Interview mit Julia Wege von Amalie zur Situation der Prostituierten in Coronavirus-Krise
„Aufgrund der Not gezwungen, in Illegalität weiter zu arbeiten“

Nichts geht mehr Geschäft mit der "käuflichen Liebe" – wie hier in der Lupinenstraße.   | Foto: Christian Gaier
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  • Nichts geht mehr Geschäft mit der "käuflichen Liebe" – wie hier in der Lupinenstraße.
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Von Christian Gaier

Mannheim. Wegen des Corona-Kontaktverbots ist Prostitution derzeit bundesweit verboten. Was das für die Sexarbeitenden bedeutet, erläutert die Sozialarbeiterin Julia Wege im Interview mit dem „Wochenblatt“. Sie leitet die Beratungsstelle Amalie, die in Mannheim unter dem Dach des Diakonischen Werkes Frauen beim Ausstieg aus der Prostitution hilft.

???: Was war denn an den ersten Tagen bei Amalie los, nachdem die Ausübung von Prostitution verboten war?
Julia Wege: Es erreichten uns viele Anrufe von Frauen, die wir bereits aus der Beratung oder der medizinischen Sprechstunde kannten. Einige haben berichtet, dass sie nun mittellos sind, jedoch bis zum 19. April abwarten würden, bis die Bordelle wieder eröffnen. Einige haben es tatsächlich noch geschafft, in ihr Herkunftsland zurück zu gelangen. Darüber hinaus kontaktierten uns auch Frauen, die bei uns noch nicht in der Beratungsstelle waren und über das Internet auf uns aufmerksam wurden. Hier gab es etwa Fragen zur Antragstellung von Soforthilfen und anderen Möglichkeiten, wie sie die Zeit überbrücken können.

???: Konnten Sie sich auf die Situation vorbereiten?
Julia Wege: Wir konnten uns auf diese Zeit nicht vorbereiten, sonst hätten wir uns auch noch besser aufgestellt und unsere Hilfen angepasst. Auch uns überraschten die Regelungen, wobei wir diese begrüßen. Oft werden Frauen in der Prostitution nicht oder unzureichend informiert beziehungsweise wenig geschützt, von daher begrüßen wir es, dass auch die Regelungen im Rotlichtmilieu gelten.

???: Wie viele Frauen haben sich an Amalie gewandt?
Julia Wege: Bisher ist die Zahl noch überschaubar. Es haben sich circa 25 Frauen an uns gewandt. Mit einigen haben wir täglich telefonischen Kontakt. Gerade die Frauen in einem Ausstiegsprozess, die zum Beispiel auch schon Arbeit gefunden haben, bangen um ihre Jobs. Für neue Aussteigerinnen ist die Situation besonders schwierig, da sie sich noch kein neues soziales Netzwerk aufbauen konnten und dankbar sind, dass wir für sie zumindest telefonisch da sind. Hier reicht es bereits, einfach ein offenes Ohr zu haben.
???: Was passierte mit Frauen, die in der Lupinenstraße auch gewohnt haben? Und eventuell nicht einmal Geld haben für die Heimreise in ihr jeweiliges Heimatland?
Julia Wege: Von einigen Frauen wissen wir, dass Betreiber*innen ihnen auch erlauben, mietfrei bis zum 19. April wohnen können. Ob es sich auf die Lupinenstraße bezieht, wissen wir nicht. Von anderen Frauen haben wir auch gehört, dass ihnen das Einkommen und ihr Schlafplatz fehlt und aufgrund der Not auch gezwungen sind, in der Illegalität weiter zu arbeiten. Hier vermuten wir, dass sich die Szene verlagert und vieles über das Internet beziehungsweise Handy abgewickelt wird.

???: Welche konkrete Hilfe leistet Amalie? Gibt es eine finanzielle Soforthilfe? Wie wird die Bedürftigkeit überprüft?
Julia Wege: Wir haben bereits von vielen Menschen unter anderem auch von Mannheimer Politiker*innen Unterstützung angeboten bekommen. Es melden sich auch etliche Ehrenamtliche, ob sie helfen können. Auch die Stadt hat uns Hilfen angeboten. Wir verfügen über einen Nothilfefonds, sodass wir in akuter Not Frauen wirklich helfen können. Diesbezüglich ist die Diakonie wirklich sehr gut aufgestellt. Die Bedürftigkeit prüfen wir am Telefon und verlangen die entsprechenden Dokumente per Mail.

???: Können Sie eine Geschichte erzählen, die beispielhaft die prekäre Lage der Frauen verdeutlicht?
Julia Wege: Wir wissen von einer Frau, die schwanger ist, keine Krankenversicherung und eigenen Wohnraum hat und zu unserer Arztsprechstunde kommen wollte. Hier konnten wir sie leider nur telefonisch an unsere unterstützende Arztpraxis vermitteln und bleiben weiterhin in engen telefonischen Kontakt. Zur Überbrückung ist sie in eine Pension gezogen, wir werden sie auch weiterhin telefonisch begleiten.

???: Bietet die aktuelle Situation vielleicht auch einigen Frauen die Chance zum Ausstieg?
Julia Wege: Einige Frauen haben auch berichtet, dass sie froh darüber sind, dass sie endlich mal eine Pause machen können und alle Etablissements geschlossen sind, obwohl sie wissen, dass es sie in existenzielle Not bringt. Wir gehen davon aus, dass die Corona-Krise jedoch auch Veränderungen im Rotlichtmilieu mit sich bringen wird und Frauen für sich neu ausloten, ob sie die Tätigkeit, welche für viele belastend erlebt wird, weiterhin ausführen möchten. Wir denken, dass gerade in solchen Zeiten derartige Beratungsstellen wichtig sind und präsent sein sollten. Denn viele leben in Isolation und verfügen nicht über entsprechende soziale Netzwerke, um solche Veränderungen allein bewältigen zu können. Denn insbesondere Migrantinnen sind mit dem deutschen Hilfs- beziehungsweise Rechtssystem oft überfordert. Menschen, die zum Beispiel durch Rücklagen, eine Krankenversicherung oder eigenen Wohnraum nicht abgesichert sind, trifft die Krise genauso hart. Hierzu zählen natürlich auch Wohnungslose.

???: Gehen Sie davon aus, dass das Prostitutionsverbot verlängert wird?
Julia Wege:
Ja, und ich kann mir das auch nicht anders vorstellen. Zum Schutz der Frauen ist es notwendig, wobei sich ihre prekäre Situation dann allerdings auch weiter verschärfen wird. Um ihnen weiter helfen zu können, sind wir auch für Spenden sehr dankbar.

Spendenkonto:
Evangelische Bank
Stichwort „Amalie“
IBAN: DE64 5206 0410 0100 5067 61
BIC: GENODEF1EK1

Nichts geht mehr Geschäft mit der "käuflichen Liebe" – wie hier in der Lupinenstraße.   | Foto: Christian Gaier
Julia Wege   | Foto: PS
Autor:

Christian Gaier aus Mannheim

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