Antworten zu den wichtigsten Fragen
Urlaub und Kurzarbeit

Eine Urlaubsreise nach Oia auf Santorini ist aktuell nicht möglich | Foto: Michelle Maria/Pixabay.com
  • Eine Urlaubsreise nach Oia auf Santorini ist aktuell nicht möglich
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Kurzarbeit. Mehr als 700.000 Unternehmen und Betriebe in Deutschland haben bisher aufgrund der Coronakrise Kurzarbeit angemeldet. Neben finanziellen Einbußen fragen sich viele betroffene Arbeitnehmer auch, wie es um die rechtliche Lage beim Thema „Urlaub und Kurzarbeit“ steht. Das Buchungs- und Bewertungsportal HolidayCheck beantwortet die wichtigsten Fragen dazu.

Der Arbeitgeber hat Kurzarbeit angeordnet. Wie wirkt sich das auf den Urlaubsanspruch aus?
Aktuell besteht hier noch keine klare Regelung, da die Arbeitsgerichte dies noch nicht entschieden haben. Die Tendenz geht jedoch dahin, dass der Urlaubsanspruch entsprechend der angeordneten Kurzarbeit gekürzt werden kann. Das heißt, wird die Arbeitszeit um 50 Prozent Kurzarbeit reduziert, hat der Arbeitnehmer auch nur einen Anspruch auf die Hälfte der Urlaubstage. Im Einzelfall hängt die Berechnung aber von Umfang und Verteilung der Kurzarbeit und der eigenen normalen Arbeitszeit, sowie ihrer Verteilung ab. Unklar ist außerdem noch, ob diese Kürzung automatisch eintritt oder ob der Arbeitgeber die Kürzung aktiv an seine Arbeitnehmer kommunizieren muss. Hat ein Arbeitnehmer bereits mehr Urlaub genommen, als ihm eigentlich zugestanden hätte, dürfte ein Nacharbeiten eher unwahrscheinlich sein.
Die Reduzierung der Arbeitszeit um 50 Prozent bedeutet allerdings auch, dass sich in der Regel mit dem Einsatz der Hälfte der Tage ein genauso langer Urlaub erzielen lässt, wie mit vollen Tagen in der regulären Arbeitszeit.

Wenn man in Kurzarbeit ist, kann man wie gewohnt Urlaub nehmen oder kann das der Arbeitgeber untersagen und einen sogar zwingen, den bereits gebuchten Urlaub zu stornieren?
Grundsätzlich kann und darf auch während der Kurzarbeit der verfügbare Urlaub genommen werden. Urlaub, der vor der Kurzarbeit bereits genehmigt wurde, muss vom Arbeitgeber generell gewährt werden. Nur in äußersten Notfällen hat der Arbeitgeber das Recht, diesen wieder zurückzunehmen. Darunter fällt zum Beispiel ein unvorhersehbares, existenzbedrohendes Ereignis oder zwingende betriebliche Gründe. Muss der bereits gebuchte Urlaub aus diesen Gründen kostenpflichtig storniert werden, so muss der Arbeitgeber grundsätzlich für die Kosten aufkommen. In den meisten Fällen wird der Arbeitgeber aber froh sein, wenn Urlaubsguthaben abgebaut werden.

Da es aktuell nicht möglich ist zu verreisen, möchte man keinen Urlaub nehmen. Kann der Arbeitgeber einen zwingen, während der Kurzarbeit Urlaub zu nehmen?
Generell kann der Arbeitgeber einen Zwangsurlaub nicht ohne Weiteres anordnen. In Ausnahmefällen bei dringenden betrieblichen Belangen ist jedoch eine Anordnung von Zwangs- oder Betriebsurlaub wohl möglich. Ob die Coronakrise selbst als ausreichender Grund dafür gilt, ist aktuell noch nicht durch die Gerichte geklärt. Sollte Zwangsurlaub angeordnet werden, darf sich dieser aber sicherlich nicht auf den kompletten Urlaubsanspruch erstrecken.

Kann der Arbeitgeber eine Urlaubssperre für die Zeit nach der Kurzarbeit verhängen, um den jetzt entstandenen wirtschaftlichen Schaden wieder „aufzuholen”?
Ist bereits jetzt Urlaub für einen Zeitraum nach der Kurzarbeit genehmigt, kann der Arbeitgeber diesen nicht so einfach wieder streichen. Dies ist nur in Ausnahmefällen bei zwingenden betrieblichen Gründen möglich. Anders verhält es sich bei noch nicht genehmigten Urlauben. Diese kann der Arbeitgeber laut Bundesurlaubsgesetz aus dringenden betrieblichen Gründen verweigern. Beispiele für derartige Gründe sind eine drohende Insolvenz, großer Andrang im Saisongeschäft oder spezielle Fachkenntnisse des Mitarbeiters, die zu der fraglichen Zeit unbedingt benötigt werden. Grundlos kann der Urlaub allerdings nicht verweigert werden, der Arbeitgeber muss dem Antragssteller in jedem Fall die Gründe hierfür darlegen.

Wenn man in Kurzarbeit ist und und sich deshalb die bereits gebuchte Reise wegen des Lohnausfalls nicht mehr leisten kann, greift dann die Reiserücktrittsversicherung?
Während ein Verlust des Arbeitsplatzes, bei einer betriebsbedingten Kündigung durch den Arbeitgeber von der Reiseversicherung gedeckt ist, springt bei Kurzarbeit nicht jede Reiseversicherung ein. Einige Anbieter haben dies jedoch explizit mit abgedeckt und erstatten die anfallenden Stornierungskosten für den Fall von Kurzarbeit der Reiseteilnehmer. Die Versicherung greift dann, wenn eine Reduzierung des Einkommens mindestens in Höhe eines regelmäßigen monatlichen Nettolohnes bis zum Abreisetermin eintritt.
Ein Beispiel am konkreten Fall:
Kurzarbeit mit 40%iger Lohnkürzung zunächst von 01.04. – 30.06.2020.
Abreise beispielsweise 15.6.2020 oder 1.7.2020
April-Nettolohn 2.000,- Euro – 40% = 1.200,- Euro / Kürzung 800,- Euro
Mai-Nettolohn 2.000,- Euro – 40% = 1.200,- Euro / Kürzung 800,- Euro
Juni-Nettolohn 2.000,- Euro – 40% = 1.200,- Euro / Kürzung 800,- Euro
Dies entspricht einer Kürzung von 2.400, - Euro und wäre versichert, da die Kürzung über dem Betrag des regelmäßigen Nettolohns (2.000 Euro) liegt und dieser vor Abreisetermin erreicht wird.
Für die Erstattung muss eine entsprechende Bestätigung des Arbeitgebers und ein Nachweis des regelmäßigen Nettolohnes bei der Versicherung eingereicht werden. So bleibt der Urlauber nicht auf den Stornierungskosten sitzen. Wichtig ist in jedem Fall, sich die jeweilige Versicherungspolice mit den gedeckten Rücktrittsgründen sorgfältig durchzulesen.

Kann aufgrund von Kurzarbeit das Urlaubsentgelt gestrichen werden?
Als Faustformel gilt im Bundesurlaubsgesetz der Grundsatz, dass ein Arbeitnehmer an einem Urlaubstag finanziell so gestellt werden muss, als hätte er normal gearbeitet. Maßgeblich ist dabei, vereinfacht dargestellt, die Vergütung der letzten dreizehn Wochen, aus der dann ein Durchschnittswert für den Urlaubstag berechnet wird. Daran ändert sich auch durch die Einführung von Kurzarbeit nichts. Für den gesetzlichen Mindestjahresurlaub, der bei einer Fünf-Tage-Woche bei 20 Tagen im Jahr liegt, führt die Kurzarbeit also grundsätzlich nicht zu einer Kürzung des Urlaubsentgelts. In diesem Zeitraum bezieht der Arbeitnehmer also seinen vollständigen Lohn und kein eingeschränktes Kurzarbeitergeld. Verdienstkürzungen, die durch Kurzarbeit eintreten, bleiben unberücksichtigt und die Kurzarbeit wirkt sich nicht negativ aus. Diese Grundsätze gelten für den gesetzlichen Mindesturlaub. Für den vertraglichen Mehrurlaub gelten sie nur, sofern die Arbeitsvertragsparteien keine abweichende Vereinbarung getroffen haben. Der generelle Urlaubsanspruch kann sich außerdem unter Umständen durch die Einführung von Kurzarbeit ändern (siehe 1.). Sollte der Arbeitgeber freiwillig zusätzliches Urlaubsgeld zahlen, hängt es von der entsprechenden Vereinbarung ab, ob sich die Einführung von Kurzarbeit auf den Anspruch auf zusätzliches Urlaubsgeld auswirkt. rk/ps

Autor:

Roland Kohls aus Ludwigshafen

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