DHBW Karlsruhe
Wie Konsument*innen in die Fallen von Cyber-Kriminellen tappen

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Wissenschaftler der DHBW Karlsruhe erklärt psychologische Hintergründe
Black Friday, Singles Day, Prime Day – für viele Konsument*innen gehören diese Online-Shopping-Events längst zur festen Jahresroutine. Doch während Millionen nach dem „Big Deal“ suchen, ist auch für eine andere Gruppe Hochsaison: Cyber-Kriminelle, die Momente der Unachtsamkeit und Konsumfreude gezielt ausnutzen.
Von Fake-Shops über Phishing-Mails bis hin zu Identitätsdiebstahl. Die Maschen werden immer ausgefeilter. Dabei ist das Problem nicht nur technischer, sondern vor allem psychologischer Natur. Denn wenn der vermeintliche Rabatt nur wenige Minuten gilt oder eine Kontosperrung droht, bleibt wenig Zeit für kritisches Denken. Genau das nutzen Angreifer aus.
Der psychologische Tunnelblick
„Unser Gehirn liebt schnelle Belohnungen bei der Schnäppchenjagd und einfache Lösungen zur Gefahrenabwehr. Beides macht uns in Sachen Cyber-Sicherheit besonders anfällig“, erklärt Jan Michael Rasimus, Leiter des Eye Tracking-Labors der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) Karlsruhe. Seit Jahren beschäftigt er sich im Bereich des Neuromarketings damit, wie Entscheidungen im digitalen Raum unter verschiedenen Bedingungen getroffen werden.
Schnelle Belohnungen bei der Schnäppchenjagd: „Wenn ein Angebot zu gut klingt, um wahr zu sein, setzt häufig das kritische Denken aus. Und genau in diesem Moment schlagen Betrüger zu“, warnt Rasimus. Besonders bei groß angelegten Rabattaktionen geraten Nutzer*innen leicht in eine Art psychologischen Tunnelblick: Sie handeln impulsiv, vertrauen Angeboten schneller und übersehen wichtige Warnzeichen.
Einfache Lösungen zur Gefahrenabwehr: Emotionale Trigger wie Zeitdruck oder Dringlichkeit setzen viele unter Zugzwang. Das wissen auch Cyber-Kriminelle. Gerade während großer Shopping-Events platzieren sie gezielt Handlungsaufforderungen: etwa zur Eingabe von Passwörtern auf gefälschten Seiten, zur Verhinderung angeblicher Kontosperrungen oder zur vermeintlichen Rückerstattung von Geldbeträgen. Ziel ist es, in Stresssituationen sensible Daten zu erschleichen, bevor der Verstand wieder einsetzt.
Die neue Welle der KI-Fakes
Doch psychologischer Druck ist längst nicht alles. Betrüger rüsten ihre Maschen inzwischen mit Künstlicher Intelligenz (KI) technisch auf: Phishing-Mails werden personalisiert und automatisch versendet, täuschend echte Fake-Shops binnen Minuten erstellt, und Chatbots geben sich in Echtzeit als vermeintlicher Kundenservice aus.
Zunehmend kommen auch Bilder und Videos bekannter Influencer*innen ohne deren Wissen zum Einsatz, um betrügerische Angebote zu bewerben. Noch gefährlicher sind sogenannte Deepfakes: Künstlich erzeugte Videos von Prominenten, die scheinbar glaubhaft unseriöse Produkte bewerben. Solche Fälschungen sind häufig kaum noch von echten Inhalten zu unterscheiden, wirken vertrauenswürdig und sind damit besonders perfide. Diese Entwicklung zeigt: Cyber-Kriminalität ist längst kein Werk einzelner mehr, sondern Teil einer professionellen, global vernetzten Schattenindustrie, die genau weiß, wie Menschen in Ausnahmesituationen reagieren.
Schutz beginnt mit Bewusstsein
Auch wenn Cyberangriffe durch KI zunehmend raffinierter werden, bleibt der Mensch das größte Sicherheitsrisiko. Neben grundlegenden Verhaltenstipps, etwa zu besonderen Shopping-Events, sollte der Fokus der Gefahrenabwehr stets auf einem bewussten und reflektierten Handeln liegen. Gefragt sind vor allem kritisches Denken und die Fähigkeit, auch in hektischen Situationen einen kühlen Kopf zu bewahren.
Acht grundlegende Verhaltenstipps bei Shopping-Events
1. Preise realistisch vergleichen: Wenn Produkte (z. B. aktuelle Markenartikel) extrem günstig angeboten werden ist Vorsicht geboten. Preise, die zu gut klingen, um wahr zu sein, sind oft genau das.
2. Anbieter überprüfen: Ein vollständiges Impressum, erreichbarer Kundenservice und transparente Unternehmensdaten sind Grundvoraussetzungen für seriöse Online-Shops.
3. Keine Käufe über Links aus Mails oder sozialen Medien: Immer direkt über den Browser oder die offizielle App zum Shop navigieren, nie über zugesandte Links klicken.
4. Sichere Zahlungsmethoden nutzen: Finger weg von Vorkasse per Überweisung. Besser sind Zahlmethoden mit Käuferschutz (z. B. Kreditkarte, PayPal oder Rechnungskauf über Klarna).
5. Gütesiegel prüfen, aber nicht blind vertrauen: Trusted Shops, EHI oder TÜV-Siegel können ein Hinweis auf Seriosität sein. Aber: Fälschungen sind leicht gemacht. Siegel immer direkt auf der Website der Aussteller überprüfen.
6. SSL-Zertifikate richtig einordnen: Ein Schloss-Symbol im Browser zeigt nur, dass die Verbindung verschlüsselt ist. Nicht, dass der Shop an sich vertrauenswürdig ist.
7. Verdächtige Seiten prüfen: Shop-Namen einfach bei Google suchen (z. B. mit „[Shop-Name] + Erfahrungen“ oder „[Shop-Name] + Fake“). Auch Warnlisten der Verbraucherzentralen und Tools wie ChatGPT können helfen.
8. Technischen Basisschutz ernst nehmen: Systeme regelmäßig aktualisieren, starke Passwörter verwenden und, wo möglich, Zwei-Faktor-Authentifizierung aktivieren. Viele Angriffe zielen auf unzureichend gesicherte Konten oder veraltete Software.
Fazit
Cyber-Kriminalität rund um große Verkaufsaktionen ist längst kein Randphänomen mehr. Sie ist professionell organisiert und zielt zu 90 % auf die „Schwachstelle Mensch“ ab. Emotionale Reize wie Zeitdruck, Rabatte oder Dringlichkeit versetzen Konsument*innen in einen impulsiven Entscheidungsmodus, in dem kritisches Denken häufig aussetzt. Der ideale Moment für Betrüger.
Künstliche Intelligenz macht Täuschungen zwar immer professioneller, doch so bedrohlich die technische Entwicklung auch ist: Der wirksamste Schutz bleibt das eigene Bewusstsein. Wer die psychologischen Tricks erkennt, kann mit Vorsicht und Reflexion gegensteuern. Besonders in heißen Phasen der Schnäppchenjagd, sind es meist Routine und Besonnenheit, die vor bösen Überraschungen schützen. Und das lässt sich durchaus trainieren.
Autor:Susanne Diringer aus Karlsruhe |
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