Trauriger Rekord bei Mannheimer Vesperkirche
Schon 8.700 warme Essen ausgegeben

„Es ist besorgniserregend, wie viele Menschen in die Vesperkirche kommen ‚müssen‘“, berichtet Pfarrerin Anne Ressel.  | Foto: Alexander Kästel
  • „Es ist besorgniserregend, wie viele Menschen in die Vesperkirche kommen ‚müssen‘“, berichtet Pfarrerin Anne Ressel.
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Mannheim. Zur Halbzeit bilanziert das Team der Mannheimer Vesperkirche im Durchschnitt täglich mehr als 600 Essen. Vom Start am 8. Januar bis zum Sonntag, 22. Januar, besuchten damit mehr als 8.700 Gäste die Vesperkirche. Dabei wird deutlich, dass die Anzahl der Essen im Kirchenraum stark überwiegt. „To-Go“ Essen werden nur noch zu 1/3 bis weniger ausgegeben, im Durchschnitt etwa 166, insgesamt 2491.

„Dass sich der Hauptbetrieb wieder traditionell in der Kirche abspielt, macht Freude, ist natürlich auch platztechnisch wieder eine Herausforderung, aber wir kriegen das hin“, sagt Pfarrerin Anne Ressel. Dies entspräche eben auch dem eigentlichen Kern der Vesperkirche, Zusammensein und Gemeinschaft erleben. „Ein trauriger Rekord“, sei es dennoch, betont Pfarrerin Ilka Sobottke, wenn man die Zahlen mit denen aus den Vorjahren vergleiche. Knapp 7.000 Essen waren es im letzten Jahr zur Halbzeit. „Es greifen mehr Menschen als sonst auf das Angebot zurück. Hinzu kommen die kalten Temperaturen.“ Den Höchstwert bildete der vergangene Dienstag. Insgesamt 730 Essen waren es, die ausgegeben wurden. Aufgrund der starken Nachfrage musste das Küchenteam entsprechend improvisieren und Vorräte ausgegeben.

Krieg, Inflation und Energiekrise verschärfen Situation

Es werden von Tag zu Tag mehr: waren es zu Beginn der Vesperkirche noch 430 Essen, die ausgegeben wurden, sind es durchschnittlich 600 Essen zur Halbzeit. „Es ist besorgniserregend, wie viele Menschen in die Vesperkirche kommen ‚müssen‘“, berichtet Pfarrerin Anne Ressel. Das soziale Klima entwickle sich in eine Richtung, die dramatisch sei, sich aus den Krisen der vergangenen Monate speise. „Krieg, Inflation, Energiekrise und auch die Pandemie, haben einfach ihre Spuren hinterlassen.“, ergänzt Ilka Sobottke. Es seien eben nicht nur Obdachlose, sondern auch viele alte Menschen, psychisch Erkrankte, oder Menschen, die allein leben, nach Gemeinschaft suchen, oder im Bereich des Niedriglohnsektors arbeiten, und im Januar Geld sparen können.
In diesem Jahr kommen auch viele ukrainische Frauen und deren Kinder in die Vesperkirche, außerdem Zuwanderer aus dem osteuropäischen Raum. „Für diese Menschen, sind alltägliche Anschaffungen eine Herausforderung bei einer Preissteigerung von 40 Prozent im Bereich Lebensmittel“, erzählen die beiden Pfarrerinnen.

Das bestätigt auch eine Ehrenamtliche, die seit fünf Jahren bei der Vesperkirche arbeitet. Ein Mann erzählt ihr, 40 Jahre auf dem Bau gearbeitet zu haben. Im Januar gehe er immer gerne in die Vesperkirche, so könne er etwas sparen, für die kommenden Monate, weil die Rente sehr klein ausfällt.

Grundsicherung erreicht Arme nicht

Wegen offener Gas- und Stromrechnungen, Widerspruchsverfahren oder auch Umgangsrecht zu den Kindern – die Problemlagen sind vielfältig, erzählt der Jurist Stefan Schliephake, der dieses Jahr im Bereich diakonischer Sozialberatung das Team unterstützt. „Die Beratung wird gut angenommen, auch von den Menschen, die sonst vielleicht nicht in die Beratung gekommen wären“, erzählt der 67-Jährige, der 20 Jahre im Mannheimer Arbeitslosenzentrum gearbeitet hat. Das Mittagessen sei nach wie vor ein „Türöffner“, wenn es um die Probleme ginge. „Wir können den Menschen helfen, sie auf deren Rechte hinweisen.“ Viele der Rentner und Rentnerinnen wissen oftmals nicht, dass sie ein Recht auf Grundsicherung haben.

Angelika ist einer dieser Rentnerinnen. 40 Jahre habe sie in Teilzeit gearbeitet, sich der Kindeserziehung gewidmet, um zu pflegende Angehörige gekümmert. Ihre Rente betrage monatlich 800,-, reiche ihre aber natürlich bei weitem nicht für alle Ausgaben. Abzüglich der Mietkosten von knapp 400,- bleiben der 79-jährigen nicht mehr viel zum Leben. „Ich verdiene mir noch etwas Taschengeld hinzu, indem ich putzen gehe“, erzählt sie Stefan Schliephake. Sie fragt nach, ob nicht Wohngeld unterstützend eine Möglichkeit wäre. Ein Antrag werde gestellt. Ob das Amt ihn aber bearbeiten kann, sei ein anderes Problem. Wegen Überlastung und personeller Engpässe in den Ämtern bleibe momentan vieles unbearbeitet, erzählen die Pfarrerinnen.

Die 26. Mannheimer Vesperkirche eröffnete am 8. Januar und endet am 5. Februar. Die durch Spenden finanzierte Vesperkirche wird getragen von der Evangelischen Kirche in Mannheim und ihrem Diakonischen Werk. Spenden: Evangelische Kirche Mannheim, Sparkasse Rhein Neckar Nord, IBAN: DE44 6705 0505 0039 0030 07, BIC: MANSDE66XXX, Stichwort: Vesperkirche. Infos: www.vesperkirche-mannheim.de. jela

Autor:

Christian Gaier aus Mannheim

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