Nachwuchs gesucht
Drehbank und Schuster-Nähmaschine sind verwaist

Hermann Schmid ist 91 Jahre alt und hat erst vor zehn Jahren mit dem Schreinern begonnen | Foto: Cornelia Bauer
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Speyer. Hermann Schmid war Ingenieur bei der BASF. Wolfgang Reinhardt ist früher als Angehöriger der Marine zur See gefahren. Renate Schmitz war Krankenschwester. Günther Fleischmann arbeitete in der Verwaltung. Und Burghard Elster war als Agraringenieur und Marketing-Experte für die BASF unter anderem in den USA tätig. Und dann kam der Ruhestand. "Ich hatte früher als Personalrat jeden Tag mit vielen Menschen zu tun, damit war es von einem auf den anderen Tag vorbei", erinnert sich Günther Fleischmann. Eine Beschäftigung musste her.

Seit fast sechs Jahren kommt Fleischmann jetzt in die Hobbywerkstatt. Hinter einem großen Hoftor in der Speyerer Mönchsgasse 12 liegt das Gelände einer alten Glaserei. Die Stadt Speyer hat hier eigens für Senioren verschiedene Werkstätten eingerichtet: Es gibt eine Schnitzerei, eine Schreinerei, eine Schlosserei, eine Schuhmacher- und eine Töpfer-Werkstatt. Hobby-Kunsthandwerker und Bastler kommen regelmäßig an unterschiedlichen Wochentagen zusammen.

Renate Schmitz' Leidenschaft galt lange der Holzbildhauerei, aber aus Platzgründen arbeitet sie inzwischen kleiner | Foto: Cornelia Bauer
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Günther Fleischmann trifft man hier dienstags und donnerstags, jeweils von 8 bis 12 Uhr, beim Schnitzen. Während der 70-Jährige an diesem Donnerstagmorgen Schlüsselanhänger fertigt, bearbeitet Renate Schmitz eine Skulptur des Heiligen Jakobus', Jürgen Feder schnitzt eine Schale und Wolfgang Reinhardt bastelt an einem seiner Holzschiffe. Die Sonne flutet den Raum, die Atmosphäre ist entspannt. Jeder werkelt so vor sich hin, zwischendurch plaudert man ein bisschen. Und bei Fragen gibt es stets Hilfe.

„Weil wir so unterschiedliche Erfahrungen mit dem Schnitzen haben, können wir uns gegenseitig sehr gut helfen“, erklärt Fleischmann. Die meisten Besucherinnen und Besucher der Hobbywerkstatt arbeiten nach dem Prinzip "learning by doing"; nur wenige hatten während ihres Berufslebens mit den in der Werkstatt verwendeten Materialien zu tun. Die Arbeit mit Holz sei meditativ und kreativ, versichern die drei Schnitzer übereinstimmend. Und schwärmen von der Wärme, dem Geruch und der Haptik "ihres" Werkstoffs. Am liebsten arbeiten sie mit Lindenholz.

"Man kommt beim Schnitzen super zur Ruhe", sagt Renate Schmitz. Sie ist von der Holzbildhauerei zum Schnitzen gekommen. "Ich musste kleiner arbeiten", erklärt sie schmunzelnd. Daheim hat sie keinen Platz mehr für große Skulpturen. Überhaupt ist der Platz für viele ein wichtiges Argument für den Besuch der Hobbywerkstatt: Oft haben die Bastlerinnen und Bastler ihr Haus zugunsten einer Wohnung verkauft oder sind in die Nähe der Kinder und Enkel gezogen - und jetzt gibt es keine Werkstatt oder Garage zum Werkeln mehr. Aber auch die gelebte Gemeinschaft hier spricht für regelmäßige Treffen in der Mönchsgasse.

Günther Fleischmann kommt seit fast sechs Jahren zum Schnitzen in die Hobbywerkstatt - und sucht neue Mitstreiter. Auch für die anderen Werkstätten in der Mönchsgasse. | Foto: Cornelia Bauer
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Zwei der Schnitzerbänke bleiben an diesem Donnerstag frei. Es gäbe die Möglichkeit, sofort mit einzusteigen, versichert Fleischmann. Und nicht nur die Schnitzer suchen Nachwuchs: Schlosserei und Schuhmacherei sind komplett verwaist. Geräte, Werkzeug und Maschinen wären da - aber niemand, der sich mit der Materie auskennt.

Direkt neben der Werkstatt der Schnitzer liegt die Schreinerei. Hier sind Hermann Schmid und Burghard Elster zugange. Schmid ist mit 91 Jahren Hobbywerkstatt-Ältester. Erst vor zehn Jahren, mit 81, hat der Sohn eines Schreiners selbst mit dem Schreinern begonnen und dabei erkannt: "Das Arbeiten mit Holz liegt mir im Blut". Holzbildhauer Burghard Elster fertigt Skulpturen aus 350 Jahre altem Eichenholz. Gerade stellt er einen Osterhasen zum Verkauf auf einem Ostermarkt her, aber die eigentliche Leidenschaft des 86-Jährigen gilt dem Abstrakten, seinen in Holz festgehaltenen Gedanken. 

Die Hobbywerkstatt des Seniorenbüros ist mehr als ein Ort zum Sägen, Hobeln, Bohren, Leimen, Schrauben, Schnitzen oder Drechseln. Sie ist ein Platz für Menschen, die in ihrer dritten Lebensphase Kreativität und Schaffensfreude ausleben wollen und dabei Woche für Woche tatkräftig unter Beweis stellen, dass sie noch lange nicht zum "alten Eisen" gehören. Bereits 1971 hat die Stadt Speyer im Rahmen der Altenhilfe die Hobbywerkstatt eingerichtet - damals noch in einem Abstellraum unter dem Alten Stadtsaal. Älteren Menschen sollte damals wie heute die Möglichkeit gegeben werden, sich auch nach dem Erwerbsleben ihren Neigungen und Fähigkeiten entsprechend zu beschäftigen. Werkzeug und Maschinen stifteten Speyerer Firmen. 1990 ist die Hobbywerkstatt dann in die Mönchsgasse umgezogen.

Weitere Informationen & Kontakt

Günther Fleischmann
Telefon: 06232 74399
E-Mail: guenther.fleischmann@gmx.de

Autor:

Cornelia Bauer aus Speyer

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