicht mit erhobenen Zeigefinger. In einen weiteren Gedicht weist er auf Gewalt gegen Frauen in Iran hin: "Diese Schritte wenn sie Dich holen/auf der anderen Seite der Welt/Dieser Haß wenn sie Dich trennen/von Deiner Hälfte der Welt/..."
Dechert gelang es aber auch mit fröhlich-satirischen Stücken wie "Familiengedicht" die Menschen mitzureißen, die Refrains sprachen viele mit. Glänzend seine Darbietung unterschiedlicher Charaktere. Artikulation, Mimik und Körperhaltung wirkten im schnellen Wechsel absolut überzeugend.

Die Cellistin Isabel Eichenlaub aus Speyer sorgte für den musikalischen Rahmen, darunter waren Eigenkompositionen, auch improvisierte sie sehr geschickt, so z. B. Kratzgeräusche oder das Schnurren einer Katze während eines Vortrags. Beide waren offenbar gut aufeinander abgestimmt, bis auf Nuancen. Dafür gab es insgesamt viel Beifall.

Eleonore Hefner lobte Dechert als Ausnahmeautor, er kreiere Widerhall wie Nachhall, er habe Mut zur Hässlichkeit, spricht Gewalt in der Gesellschaft offen an. Hefner sagte, sie hoffe auf eine fruchtbare Auseinandersetzung mit seinen Themen.
Die Veranstaltung war gut besucht. Tanja Weißmann, Leiterin der Stadtbibliothek, zeigte sich sichtlich zufrieden.

Manfred Dechert hat bisher kein eigenes Buch publiziert, dafür nutzt er im starken Maße die sozialen Medien. Auf dem Büchertisch lagen Anthologien und Zeitschriften des Literarischen Vereins der Pfalz aus, worin Gedichte von ihm zu finden sind. Er ist zudem Mitglied bei den Räuber '77 und der Literaturoffensive Heidelberg.

Am Donnerstag, den 13. April 2023 um 19:30 Uhr folgt Hasan Özdemir mit dem Motto "Atembruch".

Autor:

Peter Herzer aus Kaiserslautern

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