Wie frei sind wir wirklich?
Gesetz der Freiheit

Mehr als 70 Jahre Grundgesetz – ausschließlich ein Grund zu feiern? Diese Frage stellt sich das Nationaltheater Mannheim im Rahmen des Themenwochenendes „Gesetz der Freiheit“. Diese Veranstaltungsreihe beschäftigt sich vom 16. bis zum 18. Oktober kritisch mit der Formulierung, Auslegung, Anwendung und den öffentlichen Diskursen um das Grundgesetz. Garantiert das Grundgesetz Recht und Ordnung, Freiheit, Sicherheit sowie Schutz des Einzelnen und ermöglicht es ein Zusammenleben aller? Mit Blick auf die Lebensrealitäten vieler Mitglieder unserer Gesellschaft zeigt sich, dass die Grundrechte gar nicht für alle Einwohner*innen Deutschlands Anwendung finden.

Ausgangspunkt ist das Theaterstück „Wir sind so frei“ mit Texten von Gerhild Steinbuch, das unter der Leitung und Inszenierung von Beata Anna Schmutz von dem Mannheimer Stadtensemble realisiert wird und am 9. Oktober Premiere feierte. Anknüpfend an diese Produktion wurde für das Themenwochenende „Gesetz der Freiheit“ ein Programm zusammengestellt, das die Thematik nicht nur künstlerisch, sondern auch aktivistisch oder diskursiv behandelt. Somit wird ein neuer Blickwinkel auf die Gesamtheit der Grundrechte, den Regeln unseres Zusammenlebens, ermöglicht. Ergänzend zum Spielplan bieten analoge und digitale Formate neue Sichtweisen, die aus dem Theater und dem Mannheimer Leben hervorgehen. Die Organisatorinnen Charlotte Arens, Annabelle Leschke und Isabella Wehdanner beschäftigten sich bei der Planung dieser Veranstaltungsreihe kritisch mit den Fragen, für wen die Grundrechte eigentlich gelten, in welchem Maß wir von ihnen Gebrauch machen (können) und in welchem Raum diese zur Geltung kommen.

Die Inszenierung „Wir sind so frei“ fokussiert sich auf Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Die Unantastbarkeit der Würde wird allen Menschen unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Alter oder Status per Gesetz garantiert. Aber wer hat wirklich Anspruch auf diese Würde? Ist die Würde auch im Alltag unantastbar? Welche Rolle spielt die Hautfarbe oder Herkunft? Was haben Arbeitsbedingungen, Wohnort, soziales Milieu mit unserer Würde zu tun? Wie geht eigentlich ein würdevolles Leben – und wie ein würdevolles Sterben? Annabelle Leschke, die Dramaturgin, fragt sich in diesem Kontext: „Was ist überhaupt dieses Konstrukt, wo fängt die Würde an, ist nicht das Leben eines Menschen schon vor der Geburt und weitaus über den Tod hinaus würdevoll?“„Wir sind so frei“ vereint den Text von Gerhild Steinbuch mit Orten, Personen und Ereignissen zu neuen Geschichten, die sowohl von Verletzungen der Würde als auch vom gelingenden Zusammenleben in der Gemeinschaft erzählen.

Mehr Informationen zu den Terminen finden Sie hier.

Im Vorfeld des Themenwochenendes begann am 9. Oktober auch die Gesprächsrunde „Wie frei bist du? Gespräche zu Recht und Gerechtigkeit“ unter der Moderation der Poetress, Bildungsreferentin und Blacktivistin Melanelle B. C. Hémêfa mit regionalen Expert*innen über Rassismus, intersektionalen Feminismus und Asylrecht.

Als Gesprächspartner sind eingeladen:

Raoul Adjete, antidiskriminierungsbüro Mannheim

Dr. Maria Alexopoulou, Universität Mannheim

Sophie Kara-Ebner, Referentin für Diversität am Nationaltheater Mannheim

Andrea Chagas López, Linguistin und queer-feministische Aktivistin

Khola Maryam Hübsch, Publizistin, Journalistin, Spoken Word Artist & Aktivistin

Elena Dülz, Seebrücke Mannheim

Seán McGinley, Flüchtlingsrat Baden-Württemberg

Weitere Gesprächsrunden finden heute, den 12.10. und am 16.10 statt. Infos gibt es  hier.

Wer übrigens an den vergangenen Veranstaltungen nicht teilnehmen konnte, der kann dies hier nachholen. Auch die kommenden Veranstaltungen des Themenwochenendes werden unter diesem Link als Videomitschnitt angeboten.

Nach Theaterstück und Gesprächsrunde, die gewissermaßen den Auftakt bieten, starten dann am 16. Oktober die mannigfaltigen Veranstaltungen im Rahmen des Themenwochenendes:

16. Oktober

Die offizielle Eröffnung der Veranstaltungsreihe „Gesetz der Freiheit“ erfolgt um 19 Uhr via Zoom. Das Team des Themenwochenendes begrüßt Sie und stellt Ihnen das Programm sowie die Beteiligten vor.

Eine innovative Veranstaltungsform bietet uns im Anschluss „kainkollektiv“: Das Künstlerkollektiv präsentiert um 19:30 Uhr eine Online-Montage „WE TRAVEL THE SPACE WAYS“ aus live aufgeführten Tänzen aus der „Zukunft des Menschens“ und bereits aufgenommenen Sequenzen aus ihrer Produktion „Est – ce un humain? / Ist das ein Mensch? / Is this a human?“, deren Proben im März aufgrund der Pandemie unterbrochen wurden. Nun kommen „kainkollektiv“ (Deutschland) mit Teilen ihres Ensembles aus „Ist das ein Mensch?“ (Kamerun und Madagaskar) wieder zusammen, um über die Kontinente hinweg weiter zusammen zu arbeiten. Sie eröffnen einen digitalen Raum, in den alle eingeladen sind, die Gewissheiten zu verabschieden und den Abgrund der Geschichte(n), die uns unweigerlich voneinander trennen und uns zugleich verbinden, in unsere Lebenswelt einziehen zu lassen. Wie können verschiedene Wirklichkeiten zwischen analog und digital, Dokumentation und Fiktion, Kunst, Care und Aktivismus, Medien, Orten, Schauplätzen und Akteur*innen zusammengeschnitten und Netz-Werke in Echtzeit entworfen werden? Das Team begibt sich auf eine Reise in den digitalen Raum, um Antworten auf diese Fragen zu finden – irgendwo zwischen den virtuellen Bewegungen eines Tanz-Rituals und den fremden Liedern einer Weltraum-Oper. Was wird die Zukunft (für uns) mit sich bringen? Diese und weitere Fragen beantworten „kainkollektiv“ aktivistisch mit ihrem Auftritt. Anschließend an die Performance können Sie an der Nachbesprechung via Zoom teilnehmen

17. Oktober

Um 11 Uhr findet die Stadttour „Rechte Räume Mannheim“ statt, bei der Stephan Trüby und Philipp Krüpe, Institut für Grundlagen moderner Architektur und Gestaltung (IGmA) der Universität Stuttgart, sich aus architektonischer und stadtplanerischer Sicht der Frage nach den „Rechten Räumen“ in Mannheim stellen. Diese Stadttour, die Busfahrten miteinschließt, zeigt die als ideologisch umkämpft gelesenen „Rechten Räume“ Mannheims vor 1933, während dem Nationalsozialismus und ab 1945. Er führt damit ein Projekt, das er bereits in anderen deutschen Städten wie Berlin und Frankfurt initiiert hat, in Mannheim fort. Wichtig ist hierbei, dass es nicht nur um die Historisierung oder die Geschichte dieser Orte geht, sondern auch um die Frage nach der aktuellen politischen Instrumentalisierung dieser Räume.

Necati Öziri, neuer Hausautor am Nationaltheater Mannheim, liest am ab 16 Uhr aus seinem Stück „Gott Vater Einzeltäter -Operation Kleist“, das erstmals im Februar 2021 uraufgeführt wird. Welche Täter*innen werden von unserem Gesetz geschützt? Diese Frage stellt sich der Autor in seinem neusten Stück. Anhand verschiedener Figuren aus den unterschiedlichsten Werken von Kleist geht er dieser Frage nach. Im Gespräch mit Regisseurin Sapir Heller wird Öziris Operation Kleist vorgestellt und der Radikalisierung seiner vermeintlich heldenhaften Einzeltäter nachgespürt.

Die Lesung „Kunst der Gegenwartsbewältigung“ anschließender Podiumsdiskussion, beginnt um 20 Uhr. Nach der Lesung Max Czolleks aus seinem neusten Buch „Gegenwartsbewältigung“ diskutiert dieser mit Necati Öziri und Saphir Heller anlässlich der „Tage der Jüdisch-Muslimischen Leitkultur“ (3. Oktober bis 9. November 2020) vom Grundgesetz ausgehend die problematischen Begriffe „Leitkultur“ und „Integration“. Sie werfen im Rahmen dieser Diskussion die Fragen nach einer pluralen Demokratie, der Beeinflussbarkeit von Kunst und Kultur und der Bedeutung von Solidarität für die Gesellschaft auf.

18. Oktober

Am Sonntag findet neben einem virtuellen Frühstück, unter anderem mit dem Stadtensemble, der Workshop „How to be an Ally“ und „(Exit)HAPPYLAND“ statt.

„Ein Themenwochenende wie dieses wirft eher Fragen auf, als das es Antworten gibt“, stellt Dramaturgin Charlotte Arens in Aussicht. Und das ist auch genau so gewollt: Die Veranstaltungsreihe „Gesetz der Freiheit“ soll in der Mannheimer Gesellschaft einen Prozess des Weiterdenkens und Umdenkens einleiten. Damit Personen, die permanent in ihrem Lebensalltag eingeschränkt sind, mehr Rücksicht und Solidarität, Inklusion und keinen Rassismus erfahren. Diese im Grundgesetz vermerkten Normen braucht die Gesellschaft für ein harmonisches, gleichberechtigtes Zusammenleben. Denn leider hört allzu oft die Freiheit des*der einen da auf, wo die Freiheit des*der anderen anfängt.

Mehr Informationen zu den Veranstaltungen, zum Ticketkauf und über die Zugänge zu den Online-Formaten finden Sie hier.

Bild: Wir sind so frei © Tiziana Jill Beck

Autor:

Sylvia Löffler aus Mannheim

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