"Nidro" beteiligt sich an Aktionstag
"Unsere Arbeit ist kommunal wertvoll"

Martin Hügel | Foto: ps

Speyer. Am Mittwoch, 10. November, ist der bundesweite Aktionstag der DHS, der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen. Zum zweiten Mal beteiligt sich die Speyerer Suchtberatungsstelle "Nidro" des Therapieverbunds Ludwigsmühle. Von 11 bis 12.15 Uhr nutzen die Suchtberater die Gelegenheit, vorm Altpörtel auf die Bedeutung ihres Tuns für die Gesellschaft hinzuweisen. Adressat ist auch die Politik, denn es geht um die auskömmliche Finanzierung der Beratungsstelle. Cornelia Bauer sprach mit dem Leiter der Suchtberatungsstelle, Martin Hügel.

???: Sie sind mit "Nidro" zum zweiten Mal beim bundesweiten Aktionstag der DHS aktiv. Mit welchem Ziel?
Martin Hügel: Unsere Beratungsstelle arbeitet seit Jahren mit einem steigenden fünfstelligen Defizit. Die Kosten steigen immer weiter, aber die finanzielle Förderung stagniert. Die Beratungsstelle wird durch Mittel der Stadt Speyer, des Rhein-Pfalz-Kreises und des Landes Rheinland-Pfalz mit finanziert. Das deckt aber nicht die aktuellen Kosten. Deswegen muss die Beratung zusätzlich Eigenmittel erwirtschaften, um über die Runden zu kommen, insbesondere durch Einnahmen aus ambulanter Rehabilitation und Suchtnachsorge oder auch durch Spenden. Diese Finanzierungsmöglichkeit wird jedoch wiederum durch Verordnungen des Landes begrenzt. Die Zuschüsse der Stadt Speyer und des Rhein-Pfalz-Kreises sind gedeckelt und wurden seit Jahren nicht erhöht. Unsere Einsparpotenziale sind ausgeschöpft. Wir brauchen mehr Unterstützung, um unsere Arbeit vernünftig machen zu können. Und nutzen den Aktionstag, um darauf aufmerksam zu machen, dass diese Arbeit "kommunal wertvoll" ist - was auch das Motto dieses Tages ist.

???: Was planen Sie für den Aktionstag?
Hügel: Luftballons werden symbolisch für die Masse an Klienten stehen, die bei uns in der Beratung sind. Ein Ballon steht für zehn Klienten. Außerdem sollen Zettel mit den Geschichten dieser Menschen die ganze Bandbreite aufzeigen, mit der wir in der Beratung zu tun haben. Wir erhoffen uns, mit vielen Menschen ins Gespräch zu kommen und freuen uns, dass Oberbürgermeisterin Stefanie Seiler zugesagt hat und ebenfalls vorbei kommt.

???: Corona hat Ihnen Ihre Arbeit vermutlich nicht leichter gemacht...
Hügel: Wir hatten im Coronajahr 2020 in Speyer rund 2.000 Kontakte mit 670 Klienten, von denen 418 mindestens zwei Mal kamen. 16 Prozent dieser Menschen waren älter als 50, 15 Prozent waren bis 19 Jahre alt. Im Jahr davor waren es zwar 80 Klienten und 238 Gespräche mehr, dennoch ist das mit Blick auf den totalen Lockdown viel gewesen. Wir haben relativ schnell auf Telefongespräche und Videochats umgestellt, haben sowohl Einzelgespräche als auch ambulante Therapie online angeboten. Das wurde von den Klienten gut angenommen und soll künftig auch weiterhin - zusätzlich zu unseren Offline-Angeboten - möglich sein.
Die Pandemie hat es unseren Klienten - und damit auch uns - nicht leicht gemacht: Wer gelernt hat, in problematischen Situationen, Schwierigkeiten mit Drogenkonsum auszugleichen, der wählt auch in der Pandemie diese Strategie, um vermeintlich Probleme zu lösen. Auf der anderen Seite standen wegen des Lockdown alternative Möglichkeiten, mit Stress umzugehen, wie etwa Sport oder Konzertbesuch, nicht zur Verfügung. Nicht nur der Gesprächsbedarf ist angestiegen, wir hatten während der harten Lockdownzeiten auch deutlich mehr Neuaufnahmen.

???: Sie sagen, Ihre Arbeit sei kommunal wertvoll. Abhängig von dramatischen persönlichen Schicksalen, lässt sich der Nutzen von Suchtberatung für die Gesellschaft in Zahlen ausdrücken?
Hügel: Eine Studie hat das für die psychosoziale Beratungs- und Behandlungs­stelle des Sozialteam Sachsen mit Standorten in Görlitz und Löbau untersucht und kommt zu dem Schluss, dass einem investierten Euro der öffentlichen Hand in die soziale Dienstleistung Suchtberatung 28 Euro an vermiedenen öffentlichen Kosten gegenüber stehen. Die Investition der öffentlichen Hand in die Suchtberatung lohnt sich also nicht nur auf individueller Ebene durch eine verbesserte Lebensqualität bei den Betroffenen, sie lohnt sich gerade auch in finanzieller Hinsicht für die gesamte Gesellschaft.
Hier geht es zur Studie: https://dgcs.de/suchtberatung-wirkt-die-wertschoepfung-der-ambulanten-suchthilfe/

Was ist "Nidro"?

Der "Nidro" Beratungsstellenverbund bietet an seinen Standorten Speyer, Germersheim und Neustadt a.d. Weinstraße vielfältige ambulante Hilfen für suchtbelastete und von Sucht bedrohte Menschen und deren Angehörige an, wie allgemeine Suchtberatung, ambulante Reha Sucht bis hin zur Sucht-Nachsorge sowie vielfältige Präventionsangebote für Schulen und Betriebe.

Autor:

Cornelia Bauer aus Speyer

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