SchUM-Konzert im Speyerer Dom
Die Eiszeit-Geige und die Transzendenz
- Gemeinsame Probe der drei Chöre in Worms (hier mit Dirigent Julian Müller)
- Foto: Enjott Schneider
- hochgeladen von Christian Huber
Als noch der Säbelzahntiger regierte
Martin Schleske ist einer der besten und gefragtesten Geigenbauer der Welt. Jährlich verlassen über 30 Instrumente seine Werkstatt in Landsberg am Lech. Aber eine Geige wie diese hat er zuvor noch nie geschaffen. Sie ist weltweit einzigartig. Ihr Boden ist aus dem Stamm eines Kauri-Baumes gefertigt worden, der vor 30 bis 50 tausend Jahren gewachsen ist. Damals war die Nordhalbkugel der Erde noch weitgehend mit Eis bedeckt, der Säbelzahntiger ging auf Beutefang und der Homo Sapiens verbreitete sich von Afrika aus über die Welt.
Neuer Klang aus uraltem Holz
Seither lag der Stamm von allen Umwelteinflüssen geschützt wie eine Moorleiche in einem Neuseeländischen Hochmoor, bis er geborgen und zum Weltnaturerbe erklärt wurde. Zuvor aber wurden einige klanglich besonders vielversprechende Stücke davon der Werkstatt von Martin Schleske zur Verfügung gestellt. Der hat daraus im vergangenen Jahr für den Münchener Solo-Violinisten Ingolf Turban ein Instrument gebaut.
Turban bescheinigt seiner neuen Geige großes Potential, „eine unglaubliche Volumengröße“, die aber noch gezähmt werden müsse. „Das ist so wie Sportwagen fahren. Sie geben etwas Gas und es kommt sofort eine Beschleunigung in den Ton. Sie müssen eher nach unten regulieren“.
Konzert im altehrwürdigen Speyerer Dom
Jetzt kommt Turban, der in fast allen großen Konzertsälen der Welt und mit den bekanntesten Dirigenten von Sergiu Celibidache über Lorin Maazel, Zubin Mehta und Yehudi Menuhin bis Andris Nelsons musiziert hat, mit seiner „Eiszeit-Geige“ nach Speyer. Am 27. September spielt er zusammen mit dem Mozartchor Speyer, dem Ensemble Chordial aus Mainz und dem Wormser Kammerensemble in der Uraufführung des Oratoriums „Kabbala – Die Wege des Lichts“ von Enjott Schneider im Rahmen der Internationalen Musiktage Dom zu Speyer. Das Konzert eröffnet zugleich die SchUM-Kulturtage.
Ein Hauch von Ewigkeit
Enjott Schneider, ein renommierter Komponist und Hochschullehrer aus München, hat sein in hebräischer Sprache komponiertes Oratorium der neuen Geige von Ingolf Turban förmlich auf den Leib geschrieben. Die jüdische Weisheitslehre der Kabbala wird oft als „Seele des Judentums“ bezeichnet. Sie ist eine jüdische Mystik, die sich mit der Erforschung der Natur Gottes, der Schöpfung und der Beziehung des Menschen zu Gott beschäftigt. Sie versucht, die verborgenen Aspekte der göttlichen Realität zu entschlüsseln. Es geht um das mystische Erkennen der göttlichen Präsenz in der konkreten Welt. Die „Eiszeit-Geige“ von Ingolf Turban mit ihrem magischen, intensiven und reifen Klang sieht Schneider als optimales Medium, um diese transzendente Dimension zum Ausdruck zu bringen. Das Instrument beschwört einen Hauch von Ewigkeit und bringt den kabbalistischen Gedanken der Präsenz des Unendlichen im Konkreten sinnlich zum Tragen.
Die jüdischen Wurzeln von Leonard Bernstein
Neben der Uraufführung von Schneiders „Kabbala“, das dieser selbst als sein „klingendes Mahnmal gegen die Dummheit der bestialisch grausamen Menschheit“ bezeichnet, werden am 27. September Leonard Bernsteins bewegende „Chichester Psalms“ aus dem Jahr 1965 zu hören sein. Das Werk, ebenfalls in Hebräisch komponiert, spiegelt wie kaum ein anderes Bernsteins jüdische Wurzeln wider. Mit seiner jazzigen Attitüde ist es typischer Bernstein-Stil und zugleich eine einzigartige Verbindung von hebräischer Bibel und christlicher Chortradition, ein musikalischer Ausdruck der Hoffnung des Komponisten auf Brüderlichkeit und Frieden. Dritter Programmpunkt ist die „Mazurka Triste“, die Enjott Schneider im Jahr 2020 zum Tod von Krzysztof Penderecki komponiert hat.
SchUM-Projekt unter prominenter Schirmherrschaft
Das Konzert ist ein Projekt der drei Chöre aus den SchUM-Städten. Mozartchor Speyer, Wormser Kammerensemble und das Ensemble Chordial aus Mainz bilden zusammen den 120 Personen starken Chor. Neben Ingolf Turban wirkt als Gesangssolist in beiden Vokalwerken der in Korea geborene Countertenor Yongbeom Kwon mit. Den Orchesterpart mit jeder Menge Blech und Percussion übernimmt das Heidelberger Kantatenorchester. Die musikalische Leitung teilen sich die Dirigenten der drei Chöre, Dieter Hauß, Julian Robin Müller und Daniel Rumpf.
Das Konzert wird am 8. November in Worms und am 9. November in Mainz wiederholt. Die Schirmherrschaft über die Reihe haben die OB der drei Städte Stefanie Seiler (Speyer), Adolf Kessel (Worms) und Nino Haase (Mainz) übernommen. In ihrem gemeinsamen Grußwort würdigen sie die Initiative der drei Chöre: "In der Vielfalt der Stimmen und der musikalischen Ausdrucksformen spiegelt sich die Idee von SchUM: kulturelle Brücken bauen, Dialog fördern, Gemeinschaft stärken."
Eintrittskarten
Eintrittskarten gibt es bei Reservix und allen angeschlossenen Vorverkaufsstellen, für das Konzert in Speyer auch bei der Dommusik und im Capella Verlag. Inhaber der Rheinpfalz-Card erhalten für das Konzert in Speyer Ermäßigung (online nach Anmeldung beim Rheinpfalz-Ticketservice).
Autor:Christian Huber aus Speyer |
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