Wenn Worte wachsen

- Pilotprojekt in katholischen Kitas zur individuellen Sprachförderung
- Foto: kathma.de/Schuhmann
- hochgeladen von Kristin Hätterich
Mannheim. Von außen sieht die Kita aus wie viele andere in Mannheim: bunte Kinderkunst in den Fenstern, Bobbycars im Hof, Kinderlachen im Hintergrund. Und drinnen passiert gerade etwas Besonderes. An einem kleinen Tisch im Gruppenraum beugt sich eine junge Frau zu einem Jungen, der konzentriert Tiere auf Spielkarten betrachtet. „Welches Tier suchst Du?“, fragt sie leise. Der Junge überlegt kurz, dann flüstert er: „Elefant“. Ein Lächeln huscht über beide Gesichter. Ein kleiner Moment – mit großer Bedeutung.
Unter dem Arbeitstitel „Individuelle Sprachbildung in Kitas“ läuft aktuell in vier katholischen Kitas - St. Peter und Paul (Feudenheim), St. Marien Süd (Rheinau), St. Raphael Nord (Schönau), St. Sebastian (Innenstadt) - ein Pilotprojekt, das Kindern mit besonderem Unterstützungsbedarf bei der Sprachentwicklung eine intensive, individuelle Begleitung bietet – Woche für Woche. Und es zeigt Wirkung. Es ist eine alltagsnahe Unterstützung, wissenschaftlich begleitet und nachhaltig.
Mit einem Pilotprojekt wollen die Katholische Gesamtkirchengemeinde Mannheim (GKG), das Mannheimer Zentrum für Empirische Mehrsprachigkeitsforschung (MAZEM) und der Rotary Club Mannheim-Friedrichsburg frühkindliche Sprachbildung ergänzen und intensivieren. Dass dabei unterschiedliche Akteure wie Kirche, Wissenschaft und zivilgesellschaftliches Engagement erfolgreich zusammenfinden, ist für alle Beteiligten ein starkes Zeichen: „Kooperation auf Augenhöhe macht dieses Projekt möglich – und zeigt, was entsteht, wenn jede Seite ihre Stärken einbringt“, sagt Ulrike Trosdorff – zuständig für Qualitätsentwicklung im Bereich Kitawesen bei der GKG.
Die Kleingruppenarbeit mit maximal vier Kindern ermöglicht dabei ein Höchstmaß an individueller Zuwendung. „Viele dieser Kinder verstehen mehr, als sie sagen können“, sagt Kerstin Mehler, Sprachwissenschaftlerin am MAZEM. „Wir geben ihnen einen sicheren Raum, in dem sie sich ausdrücken lernen – Schritt für Schritt.“
Die Katholische Gesamtkirchengemeinde Mannheim sieht in dem Projekt eine wertvolle Ergänzung zu den bestehenden Konzepten und bestehenden Förder-Programmen wie „Kolibri“ oder „Sprachkitas“, wie Trosdorff erläutert. Mit der Zusammenarbeit mit MAZEM, mit dem Rotary Club, mit den Einrichtungen vor Ort habe man mit diesem Projekt ein neues Kapitel im Gesamtkonzept frühkindlicher Bildung in katholischen Kitas aufgeschlagen.
Mit Sprache Nähe schaffen
Die Sprachförderkräfte und die Kinder stehen im Zentrum des Projekts – sie sind die Menschen, die Woche für Woche in den Kitas zusammenkommen und dort vertrauensvolle Beziehungen aufbauen. Diese Sprachförderkräfte – meist Studierende oder pädagogisch geschulte Quereinsteigerinnen und -einsteiger – begleiten jeweils vier Kinder. Ihre Aufgabe: Sprachförderung mitten im Kita-Alltag, nicht als Sonderprogramm, sondern im Spiel, im Gespräch, im Miteinander.
Bevor sie zum Einsatz kamen, haben alle ein Qualifizierungsprogramm absolviert. Fachlich werden sie durch das MAZEM-Team eng begleitet. Dazu gehören regelmäßige Reflexionstreffen, Supervisionen und ein fachlicher Austausch untereinander. Auch die Katholische Gesamtkirchengemeinde sorgt für eine solide Basis: Präventionsschulungen, ein erweitertes Führungszeugnis sowie Kennenlerngespräche mit Kita-Leitung und Eltern schaffen Vertrauen und Sicherheit.
Im Alltag zeigt sich schnell, ob die Chemie stimmt. „Die Kinder nehmen die Sprachförderkräfte schnell an – sie sind oft wie große Geschwister, die da sind, um zuzuhören, zu begleiten und dabei Sprache ganz nebenbei mit ins Spiel zu bringen“, so Trosdorff.
Im Kita-Alltag sind die Sprachförderkräfte längst angekommen. Sie sitzen mit Kindern auf dem Boden, bauen Türme, malen Bilder, erzählen Geschichten. Sie sind keine Fremden, sondern Vertraute – Menschen, die sich Zeit nehmen. „Es tut den Kindern gut, dass da jemand kommt, nur für sie“, sagt eine Erzieherin aus der Kita St. Peter und Paul – eine der Pilot-Kitas „Sie spüren das – und fangen an zu erzählen.“
Gewachsene Idee
Die Wurzeln dieses Projekts reichen zurück ins Jahr 2017. Damals lernte der Mannheimer Unternehmer und Rotarier Eberhard Will ein ähnliches Konzept kennen. Die Ergebnisse waren überzeugend – doch das Projekt versandete. „Es hat mich fassungslos gemacht, dass etwas so Wirksames einfach versickert, weil niemand bereit war, langfristig zu investieren“, erzählt Will.
Heute ist er einer der treibenden Kräfte hinter dem neuen Anlauf – getragen vom Rotary Club Mannheim-Friedrichsburg, der die Finanzierung übernommen hat. „Sprache ist der Schlüssel zur Bildung. Und Bildung ist der Schlüssel zur Gerechtigkeit“, sagt er. „Deshalb investieren wir – nicht punktuell, sondern nachhaltig.“
Viele Mitglieder des Serviceclubs haben selbst erlebt, wie wichtig Sprache für die persönliche und berufliche Entwicklung ist. Andere engagieren sich seit Jahren im Bildungsbereich oder in interkulturellen Kontexten. Das Engagement wurzelt also in der Haltung, aktiv gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen und „dort zu helfen, wo Hilfe konkret und nachhaltig wirkt“, betont Will. Und das mit Ressourcen, Netzwerken und Know-how.
Der Club hat also nicht nur Geld bereitgestellt, sondern sich aktiv in die Konzeptentwicklung zusammen mit Ulrike Trosdorff von der Katholischen Gesamtkirchengemeinde Mannheim und MAZEM eingebracht. Die Club-Mitglieder stehen hinter dem Projekt – aus Überzeugung.
Ein Modell mit Zukunft
Noch ist das Projekt auf vier Kitas begrenzt. Zum neuen Kindergartenjahr 2025/26 sollen zwei weitere dazukommen. Die Initiatorinnen und Initiatoren denken schon weiter: „Wenn es uns gelingt, Wirkung sichtbar zu machen, können auch andere Träger, Städte oder Förderer aufspringen“, sagt Mehler. Die wissenschaftliche Auswertung soll nicht nur belegen, dass es wirkt – sondern auch zeigen, wie.
Das ist ganz im Sinne des Projektpartners vom Rotary Club Friedrichsburg: „Wenn wir damit Nachahmer gewinnen können, ist das ein echter Erfolg über die reine Förderung hinaus“, so Will. Das aktuelle Budget reiche für mindestens zwei weitere Jahre. Langfristig sei eine Ausweitung auf weitere Einrichtungen das Ziel.
Dass sich ein katholischer Träger auf ein so spezifisches und wissenschaftlich fundiertes Projekt einlässt, sei kein Zufall. „In unseren Einrichtungen vermitteln wir Werte wie Versöhnung, Mitmenschlichkeit und Solidarität – das geht nicht ohne Sprache“, so Ulrike Trosdorff. Die Verantwortliche im Bereich Frühkindliche Bildung und Qualitätsentwicklung bei der Katholischen Gesamtkirchengemeinde spannt den Bogen noch weiter: „Wir können nicht nur Sprachkompetenz stärken, sondern langfristig aktiv soziale Teilhabe ermöglichen.“ red



Autor:Kristin Hätterich aus Mannheim |
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