Interview der Woche
Ausdauersportler Christoph Fuhrbach

Christoph Fuhrbach am Fuße des Ätnas auf Sizilien beim  Langstreckenradrennen vom Vesuv zum Ätna. | Foto: Charlotte Gamus
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  • Christoph Fuhrbach am Fuße des Ätnas auf Sizilien beim Langstreckenradrennen vom Vesuv zum Ätna.
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Neustadt.  Deutschlandweit bekannt geworden ist Christoph Fuhrbach durch seine Weltumradlung im Jahre 1998/99. Seine Karriere als Ausdauersportler startete er als Marathon- und Bergläufer, bevor er mit dem Rennrad auf Lang- und Bergstrecken internationale Erfolge feierte. 2010 stellte er im Schwarzwald einen neuen Höhenmeter-Weltrekord auf: Zugunsten eines Misereor-Projekts in Peru legte er innerhalb von 24 Stunden 21.060 Höhenmeter zurück. Hauptberuflich kümmert sich der in Neustadt lebende und als Referent für weltkirchliche Aufgaben beim Bistum Speyer angestellte Theologe um die Vernetzung und den Kontakt mit anderen Kulturen und Religionen. Wir sprachen mit dem 50-jährigen zweifachen Familienvater über seine Leidenschaft für den Ausdauersport und seinen Glauben an Gott.

Von Markus Pacher

??? Herr Fuhrbach, wann und wie haben Sie Ihr Faible für den Ausdauersport entdeckt?
Christoph Fuhrbach: Eigentlich ist mein Interesse für den Sport aus Langeweile in der Schule entstanden. Das Schulsystem und ich haben einfach nicht zusammengepasst. Ich habe mich durch die Schule gequält und auf der Suche nach Selbstbestätigung nach einen Ausgleich gesucht. Zusammen mit einem gleichgesinnten Schulkamerad hatten wir mit 15 Jahren beschlossen, am Marathon in Karlsruhe teilzunehmen. Zuvor war ich in einem Leichtathletikclub, später in einem Tischtennisverein. Vor meinem ersten Marathonlauf war ich nicht mal zum Joggen gegangen. Irgendwie absolvierten wir unseren ersten Marathon ohne großes Training unter fünf Stunden. Das machte mir Mut und ich begann systematisch zu trainieren und mich mit Ernährungsfragen zu beschäftigen. Mit 16 Jahren nahm ich an einem 100-Kilometer-Lauf in Kusel teil und bin dann zum Berglauf gekommen.

??? Hatten Sie damals eine Karriere als Profisportler in Erwägung gezogen?
Christoph Fuhrbach: Früh wurde mir bewusst, dass ich Talent habe, aber das es nicht ausreicht, um ein international guter Läufer zu werden. Vielleicht wäre aus mir ein erfolgreicher Radsportler geworden. Die Tour de France war ein Traum von mir. Meine Mutter wollte allerdings nicht, dass ich an Radrennen teilnehme, da sie Angst vor Stürzen hatte. Das Laufen zum Beruf zu machen, kam für mich nicht in Frage.

??? Neben dem Sport spielt der Glaube offensichtlich eine wichtige Rolle in Ihrem Leben. Gibt es da einen Zusammenhang zwischen körperlichen Grenzerfahrungen und der Begegnung mit Gott?
Christoph Fuhrbach: Bereits in der 1. Klasse wollte ich Priester werden. Mit 12 und 13 Jahren war ich Ministrant. Jesus ist für mich immer ein Vorbild gewesen, weil er die Menschen nicht nach ihrer Leistung und ihrem Status beurteilte, sondern jeden so angenommen hat, wie er ist und sich dabei besonders für die Armen und die Außenseiter der Gesellschaft eingesetzt hat. Das gefällt mir gut, weil es für mich die Gegenwelt zur Alltagsrealität mit ihrem steten Streben nach Macht, beruflichen Erfolg und äußerem Sein darstellt. Bis heute finde ich keine bessere Botschaft. Das ist die Leitspur meines Lebens. Dann kam die Leidenschaft für den Ausdauersport dazu - zwei total unterschiedliche Welten. Mein Glaube gibt mir das Gottvertrauen und die Zuversicht, dass alles gut gehen wird und dass wir den Moment leben sollten. In der Reduktion und in der Konzentration finde ich meine Erfüllung und die Kraft, Anstöße zu geben und Anstöße zu empfangen.

??? Ihre Weltumradlung im Jahre 1998/99 machte Sie über die Grenzen Deutschlands hinweg bekannt. Wie sind Sie auf die verrückte Idee gekommen und inwieweit hat diese Aktion ihr weiteres Leben geprägt?
Christoph Fuhrbach: Während meines Theologiestudiums hatte ich damit aufgehört, an Wettbewerben teilzunehmen. Nach dem Studium hat es mich gereizt, mehr über Kulturen und Religionen in der ganzen Welt zu erfahren und die Zusammenhänge besser zu verstehen. Meine erste Tour führte mich von Gibraltar zum Nordkap und war der Auslöser für die Weltumradlung. Die Mischung aus Reise, Abenteuer, Selbsterfahrung und Kommunikation hat mich von Anfang an sehr gereizt. Gleichzeitig konnte ich mir nicht vorstellen, der Kirche ein Leben lang zu dienen und Priester zu werden.

??? Und haben dann später eine Familie gegründet... Wie stehen Ihre Frau und Kinder zu Ihren zeitintensiven sportlichen Aktivitäten? Führt das nicht öfter zu Konflikten?
Christoph Fuhrbach: Das ist eine sehr realistische Frage. Da müsste ich alle Familienmitglieder einzeln befragen. Es gab zweifellos Zeiten, wo sie sich zurückgesetzt gefühlt haben. Meine Frau macht keinen Sport, zeigt aber viel Verständnis für mich. Als die Kinder noch klein waren, mussten wir uns immer gut absprechen. Denn ich bin ja im Grunde ein Gerechtigkeitsfanatiker, obwohl ich zugeben muss, dass meine Frau in der Erziehung der Kinder und im Haushalt ein Vielfaches von mir leistet. Gleichzeitig verzichte ich auf Dinge, die für viele zum Alltag gehören und auch eine Menge Zeit kosten, wie zum Beispiel Fernsehschauen. In dieser Zeit mache ich eben Sport.

??? Und außerdem haben Sie ja noch eine Friedensinitiative gegründet.
Christoph Fuhrbach: Den Anstoß dazu gaben die Terroranschläge am 11. September 2001. Damals sind viele Menschen ums Leben gekommen und das Ereignis hatte die ganze Weltpolitik verändert. Im Gegensatz dazu hat die Tatsache, dass täglich 15.000 Kinder an Hunger oder Mangel an Medikamenten und Trinkwasser sterben, keinerlei Auswirkung auf die Politik. So ist der 11. September, so merkwürdig es klingt, für mich gleichzeitig ein Symbol dafür, dass in unserer Welt etwas nicht stimmt. Einen Tag nach dem Anschlag hatte ich am Nato-Stützpunkt „Airbase Ramstein“ einen Gottesdienst organisiert und danach jeden Samstag um 15 Uhr vor dem Haupteingang zu einem Friedensgebet eingeladen, der phasenweise den Charakter einer Demo hatte und nicht immer auf breite Zustimmung stieß. Unsere „Friedensinitiative Westpfalz“ möchte zum Nachdenken anregen und nach Antworten auf die Frage suchen, ob es neben dem Einsatz von Militär auch andere Möglichkeiten gibt, Konflikte zu lösen.

??? Stehen da noch sportliche Träume im Raum, die Sie gerne realisieren möchten?
Christoph Fuhrbach: Grundsätzlich bin ich sehr entspannt und dankbar dafür, was ich in den letzten 50 Jahren alles machen durfte. Alles was jetzt noch dazukommt, ist ein zusätzliches Geschenk. In diesem Jahr nehme ich im Juni an einer 2.850 Kilometer- Radfahrt von Ljubljana über den gesamten Alpenbogen von Ost nach West teil. Für diese Fahrt kann ich mir familiär bedingt allerdings nur neun Tage Zeit nehmen, muss also jeden Tag über 300 Kilometer und 6.000 Höhenmeter schaffen. Ein anderes Projekt, das ich bisher noch nicht bekannt gegeben habe: Fürs nächste Jahr planen wir eine Rad-Rundfahrt, die in Diedesfeld beim Weingut Isler startet, am Hambacher Schloss endet und über den Pfälzerwald, die Vogesen und den Schwarzwald führt. Ich rechne damit, dass die Spitzenfahrer für die 1.065 Kilometer und 21.600 Höhenmeter umfassende Strecke lediglich 55 Stunden brauchen.

??? An der Dolomiten-Rundfahrt 2011, bei der sie Zweiter wurden, nahm auch Jan Ulrich teil. Welche Erinnerungen verknüpfen Sie mit dem ehemaligen Tour de France-Sieger?
Christoph Fuhrbach: Wir saßen jeden Tag bei den Mittagspausen zusammen und ich habe mich viel mit ihm unterhalten. Es waren sehr tiefe Gespräche. Ich habe ihn dabei als einen eher bescheidenen, fast schüchternen und sehr sensiblen Menschen kennen- und schätzen gelernt.

??? Inwieweit verändert sich im zunehmenden Alter die Einstellung zum Leistungssport?
Christoph Fuhrbach: Mit dem Älter- und Schwächerwerden fällt es leichter, sich aus den Wettkämpfen zurückzuziehen. Meine Einstellung zum Leistungssport und dem Prinzip „Schneller - höher - weiter“ wird immer kritischer. Immer schon hatte ich mich weniger für eine gute Platzierung interessiert, sondern als Ziel vor allem die Verbesserung meiner persönlichen Bestzeit im Visier. Letztes Jahr bin ich 31.500 Kilometer gefahren, war 1.131 Mal auf der Kalmit. Aber ich merke in den letzten Jahren deutlich, dass ich älter werde.

??? Wie stehen sie zum Thema Doping im Radsport?
Christoph Fuhrbach: Die härteste Droge die ich nehme, ist Kaffee. Meine Diplomarbeit habe ich über die Moral im Leistungssport mit besonderem Augenmerk auf das Doping erstellt. Doping kommt für mich nicht in Frage, denn das käme einem Betrug an mich selbst gleich, weil ich meine eigenen Grenzen nicht akzeptiere. pac

Autor:

Markus Pacher aus Neustadt/Weinstraße

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