Geißburg, Alt-Scharfeneck, Orensberg, Kittenberg
Verschwundene Burgen

Grabungsteam auf dem Orensberg   | Foto: J. Braselmann
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  • Grabungsteam auf dem Orensberg
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von Rolf Übel
Südpfalz. In der letzten Artikelserie wurde über verschwundene Dörfer berichtet, sog. Wüstungen. In dieser Reihe soll es um verschwundene oder versteckte und daher wenig bekannte Befestigungsanlagen in unserem Raum gehen – vom frühen Mittelalter bis in den Zweiten Weltkrieg.
Beginnen will ich mit frühmittelalterlichen Befestigungen in unserem Raum: Dem eigentlich noch recht bekannten Orensberg und dem nicht allzu weit von ihm gelegenen Kittenberg, die beide frühmittelalterliche Befestigungen tragen.
Orensberg und Orensfelsen sind beliebte Wanderziele. Vom Orensfelsen hat man einen weiten Blick in das Queichtal und in das Dernbachtal, oder kann den nahebei startenden Gleitschirmfliegern zusehen. Im Zusammenhang mit dem Orensberg war immer von einer Befestigungsanlage aus der La-Têne-Zeit die Rede, also der frühen Eisenzeit, und diese den Kelten als Erbauern zugewiesen. Und es ist ebenfalls von einer keltischen Opferschale auf dem Gipfel des Orensbergs die Rede, an der die Kelten Blutopfer zelebriert haben sollen. Diese These einer keltischen Befestigung wurde schon durch Ausgrabungen im 19. Jahrhundert (Christian Mehlis) und im frühen 20. Jahrhundert (Karlwerner Kaiser) widerlegt, hielt sich aber hartnäckig in der örtlichen Überlieferung. Umfangreiche Untersuchungen durch eine archäologische Grabungsgruppe unter Leitung von Dr. Jochen Braselmann brachte nach 2006 Licht in das Dunkel der Geschichte der Anlage. Funde wurden gemacht aus dem Neolithikum (Jungsteinzeit), der jüngeren Bronzezeit und auch aus der Römerzeit, die eine Besiedlung in diesen Epochen zumindest nicht ausschließen. Aber die dendrochronlogische Untersuchung eines dem Wall entnommenen angekohltem Holzstücks weist in das 3. Viertel des 8. Jahrhunderts, also in die Karolingerzeit. Keramikfunde aus dem 9. und 10. Jahrhundert lassen ein Nutzung bis in das Hochmittelalter möglich erscheinen, vielleicht auch als Fliehburg für die Siedlungszelle um Albersweiler-St. Johann. Der Orensberg könnte dann in Zeitstellung und Funktion den anderen Fliehburgen in der Region zugeordnet werden, dem Heidenschuh bei Klingenmünster und den Heidenlöchern bei Deidesheim. Auch diese stammten aus dem 9. oder 10. Jahrhundert, als Ungarn- und Wikingereinfälle zu befürchten standen.
In späterer Zeit war der Bereich auf dem Orensberg eine Hochweide, wurde aber auch als Steinbruch genutzt – wahrscheinlich auch bei dem Um- und Ausbau der Burg Neuscharfeneck im späten 15. und mittleren 16. Jahrhundert und schriftlich belegt beim Bau der Festung Landau ab 1688. Die Steinbrecher hatten sich auf dem Berg „wohnlich eingerichtet“.
Erhalten haben sich Materialgraben und der größte Teil des verfallenen Walls in 2,5 km Länge mit zwei Toren. Die so gebildete Umwallungen hatte eine Innenfläche von 15 Hektar. Im Inneren ist wenig zu finden, aber bei den Ausgrabungen fand man Grubenhäuser, die mit Steinplatten umgeben waren und auch umlaufende Sitzbänke aufwiesen und wohl als Unterkünfte für die Steinbrecher dienten.
Wie verhält es sich aber mit der angeblichen keltischen Opferschale auf dem Gipfel des Berges. Die Mulde in der Felsplatte wird als natürlich angesprochen, nur die „Blutrinne“ ist eindeutig eine künstliche Einarbeitung von Menschenhand. Mitunter wird sie als glaciale Gletschermühle, aber auch als Erosionprodukt verschieden harter Steinschichten interpretiert, aber in jedem Falle nicht als Opferschale und als keltische schon gar nicht. „Dennoch ist in keiner Weise belegbar, dass hier Opfergaben, in der Frühgeschichte, zu Ehren der Götter erbracht wurden“, schreibt der Historiker Jochen Braselmann zu der Schale.
Nicht weit entfernt befindet sich an der Nordseite des Hainbachtals westlich von Gleisweiler eine frei zugängliche frühmittelalterliche Abschnittsbefestigung auf dem Kittenberg, einem Ausläufer des Teufelsbergs. Die Befestigungsanlage ist durch ein Hinweisschild markiert. Der 193 Meter lange Wall schneidet den südlichen Ausläufer des Teufelsbergs gegen den dahinter aufsteigenden Berg ab. Ob der Wall eine Palisadenbekrönung hatte oder ob die Bergflanken mit Palisaden gesichert waren, lässt sich genausowenig belegen wie eine Innenbebauung, auf die leichte Einbuchtungen im Gelände hinweisen könnten.
Über die genaue Zeitstellung der Befestigungsanlage wie über ihr Funktion liegen keine gesicherten Erkenntnisse vor, da datierbare Kleinfunde fehlen und auch keine Holzreste wie auf dem Orensberg dendrochronolgisch datiert werden können.
Es könnte sich um eine kleine frühmittelalterliche Fliehburg in der Mittelhaigeraide gehandelt haben. Sie wird in der Forschung als Abschnittsbefestigung gerne mit dem Heidenschuh bei Klingenmünster verglichen.
Untergegangene Dörfer bezeichnet man als „Wüstungen“. Wenn eine Burgstätte bekannt, dort aber nichts mehr zu sehen ist, was an eine Burg erinnert, so spricht man von „abgegangenen Burgen“. Und von diesen Stätten gibt es viele!
Wenn wir von Burgen sprechen, dann denken wir oft an die Höhenburgen auf den Bergen, von denen sich viele als Ruinen erhalten haben und teilweise noch imposante Reste zu sehen sind. Auch von den Höhenburgen sind viele abgegangen, man findet kein aufgehendes Mauerwerk mehr, vielleicht noch wenige Abarbeitungen im Fels. Und von den abgegangenen Niederungsburgen in der Ebene findet man oft außer Schriftquellen oder Flurnamen, die auf einen Burgstandort schließen lassen, heute nichts mehr.
Die Geißburg und die Altscharfeneck, um die es jetzt gehen soll, gehören zu diesem Typ. Fährt man von Burrweiler in Richtung Modenbachtal, so sieht man nördlich des Dorfes einen Hügel aus dem Rebgelände ragen. Auf diesem stand bis kurz nach Bauernkrieg eine Burg: Die Geisburg. Sie wird in der älteren Literatur als Reichsburg in das Hochmittelalter datiert. Diese Annahme wird von der Forschung heute abgelehnt, da die ersten Belege für die Burg aus der Mitte des 14. Jahrhundert datieren, somit das Baudatum ebenso unbekannt ist wie die Funktion. 1372 gehörte sie zusammen mit den Dörfern Burrweiler, Flemlingen und Wernersberg zur Herrschaft Dahn. Ab 1401 ist die Geisburg dann tatsächlich als Reichsburg nachgewiesen, da sie von König Ruprecht von der Pfalz an die Herren von Dahn verlehnt wurde. Ob die Dahner Burg dann im Bauernkrieg zerstört wurde, ist nicht gesichert. Allerdings weist die Bemerkung in einer Urkunde „ das Haus Geisberg, so es widder in bauw pracht“ durchaus auf Baumaßnahmen nach einer Zerstörung hin. Die Dahner bauten ab 1544 ein Schloss im Ort Burrweiler, behielten den Namen Geisburg aber für die Herrschaft bei und erhielten das Lehen bis zur Französischen Revolution als Reichslehen. Was mit den Ruinen geschah, ist nicht genau belegt. Aber die Nähe zum Dorf und der Bau des Schlosses legen ein bestimmtes Schicksal nahe – das als Steinbruch.
Ähnliches gilt auch für die Burg Altscharfeneck im Hainbachtal bei Frankweiler auf einen Ausläufer des Ringelsbergs gelegen. Die Burgstelle liegt am Ende des Frankweilerer Steinbruchs und ist frei zugänglich. Aber zu sehen ist nichts mehr. Obwohl die Burg wahrscheinlich schon im 14. Jahrhundert aufgelassen und wohl auch abgerissen wurde, blieb ihr Name erhalten: „Die Burgen Alt- und Newe Scharpfeneckh im wasgischen gebürgk gelegen“ finden wir noch in Quellen des 18. Jahrhunderts. Obwohl der Name Alt-Scharfenck nur noch den ehemaligen Burgbezirk bezeichnete, den nachmaligen Steigert bei Franweiler.
Die Burg wurde 1219 erstmalig erwähnt und wurde immer als eine Gründung der Herren von Scharfenberg, der Besitzer der Burg Scharfenberg (Münz) bei Annweiler, gesehen. Archäologische Befunde, die in die Salierzeit des 11. Jahrhunderts weisen, wurden 2004 entdeckt, auch frühe sog. Wilgarta-Keramik. Somit ist ein höheres Alter als bislang angenommen und auch ein anderer Bauherr möglich. Ab 1219 nennt sich Heinrich von Scharfenberg auch von Scharfeneck. Spätestens zu diesen Zeitpunkt hatten die Scharfenberger die Burg inne. Der Name Frankenburg, der auch auf für diese Burg genannt wird, ist nicht belegt, er gehört zur Frankenburg im Modenbachtal. Die Bezeichnung Alt-Scharfeneck taucht erst im 16. Jahrhundert als Abgrenzung zu Neu-Scharfeneck auf. Es kann vermutet werden, dass Neuscharfeneck im späten 13. Jahrhundert erbaut wurde, als Wohnburg der Seitenlinie von Scharfeneck-Metz, somit die Herren von Altscharfeneck auf der älteren Burg, die von Herren von Scharfeneck-Metz auf der neueren Neuscharfeneck saßen. Da im Mittelalter immer nur von Scharfeneck die Rede ist, können Urkunden oft nicht einer einzelnen Burg zugeordnet werden. Der Autor dieser Zeilen vermutet, das spätestens unter Johann von Scharfeneck-Metz (1249-1292) der Bau von Neuscharfeneck geschah, und dass nach dem Aussterben des letzten Vertreters der altscharfeneckischen Linie Witego nach 1262 die ältere Burg langsam aufgelassen wurde. Vielleicht wurde sie, wie auch vermutet wird, beim Bau von Neuscharfeneck als Steinbruch genutzt.
In jedem Fall bezieht sich die Zerstörung der Scharfeneck im Bauernkrieg 1525 auf die Neuscharfeneck. Konkrete Hinweise auf die Burg Altscharfeneck nach dem 16. Jahrhundert fehlen wohl deshalb, weil sie schon weitgehend verschwunden war. Die letzten Reste sollen 1688 für den Festungsbau in Landau und 1830 für den Festungsbau in Germersheim abgetragen worden sein. Bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts galt ein am Schulhaus in Frankweiler eingemauerter Stein als letzter der Burg.
Kurt Müller, Lehrer aus Frankweiler, hat bei Suchgrabungen auf dem Burggelände in den 1950er Jahren einen Mauerzug, einen Graben und einen Brunnen gefunden und dokumentiert. Bei einer von Gottfried Decker und Dr. Jochen Braselmann durchgeführten Grabung von 2004 bis 2006 wurden weitere Mauerteile gefunden. Diese belegten, dass das Burgareal größer war als angenommen. Die gemachten mittelalterlichen Kleinfunde wie Keramik und Fußbodenplatten datierten nicht über das späte 13. Jahrhundert hinaus, so dass die These einer frühen Auflassung der Burg gestützt wurde. Die Grabung wurde wissenschaftlich dokumentiert, die Fundstellen wieder zugeschüttet, so dass von Altscharfeneck auch heute nichts mehr zu sehen ist. Allerdings bleibt die Burg weiterhin eine mit vielen Rätseln.

Weitere Artikel zum Thema "Wüstungen":
https://www.wochenblatt-reporter.de/annweiler/c-lokales/wuestungen-in-der-suedpfalz_a448274
https://www.wochenblatt-reporter.de/bad-bergzaberner-land/c-lokales/wuestungen-in-der-suedpfalz_a455096
https://www.wochenblatt-reporter.de/annweiler/c-lokales/die-wuestung-volloch_a493444

Autor:

Britta Bender aus Annweiler

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