Pfälzer Ballungszentren sind als 15-Minuten-Städte gut aufgestellt

Gute Basis für die 15-Minuten-Stadt: Barcelona-Blöcke sorgen auch entlang der Kohl-Alle für belebte Nachbarschaften, begrünte Innenhöfe werden Treffpunkte sein. Parks schaffen Freiluftschneisen, um kühle Winde aus dem Umland an Hitzetagen in die Städte zu tragen. Sind sie nach dem Schwammstadtprinzip angelegt, sorgen sie auch für Verdunstungskälte. | Foto: KI-generiert
3Bilder
  • Gute Basis für die 15-Minuten-Stadt: Barcelona-Blöcke sorgen auch entlang der Kohl-Alle für belebte Nachbarschaften, begrünte Innenhöfe werden Treffpunkte sein. Parks schaffen Freiluftschneisen, um kühle Winde aus dem Umland an Hitzetagen in die Städte zu tragen. Sind sie nach dem Schwammstadtprinzip angelegt, sorgen sie auch für Verdunstungskälte.
  • Foto: KI-generiert
  • hochgeladen von Julia Glöckner

Mainz/Hemshof. Das stadtplanerische Leitbild der 15-Minuten-Stadt Paris wird von Metropolen wie Köln oder Berlin bereits kopiert. Auch viele deutsche Stadtviertel bieten städtebaulich die beste Grundlage, um 15-Minuten-Städte zu werden. Vor allem müsste das Konzept von den Menschen hier mehr angenommen und gelebt werden.

Von Julia Glöckner

Die Idee, Stadtviertel so umzugestalten, dass alle Alltagserledigungen in 15 Minuten machbar sind, kommt vom Pariser Baudezernenten Professor Moreno. Zeit durchs Pendeln bekommt man nie zurück. Stattdessen soll sich das Leben vor allem im eigenen Quartier abspielen. Dort sollen Handel, Ärzte, der eigene Arbeitsplatz, Schulen in 15 Minuten erreichbar sein, genauso wie Freizeitangebote, Restaurants, Parks, Sportclubs.

Das Konzept liefert Lösungen für die vielen Jahrhundertprojekte, vor denen Städte stehen: Sie müssen klimaneutral werden, sollen mit belebten Nachbarschaften vor Anonymität und Verödung bewahrt werden. Zudem lässt sich damit Staus, Luftverschmutzung und sozialen Verwerfungen in Städten entgegenwirken.

Die 15-Minuten-Stadt ist das Gegenbild zur autogerechten Stadt aus den 60ern und 70ern. Damals verlegte man die Industrie an Randgebiete, das Einkaufen in die City, Theater in Kulturmeilen. Die getrennten Quartiere sollten über leistungsfähige Straßen mit dem Auto erreichbar sein. Relikte aus dieser Zeit sind große Parkhäuser- und plätze sowie Stadtautobahnen. Die 15-Minuten-Stadt bietet so gesehen eine große Chance: Nur so sind alle Ziele des Alltags mit dem Mobilitätsmix aus ÖPNV, Rad und Gehen erreichbar. Viele Städte und Quartiere haben bereits eine gute Grundlage für die Rückkehr zur 15-Minuten-Stadt, weil sie gewachsen sind, bevor das Automobil vom Luxusgut der Reichen zum Allgemeingut wurde. „Die Leitbilder sind überholt. Das mit der Industriestruktur einst verbundene Wachstum fällt heute geringer aus. Umweltökologische Ziele und Fragen rücken viel mehr in den Vordergrund“, erklärte Martin Randelhoff, Gründer von „Zukunft Mobilität“ und Senior Projektleiter im renommierten ARGUS studio aus Hamburg beim Impulsvortrag im Zentrum für Baukultur.

15-Minuten-Stadt auch im Niedriglohnsektor: Industrie und Wohnen verbinden

Bis heute gehören der Industrie, von der Lärm, Schadstoffe und andere Emissionen ausgehen, vor allem die Randlagen. Im direkten Wohnumfeld ist dagegen meist nur das hochwertige Dienstleistungsgewerbe, Anwälte, Unternehmensberater oder IT, angesiedelt. „Die Stadt der kurzen Wege bleibt bislang das Privileg einkommensstärkerer Haushalte. Durch den Trend zum Homeoffice machen viele gar keine Wege mehr“, sagte Randelhoff. „Gesellschaftsgruppen, die Schicht arbeiten oder im Niedriglohnsektor, in Pflege oder Produktion, arbeiten dagegen vor Ort. Mit zunehmender Verschränkung von Arbeiten und Wohnen auch neue Fertigungstechniken in Wohngebiete hineinzubringen ist aber wesentlich für die 15-Minuten-Stadt. Das stärkt dort Nachbarschaften und erfüllt die Bedürfnisse dieser Bevölkerungsgruppen.“

Dafür müsse man gewisse Einschränkungen akzeptieren und baurechtlich mehr Mischnutzung schaffen. Es fehle noch Mut und Erfahrung von Seiten Stadtplanern, Investoren und Nutzern. „Nicht jedes Gewerbe eignet sich für Mischnutzung, weil man in manchen Branchen die Emissionen nicht unter Grenzwerten halten kann. Mit genauer Planung der Bebauung sowie der Auswahl der Gewerbe schafft man geeignete, lebenswerte Mischnutzungen“, sagte Randelhoff.

Die 15-Minuten-Stadt bringt zudem Vorteile für die Standortbelebung. Damit gelingt die Stärkung des lokalen Einzelhandels und der Aufbau von Clustern, in denen Firmen entlang von Liefer- und Wertschöpfungsketten zusammenarbeiten. Das spart hohe Transportemissionen und Kosten. Zudem hält es Stoffströme im Quartier. 

Planerische Umsetzung der 15-Minuten-Stadt

Städtebaulich gelingt der Umbau zur 15-Minuten-Stadt selbst Metropolen mit starkem Vorortcharakter und dezentralen Wohnquartieren, etwa der Stadt Utah. „In der US-amerikanischen Stadt schafft man mit Blockbebauung Nähe in einer Struktur, die dafür eigentlich nicht so empfänglich ist“, erklärte Randelhoff. „Verkehrsplaner denken heute außerdem der Stadtplanung zugewandt.“ Straßen werden nicht mehr rein funktional gedacht, sondern als belebte Straßenräume gestaltet, als Orte zum Wohlfühlen also: Große Stadtstraßen werden als Alleen geplant, mit Radspuren, breiten Gehwegen und verschattenden Bäumen. Auf der neue Kohl-Allee in Ludwigshafen, die die Hochstraße ersetzt, wird es darum gehen, durch diese oder ähnliche neue Lösungen Hemshof-Seite und Cityseite von Anfang als Nachbarschaften zu vernetzen. In Hamburg werden ältere Hauptverkehrsachsen mit einer gewisser Breite bereits entsprechend umgestaltet. 

So sehen umgebaute Straßen künftiger 15-Minuten-Städte aus: Die Kohl-Allee ist deutlich breiter, dichter befahren und hat fünf Ampelquerungen, folgt aber einem ähnlichen Straßenraumentwurf. | Foto: KI-generiert
  • So sehen umgebaute Straßen künftiger 15-Minuten-Städte aus: Die Kohl-Allee ist deutlich breiter, dichter befahren und hat fünf Ampelquerungen, folgt aber einem ähnlichen Straßenraumentwurf.
  • Foto: KI-generiert
  • hochgeladen von Julia Glöckner

Moderator Gerd Schreiner, Architekt und Landtagsabgeordneter, betonte die Bedeutung von Nachbarschaften, auch bei Katastrophen. „Mit der Ahrflut kamen auf Bund und Länder viele Aufgaben zu, wie die Regenrückhaltung in der Fläche. Katastrophenlagen wie Sturm oder Flut können trotzdem zum Blackout führen. Das Allernötigste ist, Nähe zu erzeugen. Städte sorgen dafür, dass die Menschen in Quartieren und Nachbarschaften sich kennen und bereit sind, einander zu helfen und ihre Interessen in solchen Situationen hinten anzustellen.“ Deshalb mache es einen großen Unterschied, ob man zum Brötchenkaufen in die Stadt fährt oder eine Bäckerei an der Ecke hat. So entstehen lose, freundliche, hilfsbereite Bekanntschaften, die unter Nachbarn typisch sind, oder sogar Freundschaften.

15-Minuten-Stadt noch nicht in Bevölkerung angekommen

Sehr Viele Städte in Deutschland erfüllen mit Blick auf ihr Angebot bereits die Kriterien einer 15-Minuten-Stadt. Das gilt auch für alle Stadtviertel der Metropolregion Rhein-Neckar. Das ergab eine Studie des Bonner Instituts für Raumforschung. Dabei gewichteten die Forscher die einzelnen Städte danach, ob und wie gut die Dinge des alltäglichen Bedarfs erreichbar sind. „In vielen Großstadtregionen und verdichteten Gebieten haben wir die 10-Minuten-Stadt“, sagte Projektleiterin Brigitte Adam. In der Peripherie auf dem Land ist die Idee der 15-Minuten-Stadt allerdings nicht umsetzbar.

„Wir gingen auf der Angebotsseite nur von rein rechnerischen Gelegenheiten aus. Nicht zu erheben war, ob der Supermarkt was hält und von allen Besuchern frequentiert wird", so Adam. Die Erhebung der Nachfrageseite durch Fallanalysen ergab, dass die Wahlmöglichkeiten eine große Rolle spielen, ob die 15-Minuten-Stadt auch tatsächlich gelebt wird

Kommt die 15-Minuten-Stadt in Deutschland? Bundesinstitut ermittelt Chancen und Hebel

. Fehlen sie, zeigt sich die Stadt der kurzen Wege nicht in dem Ausmaß, wie es eigentlich schon möglich wäre. So gibt es etwa im Hemshof vor allem italienische und türkische Supermärkte neben wenigen arabischen sowie einem Penny, der auf breite Kundschaft zielt. Solche Märkte werden allerdings nur von Einheimischen oder Ukrainern besucht, die dafür offen sind. Weitere Gründe für das Ausbleiben des großen Wandels zur 15-Minuten-Stadt: In Randlagen wird außerdem viel häufiger das Auto genutzt als im Schnitt. In Top-Randlagen wohnen außerdem teils die besser Betuchten, die gerne ins Auto steigen.

Dichte wird bei der 15-Minuten-Stadt laut der Studie zum Vorteil. Mehr Dichte bringt etwa Topbedingungen für Supermarktdiscounter mit breitem Angebot oder Stadtteilzentren. Jede dichter aber ein Quartier, desto mehr Faktoren spielen mit rein, die auch Nachteile bringen: weniger Grün- und Freiräume oder Verödung in Wohnhochburgen aus den 60ern bis 80ern, wie dem Pilgerpfad in Frankenthal, der trotz einer Dichte, die an Manhattan heranreicht, neben einem Supermarkt nur noch Leerstand hat. Ab einer Dichte von 270 Einwohnern pro Hektar, überwiegen die nachteiligen Faktoren. Die Kurve flacht logarithmisch ab. Mehr und mehr Dichte bringt nach der Studie also keine noch kürzeren Wege in der 15-Minuten-Stadt  mit sich. Der Hemshof weist mit seiner schönen, historischen Bausubstanz aus der Gründerzeit mit einer Dichte von 113 Einwohnern pro Hektar noch eine gute Grundlage auf. jg

Die Ergebnisse der Studie des Instituts für Raumforschung

Kommt die 15-Minuten-Stadt in Deutschland? Bundesinstitut ermittelt Chancen und Hebel
Der Hemshof hat ein eigenen Stadtteilzenrum, das mittags stärker belebt ist als das der Innenstadt.  | Foto: Julia Glöckner
  • Der Hemshof hat ein eigenen Stadtteilzenrum, das mittags stärker belebt ist als das der Innenstadt.
  • Foto: Julia Glöckner
  • hochgeladen von Julia Glöckner
Gute Basis für die 15-Minuten-Stadt: Barcelona-Blöcke sorgen auch entlang der Kohl-Alle für belebte Nachbarschaften, begrünte Innenhöfe werden Treffpunkte sein. Parks schaffen Freiluftschneisen, um kühle Winde aus dem Umland an Hitzetagen in die Städte zu tragen. Sind sie nach dem Schwammstadtprinzip angelegt, sorgen sie auch für Verdunstungskälte. | Foto: KI-generiert
So sehen umgebaute Straßen künftiger 15-Minuten-Städte aus: Die Kohl-Allee ist deutlich breiter, dichter befahren und hat fünf Ampelquerungen, folgt aber einem ähnlichen Straßenraumentwurf. | Foto: KI-generiert
Der Hemshof hat ein eigenen Stadtteilzenrum, das mittags stärker belebt ist als das der Innenstadt.  | Foto: Julia Glöckner
Autor:

Julia Glöckner aus Ludwigshafen

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

24 folgen diesem Profil

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

RatgeberAnzeige
Die Baufinanzierungsberater der Sparkasse Rhein Neckar Nord beraten kompetent bei der Suche nach der perfekten Immobilie und haben alle Zusatzqualifikationen, die sie in Sachen Finanzierung energetischer Sanierungen zu Experten machen | Foto: Puwasit Inyavileart/stock.adobe.com
5 Bilder

Baufinanzierung Sparkasse: Warum eine Modernisierung jetzt Sinn macht

Baufinanzierung Sparkasse. Auf der Suche nach der Traumimmobilie? Die Sparkasse Rhein Neckar Nord ist hierfür der richtige Ansprechpartner. Schritt für Schritt begleiten die Baufinanzierungsexperten der Sparkasse ihre Kunden auf dem Weg zum Eigenheim. Hierbei spielt es keine Rolle, ob ein Baukredit benötigt wird oder ein Darlehen für den Kauf einer Immobilie. Egal, ob Haus, Wohnung oder Grundstück - die Experten beraten ausführlich zu passenden Finanzierungsmöglichkeiten. Baufinanzierung...

Ausgehen & GenießenAnzeige
Rheinuferfest Ludwigshafen: Vom 27. bis 29. Juni 2025 gibt es Musik und Genuss pur | Foto: Marcus Schwetasch
Video 5 Bilder

Rheinuferfest Ludwigshafen 2025 – Programm & Highlights

Rheinuferfest Ludwigshafen: Das Rheinuferfest findet vom 27. bis 29. Juni 2025 am Rheinufer Ludwigshafen statt. Besucher erwartet ein umfangreiches Programm mit Live-Musik, Street Food und einer Weinlounge. Die LUKOM bietet damit wieder die perfekte Mischung aus Kulinarik, Bühnenprogramm und Unterhaltung für die ganze Familie. So wird das Rheinuferfest zum Treffpunkt für alle, die den Sommer feiern und in vollen Zügen genießen wollen - und das bei freiem Eintritt! Die Hauptbühne: Highlights des...

Ausgehen & GenießenAnzeige
Pfalzfest Ludwigshafen 2025: Fahrgeschäfte wie der Breakdancer begeistern die Besucher | Foto: Ben Pakalski
Video 6 Bilder

Pfalzfest Ludwigshafen 2025: Volksfest-Highlight mit neuen Attraktionen und spektakulärem Feuerwerk

Pfalzfest Ludwigshafen. Volksfestfans aufgepasst: Vom 18. bis 23. Juni 2025 verwandelt sich der Ebertpark in Ludwigshafen in ein Paradies für Jung und Alt. Das Pfalzfest bietet sechs Tage lang beste Unterhaltung – mit neuen Fahrgeschäften, großem Bier- und Weindorf und einem Feuerwerk der Extraklasse. Eintritt frei – pure Lebensfreude garantiert! Wilde Maus, XXL-Breakdance und Weißwurstfrühstück im Riesenrad Volksfeste strahlen ihren ganz eigenen Zauber aus. Der Duft von gebrannten Mandeln und...

Online-Prospekte aus Ludwigshafen und Umgebung



Video einbetten

Es können nur einzelne Videos der jeweiligen Plattformen eingebunden werden, nicht jedoch Playlists, Streams oder Übersichtsseiten.

Abbrechen

Karte einbetten

Abbrechen

Social-Media Link einfügen

Es können nur einzelne Beiträge der jeweiligen Plattformen eingebunden werden, nicht jedoch Übersichtsseiten.

Abbrechen

Code einbetten

Funktionalität des eingebetteten Codes ohne Gewähr. Bitte Einbettungen für Video, Social, Link und Maps mit dem vom System vorgesehenen Einbettungsfuntkionen vornehmen.
Abbrechen

Beitrag oder Bildergalerie einbetten

Abbrechen

Schnappschuss einbetten

Abbrechen

Veranstaltung oder Bildergalerie einbetten

Abbrechen

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.

Powered by PEIQ