Experten über das neue staatliche Siegel für nachhaltige Kleidung
Werden Textilien jetzt grün?

Kleidung. Über 400 Prüfsiegel, Testurteile und andere Kennzeichnungsmerkmale gibt es in Deutschland. Gekennzeichnete Produkte – meist Nahrungsmittel – versprechen hohe Qualitätsstandards. Doch wie hoch der Stellenwert eines Prüfsiegels wirklich ist, bleibt oft fraglich. Dient das Siegel eher den Werbezwecken der Hersteller oder tatsächlich der transparenten Verbraucherinformation? Staatliche Siegel sind dabei in der Regel verlässlicher als selbsterdachte Kennzeichnungen der Branchen. Über den „Grünen Knopf“, das neue Siegel für nachhaltig produzierte Kleidung, berichten Experten. Die Einführung des neuen Labels war für Montag, 9. September, geplant, seine Pilotphase endet Mitte 2021.

Der „Grüne Knopf“
Die meisten Qualitätssiegel hält die Lebensmittelindustrie für uns bereit. Bio, regional und mehr Tierwohl versprechen die Verpackungen. Aber auch „Fairtrade“ bei Kaffee, der „Blaue Engel“ bei Duschgel oder „Spiel-gut-Siegel“ bei Spielwaren verheißen hohe Qualität und nachhaltiges Wirtschaften. Handelt es sich nicht um staatlich geprüfte oder als vertrauensvoll eingestufte Kennzeichnungen, können Verbraucherschutzorganisationen häufig näher Auskunft über die Qualität einer entsprechenden Kennzeichnung geben. Aber besonders die Textilindustrie ist in der Vergangenheit in Verruf geraten. Um Kleidung auch hierzulande zu Dumpingpreisen anbieten zu können, wird in den billigsten – sprich ärmsten – Ländern der Welt produziert. Das Entgelt sind Hungerlöhne, die Arbeitsbedingungen undurchsichtig; oft gesundheitsschädigend und ausbeuterisch – schlicht menschenverachtend. Das zeigte sich ganz besonders grausam, als 2013 die Fast-Fashion-Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch einstürzte und mehr als eintausend Menschen – die meisten Näherinnen – unter sich begrub. „Wir brauchen ein Siegel, das den Kunden beim Einkauf einfach und klar signalisiert: Hier handelt es sich um fair produzierte Kleidung“, brachte Dr. Gerd Müller, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, das Manko in einem Interview auf den Punkt.

Wie gut ist das neue Label?
Der „Grüne Knopf“ ist kein von staatlicher Seite kontrolliertes Produktionssiegel, sondern wird von privaten Prüfunternehmen überwacht. Das Label erhält ein Produkt, wenn es 26 soziale und ökologische Mindeststandards einhält, zum Beispiel die Zahlung von gesetzlichen Mindestlöhnen, der Verzicht auf gesundheits- und umweltschädliche Chemikalien oder die Möglichkeit der Beschäftigten, sich gewerkschaftlich organisieren zu können. Der Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie lehnt das Label allerdings ab, weil er der Überzeugung ist, dass ein neues nationales Siegel nichts an den Bedingungen in den Entwicklungsländern ändern werde. Zudem fehlen nach Ansicht der Gewerkschaften Kontrollmechanismen und wirksame Sanktionsmittel.

Wer macht mit?

Mehrere kleine Naturtextil-Firmen wollen mitmachen, aber auch große Händler wie etwa Lidl, Kik, Tchibo oder Vaude haben Interesse bekundet oder das Siegel schon bekommen. Der Anfang ist also gemacht, weitere Schritte müssen allerdings folgen. ps

Weitere Informationen:
www.arag.de/

Autor:

Laura Seezer aus Mannheim

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