DHBW Karlsruhe
Wissenschaftler erklärt die Psychotricks hinter dem Prime Day

Foto: Bildrechte: DHBW KA//RM

Countdown zum Kaufrausch

Ein Event in mehreren Akten:
Am 2. Juli 2025 startete Amazon sein Prime Festival mit einem exklusiven Tim-Bendzko-Konzert in Berlin. Ein spektakulärer Auftakt zum bisher größten Online-Shopping-Event des Jahres. Der Höhepunkt folgt vom 8. bis 11. Juli: Erstmals dauert der Prime Day vier Tage und lockt mit einer gezielten Inszenierung psychologischer Effekte zur digitalen Schnäppchenjagd.

Warum das Event so attraktiv ist, erklärt Jan Michael Rasimus, Leiter des Eye-Tracking-Labors der DHBW Karlsruhe, anhand neurowissenschaftlicher und konsumpsychologischer Erkenntnisse.

Erwartungshaltung: Die Macht des Countdowns
Die Spannung vor dem Prime Day ist riesig – und genau das macht ihn so wirkungsvoll. Bereits seit Wochen werden besondere Highlights als „Sneak Peeks“ (kurze Vorschauen) angekündigt. „Im Vorfeld solcher digitalen Großereignisse wird durch gezielte Inszenierung in sozialen Medien eine kollektive Erwartungshaltung erzeugt, die den Konsumdruck erheblich steigert“, erklärt Jan Michael Rasimus. Diese Erwartung setzt einen mentalen Anker – und bereitet das Gehirn auf einen Ausnahmezustand vor.

FOMO-Effekt: Zeitdruck und künstliche Verknappung
Die Angst, etwas zu verpassen („Fear of Missing Out“ bzw. FOMO“), ist ein zentraler Treiber des Konsumverhaltens. Darbietungsformen wie „Heutige Angebots-Highlights“ oder die neuesten „Blitzan-gebote“, die täglich um Mitternacht starten, sowie andere attraktive Deals, die sich innerhalb weniger Minuten erneuern, erzeugen ein Gefühl akuter Dringlichkeit. Diese künstlich geschaffene Dynamik verstärkt das Gefühl, ständig „dranbleiben“ zu müssen – und verleitet viele dazu, noch schnell zuzugreifen, bevor das Angebot womöglich verschwindet (Verknappung).

Belohnungssystem: Glücksgefühle beim Klick
Schon die Aussicht auf ein tolles Schnäppchen aktiviert das Belohnungssystem im Gehirn. „Botenstoffe wie Dopamin sorgen für Glücksgefühle und steigern das emotionale Verlangen“, so Rasimus. Andere Gehirnregionen, die uns sonst rational und vernünftig handeln lassen, sind deutlich weniger aktiv. Der Begriff „Kaufrausch“ passt übrigens sehr gut, denn es handelt sich um die gleichen Prozesse, die auch beim Konsum von Rauschmitteln zum Tragen kommen.

Trigger-Reize: Reize, die zum Handeln verleiten
Rabattkennzeichnungen, Signalfarben, durchgestrichene Preise und animierte Countdowns – all das sind sogenannte Trigger-Reize, die unser Verhalten beeinflussen. Gleiches gilt für Signalwörter wie „Sale“ oder „Top Deal“. Sie springen direkt ins Auge und lösen Glücksgefühle aus. „Diese visuellen Reize ziehen sehr viel Aufmerksamkeit auf sich und haben einen signifikanten Einfluss auf unsere Entscheidungen“, erklärt Rasimus. Studien mit Eye-Tracking (Blickverlaufsanalysen) zeigen, dass solche Elemente sowohl die Blickführung verändern als auch Handlungsimpulse auslösen können.

Preisgestaltung: Ankereffekt und Preisillusion
Der psychologische Ankereffekt wirkt subtil, aber stark. Durchgestrichene Preise oder eine deutlich abweichende unverbindliche Preisempfehlung (UVP) des Herstellers (z. B. „statt 399 € jetzt nur 199 €“) suggerieren eine enorme Ersparnis – selbst wenn der reale Marktwert oft deutlich niedriger liegt. „Der ursprüngliche Preis dient als emotionaler Bezugspunkt, nicht als objektiver Vergleichswert. Dadurch kann eine Preisillusion entstehen, die das Angebot besonders attraktiv erscheinen lässt“, gibt Rasimus zu bedenken.

Soziale Effekte: Social Proof und Gruppendruck
„Bereits 2.000-mal verkauft“, „Topseller“ oder „sehr gefragt“ – solche Hinweise vermitteln das Gefühl, dass viele andere das Produkt ebenfalls wollen. Dieser Social Proof („sozialer Beweis“) erzeugt unterschwelligen Gruppendruck und verstärkt die wahrgenommene Angebotsattraktivität. Menschen orientieren sich bei Unsicherheit gerne am Verhalten anderer – insbesondere dann, wenn eine Entscheidung schnell getroffen werden muss.

Individuelle Effekte: Der Commitment Bias
Wer bereits viel Zeit in die Suche, das Scrollen oder Vergleichen investiert hat, ist eher geneigt, eine Kaufentscheidung zu treffen – auch wenn Zweifel bestehen. Dieser sogenannte Commitment Bias („Verpflichtungsfehler“) beschreibt den inneren Drang nach Konsistenz: Der kognitive Aufwand soll sich „lohnen“, was oft zu einer nachträglichen Rechtfertigung des Kaufs führt – selbst bei eigentlich unnötigen Anschaffungen.

Personalisierte Angebote: Maßgeschneiderte Verführung durch KI
Ein entscheidender Erfolgsfaktor liegt in der datengetriebenen Personalisierung. Amazon analysiert Milliarden von Nutzerdaten – vom Suchverhalten über Wunschlisten bis hin zu Kaufzeitpunkten. Mithilfe künstlicher Intelligenz (KI) entstehen daraus maßgeschneiderte Produktempfehlungen in Echtzeit. Das erhöht nicht nur die Relevanz, sondern auch die Abschlusswahrscheinlichkeit.

Fünf Tipps für eine bewusste Schnäppchenjagd
Um auch an den heißen Aktionstagen einen kühlen Kopf zu bewahren, sollte man die Einkäufe am besten bereits im Vorfeld planen, um dann gezielt nach Angeboten zu suchen:
1. Wunschliste vorab erstellen: Nur gezielt nach klar definierten Produkten suchen – wer sich treiben lässt, gerät leichter in Versuchung.
2. Preisentwicklung prüfen: Vergleichsportale zeigen, ob es sich wirklich um ein Schnäppchen handelt – oder nur um geschicktes Preismarketing.
3. Bedenkzeit einbauen: Eine Pause von zehn Minuten vor dem finalen Klick – idealerweise mit geschlossener Browser-Registerkarte – hilft, impulsive Entscheidungen zu entschärfen.
4. Budget festlegen und einhalten: Eine selbst gesetzte Obergrenze schützt vor dem schleichenden Überkauf durch viele kleine Einzelentscheidungen.
5. Käufe im sozialen Kontext reflektieren: Wer geplante Käufe mit anderen bespricht, denkt automatisch bewusster darüber nach – ein einfacher, aber wirksamer Reflexionsmechanismus.
„Wer seine Entscheidungen bewusst verlangsamt, trifft diese nicht nur rationaler, sondern ist im Nachhinein meist auch zufriedener mit dem Ergebnis“, fasst Rasimus zusammen.

Fazit: Kaufen mit klarem Kopf
Der Prime Day ist längst nicht mehr nur ein Verkaufsformat – er ist ein Testlabor für digitales Konsumverhalten. Was zählt, ist nicht das Vermeiden, sondern das Verstehen der psychologischen Mechanismen, die unser Verhalten beeinflussen. Die gute Nachricht: Wer sie kennt, kann sie nicht vollständig ausschalten – aber gezielt unterbrechen. Und genau darin liegt der Schlüssel: aus der Rabattschlacht keinen Reflex, sondern eine bewusste Entscheidung zu machen – für den Kopf und fürs Konto.

Weiterführende Beiträge von Jan Michael Rasimus:
- Psycho-Tricks bei der Schnäppchenjagd – Was Konsument*innen antreibt: idw-online.de, 4. Oktober 2024
- Amazon Prime Day 2024 – Die Psychologie hinter der Schnäppchenjagd: DHBW Karlsruhe, Oktober 2024

https://www.karlsruhe.dhbw.de/

Autor:

Susanne Diringer aus Karlsruhe

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