Pfälzisch als Teil der Identität: Wochenblatt-Interview mit Jasmin Perret

Jasmin Perret ist freiberufliche Sängerin. Ihre pfälzischen Videos erfreuen sich großer Beliebtheit. | Foto: MiloFoto
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  • Jasmin Perret ist freiberufliche Sängerin. Ihre pfälzischen Videos erfreuen sich großer Beliebtheit.
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Von Katharina Schmitt

Landau. Playback auf Pfälzisch: Jasmin Perret nutzt bekannte Lieder und übersetzt diese in unseren pfälzischen Dialekt. „Des isch äh schwarzi Mick in deim Rieslingschorle drin. [...] Is des nidd ironisch?“ mit der Ohrwurm erzeugenden Melodie von Alanis Morissettes Welthit „Ironic“ ist eine der Übersetzungen.

Die gebürtige Landauerin macht neben den Videos mit pfälzischen Liedern auch Übersetzungen hochdeutscher Sätze für bestimmte Situationen in das pfälzische Pendant dazu. Im Wochenblatt-Interview spricht die 39-Jährige über ihre Videos, die Pfalz, den pfälzischen Dialekt und Heimatgefühle.

Mehr zu Jasmin Perret erfahren Sie unter dem Interview.

???: Wie kamst du auf die Idee zu deinen Videos?
Jasmin Perret: In Sommer hatte ich gehäuft „In Germany we don't say“ gesehen und habe mich echt totgelacht. Da dachte ich, sowas in die Richtung zu machen, wäre ja ganz cool. Dass es dann auf pfälzisch sein wird, war direkt klar. Pfälzisch gibt total viel her.

Dazu habe ich einmal gesagt, wenn ich zu alt bin, so dass man mich auf der Partybühne nicht mehr sehen will, dann mache ich Pfälzer Jazz. Dann ziehe ich mir einen schwarzen Rollkragen an und mache Pfälzer Jazz. Man kann auch auf Pfälzisch seriös singen. Es gibt genug, die das so machen. Joy Fleming hat das beispielsweise früher gemacht.

Dann hatte das eine „In der Pfalz sagen wir“ Video über Nacht 150.000 Aufrufe. Da dachte ich „Oh wow, das findet ja richtig Gehör“ und im nächsten Schritt dachte ich: „Ja toll, jetzt sehen sie es alle und wissen gar nicht, dass ich Sängerin bin“. Das war total komisch, dafür will ich eigentlich wahrgenommen werden.

Das beliebteste Video: Statt „Ich hätte gerne bitte ein Viertel Wein.“ sagen Pfälzer: „Weißt du was: Schluckimpfung gibt’s im Krankenhaus. Warte, bis du Durst hast.“ (natürlich auf pfälzisch)
 | Foto: Katharina Schmitt
  • Das beliebteste Video: Statt „Ich hätte gerne bitte ein Viertel Wein.“ sagen Pfälzer: „Weißt du was: Schluckimpfung gibt’s im Krankenhaus. Warte, bis du Durst hast.“ (natürlich auf pfälzisch)
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Da habe ich gedacht, dass ich das Rententhema, den Pfälzer Jazz, ein bisschen früher mache. Es muss nicht gleich, das Thema sein, dass ich mir mit 65 vorgenommen habe, sondern dann nehme ich einfach aktuelle Lieder und singe diese auf Pfälzisch.

???: Was waren deine Beweggründe?
Jasmin: Da schließt sich ein kleines bisschen der Kreis, der Ursprung meines musikalischen Handelns: Der Karneval, der bei uns in der Familie liegt. Ich glaube, ich habe einfach Spaß daran, mich ein bisschen zum Affen zu machen, lustig drauf zu sein und Leute zum Lachen zu bringen. Das ist auch ein Teil von mir und auch ein Teil der Pfalz, die eine große Kultur hat, was das angeht. Ich denke da meistens gar nicht groß drüber nach, mache einfach ein bisschen Schabernack ohne großen Kalkül.

Als ich die Zahlen ausgewertet habe, wer meine Videos von wo anschaut, waren neben den üblichen Orten an fünfter Stelle zwei Prozent aus Hamburg und ich habe keine Ahnung warum. Also vielleicht ist es auch ein wenig Völkerverständigung [schmunzelt bei der Aussage]. Oder es sitzt ein Pfälzer in Hamburg und freut sich total.

???: Woher nimmst du die Inspiration?
Jasmin: Das wird einfach alles wörtlich übersetzt. So wurde bei „Don’t Stop Believin’“ (Journey) aus „Just a small town girl“ „die vun hinnedraus“. Bei „took the midnight train“ kam der Gedankengang „Was hat die Pfalz für Bähnle? Ja, das Schoppebähnel aus Nussdorf.“ Es ist also immer: „Was ist das pfälzische Pendant dazu?“. Das geht schnell, weil wir im Pfälzischen für alles Begriffe haben. Eigentlich sage ich es nur auf Pfälzisch und schaue, dass es sich vielleicht noch ein bisschen reimt.

???: Was ist für dich typisch pfälzisch?
Jasmin: De Wingert! Die wunderschönen Weinberge der Pfalz im Herbst sind für mich das, was fehlte, als ich in Mannheim wohnte.

???: Was macht die Pfälzer aus?

Jasmin: Ein manchmal etwas Kauziges aber sehr herzliches Verhalten. In Mannheim dachte ich oft, wir sind uns doch sehr ähnlich. Aber wenn ich dann zurück in die Südpfalz kam, dachte ich: „Das sind meine Leute!“

???: Hast du versucht, das in deinen Videos zu verarbeiten?
Jasmin: Man merkt, dass ich bei den Videos im Pfälzischen immer so einen leicht aggressiven Unterton habe, der ist sehr liebevoll und herzhaft gemeint.

Das zeigt sich beispielsweise an der Phrase „Jetzt iss doch noch was, an dir is jo gar nix dra“, was in Wirklichkeit nicht als Beleidigung gemeint ist. Das ist für mich das typische pfälzische Verhalten. Ich mag das!

Teil 7 von 10: "Frozen" aus dem Film "Eiskönigin" auf pfälzisch. Auch die kurzen Videos, genannt Reels, schneidet Jasmin selbst | Foto: Katharina Schmitt
  • Teil 7 von 10: "Frozen" aus dem Film "Eiskönigin" auf pfälzisch. Auch die kurzen Videos, genannt Reels, schneidet Jasmin selbst
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???: In deinen Liedern kommen einige pfälzische Floskeln vor: Was sind deine Top 3-Pfälzer-Lieblingswörter?
Jasmin: Die „Herzkersch“ finde ich liebevoll und süß, der „Dippelschisser“ ist super und vielleicht stellvertretend für die deutsch-französische Verbindung das „Trottoir“.

???: Ist für dich die Vernetzung der Sprache wichtig?
Jasmin: Dadurch, dass die Welt internationaler wird, die Grenzen sich ein wenig auflösen, es Instagram und Facebook gibt und jeder gutes Hochdeutsch spricht, scheint es etwas zu verschwinden. Das finde ich schade. Bei den „Alten“ war das nicht der Fall, die leben diesen Dialekt – das ist etwas Sympathisches.

???: Trotz deinen Videos und deren positiven Resonanz: Empfindest du einen Trend weg vom Dialekt beziehungsweise konkret vom Pfälzischen?
Jasmin: Ich finde, es ist schon eine Weile negativ konnotiert. Wir hatten mit Helmut Kohl einen Kanzler, der überall belächelt wurde, weil er nicht so richtig hochdeutsch sprechen konnte.

"[Der Dialekt] ist Teil der eigenen Identität."

Ich glaube, dass es deswegen viele versuchen, sich ein wenig abzutrainieren. Ich bin in ganz Deutschland auf der Bühne, beispielsweise an Silvester in Bremen. Da versteht mich keiner, wenn ich Pfälzisch spreche, also spreche ich Hochdeutsch. Ich finde es aber schade, wenn es komplett verlorengeht. Es ist ein Teil der eigenen Identität, es ist meine Identität.

???: Also bist du der Meinung, dass das Pfälzische ein negatives Image hat?
Jasmin: Ja, nach außen wird es leider so wahrgenommen. Ich habe das auch lange verwechselt: Auch als ich nach Mannheim gezogen bin, dachte ich, es wäre für mich ganz wichtig, den Dialekt abzutrainieren.

Nach der Rückkehr in die Südpfalz habe ich den Dialekt wieder zu schätzen und lieben gelernt. Nur weil jemand Dialekt spricht, sagt das überhaupt nichts über seinen IQ aus.

???: Würdest du dir wünschen, dass man das Pfälzische weniger versteckt oder versucht „abzutrainieren“?
Jasmin: Da würde ich mir wünschen, dass man sich eine Scheibe bei den Schweizern abschneidet. Dort kommt keiner auf die Idee, hochdeutsch zu sprechen. Es ist nichts anderes als ein deutscher Dialekt. Die leben das so.

Da wäre wünschenswert, dass man nicht so überheblich sagt, das ist das bessere Deutsch, das gebildetere Deutsch. Man kann ja wechseln. Da schlagen zwei Herzen in einer Brust und ich finde das darf auch sein.

???: Also gibt es nur den negativen Trend beim Dialekt?
Jasmin: Es gibt auch einen Trend zum Pfälzischen, vielleicht auch generell zum Dialekt, zurück. Also nicht zwingend, dass man es spricht, aber dass man es feiert und toll findet. Mundartsachen sind im Kommen. Dafür gibt es einige Beispiele wie beispielsweise die Kleidungsmarken.

"Vielleicht ist dieses Heimatgefühl einfach ganz viel Sicherheit."

Ich kann mir schon vorstellen, dass das so ein Gemütlichkeits- und Identitätsding ist, jetzt, wo die Welt so turbulent wird. Ich weiß, hier ist meine „Homebase“, da kann ich hin, das ist meine Identität und das gibt Sicherheit. Vielleicht ist dieses Heimatgefühl einfach ganz viel Sicherheit. Meine Mama spricht so mit mir. Natürlich ist es für mich ein Stück Heimat, wenn ich so mit meiner Mama oder meinem Papa rede.

???: Letztendlich sind zwei Trends erkennbar. Geht beides gleichzeitig?
Jasmin: Vielleicht ist es eine Art Positionierung: Die einen sagen, ich möchte das ablegen, ich möchte lieber anders wahrgenommen werden, vielleicht vermeintlich seriöser, und zum anderen gibt es die Gegenseite. Umso ländlicher es wird, freut man sich mehr über die eigene Gemeinschaft, das eigene Dorf, die eigene Straße. Das fand ich damals immer affig. Aber ich glaube, dass ich es nicht begriffen hatte. Es ist etwas total Tolles, wenn man eine Heimat, eine Identität hat.

"Es ist etwas total Tolles, wenn man eine Heimat, eine Identität hat."

Mit den Pfalz-Videos und den Liedern trage ich da vielleicht auch etwas dazu bei. Besonders bei den gesprochenen Videos spreche ich beides: Pfälzisch und Hochdeutsch. Dann sieht man auch, dass das eine eben nicht das andere ausschließt. Es gibt zwei Teile und ich kann sowohl als auch.

???: Abschließend die Frage: Was ist für dich Heimat?
Jasmin: Die Südpfalz ist definitiv, faktisch und auch vom Herzen her, meine Heimat. Das darf aber für jeden auch etwas anderes sein. Heimat persönlich ist für mich, wo die Menschen sind, die ich liebe.

Jasmin Perret: Entertainment im Blut

"Das Entertainment-Gen wurde mir in die Wiege gelegt."

Jasmin Perret ist in Landau geboren und wohnt hier bis auf eine kurze Zeit in Mannheim. Sie nutzt Instagram und Facebook, um auf ihr Dasein als freiberufliche Musikerin aufmerksam zu machen. Ihre gesamte Arbeit hat mit Musik zu tun: von Sängerin und Gesangslehrerin bis hin zu singing DJane. Die Musik-Begeisterung ist nicht erblich bedingt, das „Entertainment-Gen“ hingegen führt sie auf die Karnevalbegeisterung in ihrer Familie zurück.

Mit elf oder zwölf Jahren bekam Jasmin ein Keyboard geschenkt, das Spielen hat sie sich selbst beigebracht. Mehrstimmige Bands wie die Spice Girls weckten ihr Interesse, ihnen wollte sie nacheifern. Im Alter von 20 Jahren folgten drei Jahre Gesangsunterricht. Sie machte eine Ausbildung als Altenpflegerin und stieg parallel ab 2004 in die ersten Coverbands ein. Seit 2008 bezeichnet sie sich selbst als freiberufliche Sängerin.

Ein anderes wichtiges Thema ist für Jasmin die psychische Gesundheit. 2020, noch vor Corona, wurde ihr eine Panikstörung diagnostiziert. Daraufhin begann sie eine Verhaltenstherapie, diese konnte sie mit ihrer Leidenschaft, der Musik, verknüpfen: Jasmin nahm ein eigenes kleines Album namens „Musiktherapie“ auf.

Ihren Instagram-Channel nutzt sie seit 2018 intensiver. Die Videos macht sie von der Idee bis zum fertigen Video selbst. Sie wurden mittlerweile insgesamt über 600.000 Mal aufgerufen. Die Inspiration zur pfälzischen Mundart führt sie auf die gesamte „Mundart-Szene“, zu denen sie unter anderem Kurt Dehn, Joy Fleming, Chako Habekost als auch die Band Fine R.I.P. zählt, zurück.

2019 performte Jasmin Perret mit der britischen Band Right Said Fred den Hit "Don't Talk Just Kiss'" im ZDF Fernsehgarten.

Weitere Informationen:

Wer die Videos anschauen möchte, findet diese auf Jasmins Facebook oder Instagram @jasminperret. Reels lassen sich leider nicht einbetten. Weitere Videos und Musik gibt es auf YouTube. Aktuelle Pfälzer-Mundart Videos gibt es im "Pälzer Advenzkalenna", der sowohl auf Facebook als auch Instagram jeden Tag ein neues pfälzisches Video bereithält.

Am 18. Januar 2023 spielt Jasmin ein kleines Konzert in der Genusszentrale in Landau. Hier wird sie erstmals die Pfälzer Songs darbieten.

Autor:

Katharina Schmitt aus Herxheim

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