Interessantes von und mit Volker Schläfer
Mutterstadter Waldfestgeschichte: Blumen pflückende Familien, Waldpolonaisen, wetterfeste Genossen, Musik, Gesang, Reden

Foto: Gemeindearchiv Mutterstadt
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Das Veranstaltungsverbot auf Grund der Corona-Pandemie trifft auch die diesjährigen Mutterstadter Waldfeste, die Traditionsveranstaltungen im Ort schlechthin.

Sie sind an den Wochenenden ab Mai bis in den Sommer hinein ein beliebter und gut besuchter Treffpunkt für Jung und Alt zur Geselligkeit und zum Feiern. Insbesondere zu dem Maifest des SPD-Ortsvereins, das immer am 30.04. und 01.05. stattfindet, kommen viele Besucher, auch von außerhalb. Das Maifest ist eine der größten SPD-Veranstaltungen in der Pfalz, zu dem schon des Öfteren an den beiden Tagen mehr als 3.000 Besucher gezählt wurden. Der SPD-Ortsverein führt diese Veranstaltung mit Hilfe seiner vielen ehrenamtlichen HelferInnen durch; es sind als bis zu 100 Personen im Einsatz. Ihren Ursprung haben diese Veranstaltungen in den schon vor 140 Jahren stattgefundenen geselligen Zusammenkünften von Vereinen und Organisationen für ihre Mitglieder im Mutterstadter Wald, jeweils an wechselnden Plätzen. Insbesondere nutzte damals der neu gegründete, aber noch verbotene Arbeiterwahlverein, solche Veranstaltungen.

1884 verwies deshalb das Bezirksamt darauf, dass „(...) von Seiten der Anhänger der Sozialdemokraten unter dem Vorwand der Ausführung von geselligen Zusammenkünften, sogenannten Waldfesten, die Abhaltung sozialistische Versammlungen versucht wird und eine ganz harmlose Zusammenkunft dazu dienen soll, die politische Veranstaltung zu verheimlichen“. Eine Polizeistreife kontrollierte deshalb den Wald mit folgendem Ergebnis: „(…) dass sich eine größere Gesellschaft mit Frauen in Kindern niedergelassen habe. Ein Teil saß beim Bier und ließ sich Ziehharmonika spielen, der andere Teil sang Lieder und wieder andere pflückten Blumen und Erdbeeren. Reden seien nicht gehalten und keine Schriften verteilt worden. (...) “.

1892 lud der Arbeiter-Wahlverein dann öffentlich zu seinem Großen Waldfest in den prachtvollen „Maxgarten“ ein, mit Kletterbaum, Sacklaufen, Wettrennen, Waldpolonaise, mit einer Musikkapelle und mehreren Gesangvereinen.

Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts, wurden dann an verschiedenen Plätzen von immer mehr Vereinen solche Waldfeste abgehalten. Um dafür zu werben, gab es sogar Umzüge mit Musik durch den Ort. Zu den ausrichtenden Organisationen gehörten auch Vereine aus Ludwigshafen, wie die Freiwillige Sanitätskolonne, der Verband der Fabrikarbeiter, der Prot. Arbeiterverein, die Innere Mission, der Eisenbahner- und Postpersonalverband. Aus Mutterstadt waren es, neben den Gesang-, Musik- und Turnvereinen, auch der örtliche Reichsbund der Kriegsbeschädigten, der Radfahrerverein „Frisch auf“, der Kriegerverein, die Kleintierzüchter, der Verein der Hundefreunde oder der Katholische Jünglingsverein. Die Bewirtschaftung war früher einfach. Die Besucher wanderten oder fuhren mit dem Rad sonntags in den Wald und lagerten auf Decken im Freien. Für das Frischwasser wurde eine Pumpe im Waldboden geschlagen, es gab Bier aus Holzfässern, die mit Eisstangen gekühlt wurden, dazu Servelat oder die Leute verzehrten ihr mitgebrachtes Vesper. Das war natürlich immer wetterabhängig und so ist im Protokollbuch der SPD-Ortsvereins über das Waldfest im August 1953 zu lesen „(…) hätte ein schönes Familienfest gegeben, wenn nicht um 14 Uhr ein Dauerregen eingesetzt hätte. Aber als alte wetterfeste Genossen ließen wir uns nicht irre machen und alle Besucher wurden von einem LKW in den Saal zum Ochsen gefahren sowie alle Ess- und Trinkwaren. Dort spielte die Musik weiter und die auswärtigen Redner wurden mit großer Begeisterung angehört und es war spät in der Nacht bis der letzte Gast den Saal verlies (...)“.

Ab Mitte der 1950er-Jahre führte dann die SPD ihr Waldfest zu dem festen Termin 30.4./1.5. als Maifest durch; auch mit Tanz- und Unterhaltungsmusik und mit Festrednern. So spielte 1967 die Kapelle der 17. American-Air-Force-Band aus Ramstein und als Mairedner waren auch die damaligen Bundesvorsitzenden Rudolf Scharping, Oskar Lafontaine und Kurt Beck zu Gast. Ein vielfältiges Speise- und Getränkeangebot steht zur Verfügung und die SPD-Frauen bieten am 1. Mai nachmittags ihr (selbstgebackenes) Kuchen- und Tortenbüfett an. Die SPD-HelferInnen waren aber auch jahrelang der AWO behilflich, die bei ihrem Waldfest am “ Vatertag“ die hoch gelobten „Pfälzer Dampnudele mit Grumbeersupp“ angeboten hat.

Die Waldfeste sind wetterunabhängig geworden mit dem Bau der Walderholungsstätte 1961 und der großen Erweiterung mit Wirtschaftsräumen 1994 neben dem alten „Waldhäusel“.

Seit 1966 koordiniert die „Vorständekonferenz“ die Zuteilung der Waldfeste, wobei das SPD-Maifest am 30.04./01.05. traditionell immer den jährlichen Waldfestreigen eröffnet. Auf Anfrage bedauert der AVK-Vorsitzende Volker Reimer, dass nach dem Maifest bis zu den Sommerferien noch weitere zehn Waldfeste nicht stattfinden können. Viele Menschen aus Mutterstadt und der Umgebung empfänden das als Verlust einer lieb geworden Tradition: Gemütlich in der Natur zu sitzen, Freunde und gute Bekannte zu treffen, und eine bodenständige Mahlzeit und erfrischende Getränke zu genießen. Er blickt aber optimistisch in die Zukunft und würde sich für die Vereine freuen, wenn vielleicht einige Termine nachgeholt werden könnten, sobald die Schutzbestimmungen die zuließen.

Text:
Volker Schläfer, langjähriges Vorstandsmitglied im SPD-Ortsverein, aktives Mitglied im Historischen Verein Mutterstadt, Orts-Chronist

Autor:

Michael Hemberger aus Mutterstadt

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