Mannheimer Musiker
Andreas Eichenauer über seine Band Mal Hombre

Andreas Eichenauer hat als Mal Hombre gerade die CD „Leche Negra“ veröffentlicht.   | Foto: Christian Gaier
  • Andreas Eichenauer hat als Mal Hombre gerade die CD „Leche Negra“ veröffentlicht.
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Von Christian Gaier

Mannheim. Mal Hombre (schlechter Mann) ist der Name des Bandprojekts des in Worms geborenen und in Mannheim lebenden Musikers Andreas Eichenauer (29). In der vergangenen Woche ist das Debütalbum „Leche Negra“ erschienen. Im Gespräch mit dem „Wochenblatt“ erklärte der Schlagzeuger und Sänger sein ambitioniertes Projekt.

???: Warum hast Du das Projekt Mal Hombre genannt?
Andreas Eichenauer:
Zunächst hat das mal einen hispanophilen Anklang. Dieser rührt her von meinem Grundinteresse für die Tex-Mex-Songs, wie man sie aus den Tarantino-Filmen kennt und von den folkloristischen Elementen aus der lateinamerikanischen Musik, die sich in unserer Musik wiederfinden. Und dann musste, wenn es schon um Rock ’n’ Roll gehen soll, etwas her, was – in Anführungszeichen – gefährlich klingt und signalisiert, dass das jetzt nichts mit Bubblegum Pop zu tun hat. Dieser böse Mann ist ein Typ, der ernst zu nehmen ist, der sich selbst aber nicht immer so ernst nimmt und auch eine gewisse Sexyness ausstrahlen soll. Was mit diesem Namen konnotiert ist, muss sich dann auch musikalisch niederschlagen, deswegen auch dieses Konzept mit der lauten Band und dem abgehangenen Gesang, aber mit Momenten, die sehr explosiv sind und wo du das Gefühl hast, du weißt nicht so recht, wann da wieder was losgeht.

??? Du selbst bezeichnest Deine Musik als Industrial Desert Rock. Was kann man sich darunter vorstellen?
Andreas Eichenauer:
Die Musik hat ihre Wurzeln etwa bei den Queens of the Stone Age, die man landläufig auch Stoner Rock nennt, ist aber auch eine zeitgemäße Variante der Musik von Led Zeppelin und Pink Floyd, wo ich musikalisch auch herkomme. Wir wollen auf keinen Fall jedes 60er-, 70er-Jahre-Lick runterballern wie in einem Antiquariat, deshalb haben wir auch für die Live-Band gesagt, wir lösen uns maximal von dieses Rockismen und lassen die Scheiß-Klampfe ganz weg und versuchen, diesen Part möglichst über den Bass zu generieren. Die Songs sollten stehen mit einer guten Basslinie, einem Drumpart und Gesang. Der Schwerpunkt liegt dann auf allem, was mit Keyboards und Synthesizer zu tun hat und da kommt dann auch diese Industrial-Farbe in allen Facetten rein, ob das jetzt aggressive, verzerrte Sounds sind, die den Bass irgendwie doppeln oder ob das irgendwelche synthiemäßigen Morricone-Chöre sind.

???: Der Albumtitel „Leche Negra“ verweist auf den Begriff „schwarze Milch“ aus Paul Celans Gedicht „Todesfuge“, ein Stück auf dem Album heißt „Buchenwald“. Wie kamst Du darauf, Dich mit dem Thema Holocaust zu beschäftigen?
Andreas Eichenauer:
Paul Celans Gedicht habe ich in meiner Schulzeit in der Oberstufe schon gelesen, und das war damals schon sehr berührend. Außerdem bin ich so ein Doku-Fetischist und durch Sendungen über die Nazis bin ich fast zwangsläufig in dieses Thema reingekommen. Ich habe aber relativ schnell versucht, nicht der Typ zu sein, der sagt, ich bin da nicht dran schuld, sondern jemand, der sich die Frage stellt, was war da eigentlich los und wie kann das passieren, dass Du, obwohl Du eigentlich bei klarem Verstand bist, zu einer Bestie wirst, und wie begegnen wir uns im Alltag in Konflikt- und Gewaltsituationen und wenn’s auch nur eine fiese Geste gegenüber einem lieben Menschen ist. Dazu kam dann noch die literarische Auseinandersetzung mit Celan, weil das Gedicht eben immer im Hinterkopf war. Ich bin auch durch meine Abschlussarbeit an der Musikhochschule ein Freund von größeren Formen und interdisziplinären Geschichten geworden. Es ist zwar auch schön, einfach nur Musik zu machen und das zu genießen, aber ich war auch schon immer ein Freund davon, mehrere Disziplinen miteinander zu verbinden. Da war dann dieses Celan-Gedicht, das literarisch einfach unglaublich tolles Material ist, und auf der anderen Seite mein historisches, soziokulturelles Interesse und ich habe versucht, das miteinander zu verknüpfen. Herausgekommen ist dann eben so eine Art Konzeptalbum, in dem das Celan-Gedicht der rote Faden ist, der mehrfach aufgegriffen und paraphrasiert wird.

???: War da nicht ein großer Respekt vor diesem Thema?
Andreas Eichenhauer:
Ja, klar. Ich habe mir lange überlegt, wie kann ich dies es Thema überhaupt sprachlich anfassen. Die Arbeit an dem „Buchenwald“-Text war sehr aufreibend, da drehst du jede Silbe um, um dem gerecht zu werden. Dieses Stück ist ein krasser Ausläufer der eigenen persönlichen Auseinandersetzung mit dem Holocaust und in musikalischer Hinsicht die Coverversion eines Jazzstücks des Pianisten Tord Gustavsen, „The other Side“ und der Text ist nach einem Besuch des KZ Buchenwald entstanden.

???: Wenn Du Dich so intensiv mit dem Thema Holocaust beschäftigt hast, siehst darin dann auch eine Aktualität?
Andreas Eichenauer:
Ja, und nicht nur deshalb, weil wir die AfD im Bundestag sitzen haben. Bei der Produktion des Videos zu „Dig that hole“ habe ich mich mit der schwarzen Darstellerin unterhalten und erfahren, welche Alltagssituation sie immer noch einfach dadurch durchlebt, dass sie eine Frau ist, und dadurch, dass eine Person of Color ist. Man muss dann nicht so weit gehen, dass Reichsfahnenschwenker versuchen, unseren Reichstag zu stürmen, oder dass man mit irgendwelchen kruden Betitelungen versucht, das Versammlungsrecht zu umgehen, oder dass man und Rattenfängern hinterherläuft. Das sind Ausläufer, die wir zu sehen bekommen, das ist schon erschreckend. Aber man muss zunächst kein Nazi sein, um Angst zu haben vor Fremden, aber ich denke, das eigentliche Thema ist die Angst, aus der heraus man dann relativ schnell einen Schuldigen sucht, ob das jetzt Juden sind, oder Menschen mit Migrationshintergrund, oder einfach Leute, die anders denken.

???: Der Song „Rise“ hat das Zeug zur Stadionhymne bei einem Open-Air-Festival. Ist das auch der Ort, an dem Du Dich siehst mit Deiner Musik?
Andreas Eichenauer:
Wenn ich an die Musik rangehe, dann überlege ich nicht, wie ich das mache, dass sie vielen gefällt und so populär wie möglich wird, aber ich möchte durchaus aus einer Nische heraus in Richtung große Venues gehen. Das wäre schon fett, in einem Stadion oder einer großen Halle zu spielen.

???: Wann können wir Mal Hombre auf der Bühne erleben?
Andreas Eichenauer:
Es gibt einen bestätigten Termin am 6. Juli im Marchivum, da wird eine Ausstellung über die Nürnberger Prozesse eröffnet. Generell ist der Plan, die Band zunächst einmal so weit zu bringen, dass man zumindest mal kleinere Slots an den Start bringt, und dann ein Repertoire für längere Auftritte erarbeiten. Weil viele Veranstalter aber erst einmal vieles nachholen, was wegen der Corona-Pandemie ausgefallen ist , brauchst Du für dieses Jahr allerdings gar kein Booking zu machen, was uns andererseits natürlich auch wieder mehr Zeit gibt.

Weitere Informationen:
www.mal-hombre.com
www.malhombre.bandcamp.com/

Autor:

Christian Gaier aus Mannheim

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