Herzogenried: Neue Pläne beleben Plätze neu und binden Siedlung besser an

Eine Besonderheit des Quartiers sind die grünen Höfe sowie die großen Balkone | Foto: Julia Glöckner
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Mannheim. Das Quartier Herzogenried wird sich wandeln. Professor Torsten Becker von der TU Darmstadt erarbeitet derzeit, auch mit seinen Studenten, neue städtebauliche und architektonische Lösungen.

Von Julia Glöckner

Mit grünen Höfen zwischen den Hochhäusern, 3 Hektar Spielplätzen, 18 Quadratmeter großen Balkonen, Einkaufszentrum, Schulen und Kita sind die Wege kurz und die Baukultur recht hoch – verglichen mit vielen anderen Quartieren aus der Zeit des Brutalismus. Thomas Trümper von der Interessengemeinschaft Herzogenried (IGH) sprach am ersten Abend des neuen Baukulturformats „ Mulitma“ von einem „privaten Wohngefühl“. Die Häuser seien „gut in Schuss“, weil GWG und Vonovia sie pflegen. „Dass man in einem Viertel lebt, das als Sozialraum 5 klassifiziert ist, wird dank des Quartiersmanagements nicht spürbar“, sagte Trümper.

Problemviertel Herzogenried

Mit der Einstufung als Sozialraum 5 besteht Entwicklungsbedarf, etwa durch einen Quartiersmanager. In solchen Quartieren gibt es viele Probleme: Arbeitslosigkeit, Geldsorgen, Menschen, die von Armut bedroht sind wie Alleinerziehende oder prekär Beschäftigte. 7.500 Bewohner leben in Herzogenried. Quartiersmanager Steffen Gassenferth erzählte: „Ich will die Menschen zusammenbringen, damit Vorurteile schwinden. Es soll loser Kontakt entstehen, der unter Nachbarn typisch ist.“ Er ist die Basis für Respekt und nachbarschaftliche, helfende Netzwerke sowie Wohnidentität. Doch es fehlen Plätzen mit Magnetwirkung, belebte Orten, wo Nachbarn sich abends über den Weg laufen.

Wegen des Echos an den Fassaden wurden Höfe und Freiflächen für Fußball und spielende Kinder geschlossen. Die kostenlosen Gemeinschaftsräume für Partys und Vereine hat die GWG längst zugemacht. Der Lärm störte vor allem Schichtarbeitende. Rücksicht hat Priorität in der Siedlung. Vor allem für Jugendliche und Studenten gibt es keine Angebote.
Nun sollen neue Nutzungen möglich werden, etwa durch Spazierwege, Fußballplätze, Basketball, Quartiersplätze. Gassenferth wünscht sich schon lange ein Café, wo er kostenlos Kaffee ausgeben darf. Sei es, um Bewohnern bei Bewerbungen zu helfen, ihnen eine Anlaufstelle zu sein oder einfach nur niederschwellig Menschen zu begrüßen, die sich hier austauschen und klönen.

Große Wohnungsgrundrisse 

Mit der Studentenbewegung setzte sich in einer Wachstumsphase die keynesianische Wirtschaftsförderung durch. Nach dem Ökonomen Keynes gelingt es über Investitionen in der Rezession, die die Staatseinnahmen übersteigen, die Wirtschaft anzukurbeln: Damit steigt die Nachfrage in der Bauwirtschaft und nachgelagerten Branchen, Städte bleiben durch Neubau und Sanierung attraktiv. Zudem werden sie für mittelständige Familien attraktiv, die Einnahmen über die Einkommenssteuer sowie Humankapital mitbringen.

Städtebauprofessorin Annette Rudolph-Cleff erzählte: „Keynes kam auch in der Wohnungsbauförderung an: Neben konventionellem sozialem Wohnungsbau gab es damit auch gehobenen sozialen Wohnungsbau im Quartier für den Mittelstand. Die bis 1975 fertiggestellte Siedlung umfasste demnach nur zur Hälfte Sozialwohnungen. Ein Viertel der Wohnungen wurden als Wohnungen für Mittelstandsfamilien geplant. Der Staat stellte dem Mittelstand sogenannte Annuitätszuschüsse bereit“, das sind Zuschüsse bei Tilgungen nach der Keynsianischen Schule, um privates Bauen und Sanieren zu beleben. „Doch die Ölkrise nach 1973 schlug viel schwerer zu wie erwartet, die Zinsen stiegen“, so Rudolph-Cleff weiter. „Und die Wohnungen waren nicht mehr finanzierbar, der Mittelstand zog weg.“ Eine gewisse Durchmischung hält sich bis heute, vor allem blieben aber diejenigen, die nicht umziehen konnten. Die zunächst leerstehenden Wohnungen waren zu groß für Sozialwohnungen und zogen später wieder Menschen mit überdurchschnittlichem Einkommen an. Keynes macht heute bei der staatlichen Wohnungsbauförderung nur noch bedingt Schule, Strukturhilfen sind zwar von Kommunen noch abrufbar, doch in der Krise ist das kaum möglich. „Gefördert wird meist nur noch über Sozialhilfe, Wohngeld und Steuerabschreibungen“, sagte Rudolph-Cleff.

Viele Potenziale: Grüne Höfe, Verkehrsberuhigung, kurze Wege

Der Anspruch an die Baukultur, um den Mittelstand anzuziehen, zeigt sich überall im Quartier. „Die Siedlung weist hohe Maßstäblichkeit auf“, sagte Professorin Rudolph-Cleff (TU Darmstadt). Will heißen: Regeln für Gebäudehöhe und Abstand nach Bebauungsplan wurde eingehalten. Vielerorts umging man sie in den 70ern. Der Bedarf an Wohnraum war groß. „Damit zeigt das Quartier städtebaulich gute Qualitäten“, sagte Becker. „Viele Quartiere aus dieser Zeit sind unmaßstäblicher und größer, etwa der Heidelberger Emmertsgrund.“ Es gibt kaum Verschattung. Stattdessen blickt man von den meisten 18 Quadratmeter großen Balkonen in begrünte Höfe.

„Grundidee war die Verschränkung von Siedlung und Grünflächen, die sich bis in die Höfe ziehen, was hohe Wohnqualität schafft“, sagt Becker. Man habe das Gefühl im Park zu leben. Das will Becker verstärken. Ein besseres Wegenetz, das mehr Orientierung gibt, soll die Siedlung mit Park und Kleingartenanlage verbinden. Denn für Fremde können Herzogenried sowie die benachbarte Kleingartenanlage zum Labyrinth werden.

Der erste Entwurf von Mutschler, hier in kunstvoller Pop-Art,ist visionär und voller Zukunftsglaube. Grundidee war, die Grünräume von Herzogenriedpark mit den Höfen der Siedlung zu verschränken, einen großen Grünzug zu schaffen. Die Multihalle sollte leicht wirken, wie von Ballons getragen.   | Foto: Carlfried Mutschler
  • Der erste Entwurf von Mutschler, hier in kunstvoller Pop-Art,ist visionär und voller Zukunftsglaube. Grundidee war, die Grünräume von Herzogenriedpark mit den Höfen der Siedlung zu verschränken, einen großen Grünzug zu schaffen. Die Multihalle sollte leicht wirken, wie von Ballons getragen.
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Bessere Anbindung

Der Park ist als belebter Ort geplant, wo Menschen aus Herzogenried, Spinelli, Franklin, Turley sich treffen. „Die Durchmischung mit den Nachbarquartieren wird über den Herzogenriedpark möglich werden“, sagt Becker. Rudolph-Cleff sieht zudem Potenziale beim Grauwassermanagement über Außenanlagen. Die Konzepte dafür werden später mit verfügbaren Mitteln umsetzbar werden.

Die Hochgaragen plante man in den 70ern als Randbebauung, was modernen Siedlungen der kurzen Wege gleichkommt. Der Plan, der heute modern wirkt, war aus der Not geboren. Denn der Grundwasserstand ist hoch. „Die Garagen sind nicht zeitgemäß gestaltet und nicht im besten Zustand“, sagt Becker. Die Hälfte steht zudem leer. Viele Bewohner haben kein Auto, machen nutzen sie nicht, weil sie als Angsträume gelten. Was aus ihnen wird, muss sich zeigen.

„In den Plänen wird Hezogenried demnach nicht isoliert betrachtet“, sagt Becker, „Wir befassen uns mit dem gesamten Areal um die Siedlung. So gilt es etwa, das Quartier an den neuen Messplatz und den Park anzubinden.“ jg

Weitere Informationen: 
Multi_MA heißt das neue Veranstaltungsformat in der Multihallte im Herzogenriedpark, bei dem bekannte Architekten und Stadtplaner über aktuelle Themen sprechen und diskutieren. 

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Das neue Format MultiMa in der Multihalle, gefördert unter anderem von der Architektenkammer, der Stadt, BDA, wird nun regelmäßig stattfinden.  | Foto: Julia Glöckner
  • Das neue Format MultiMa in der Multihalle, gefördert unter anderem von der Architektenkammer, der Stadt, BDA, wird nun regelmäßig stattfinden.
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Eine Besonderheit des Quartiers sind die grünen Höfe sowie die großen Balkone | Foto: Julia Glöckner
Das Quartier hat 3 Hektar Spielflächen | Foto: Julia Glöckner
Der erste Entwurf von Mutschler, hier in kunstvoller Pop-Art,ist visionär und voller Zukunftsglaube. Grundidee war, die Grünräume von Herzogenriedpark mit den Höfen der Siedlung zu verschränken, einen großen Grünzug zu schaffen. Die Multihalle sollte leicht wirken, wie von Ballons getragen.   | Foto: Carlfried Mutschler
Das neue Format MultiMa in der Multihalle, gefördert unter anderem von der Architektenkammer, der Stadt, BDA, wird nun regelmäßig stattfinden.  | Foto: Julia Glöckner
Autor:

Julia Glöckner aus Ludwigshafen

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