Der junge Architekt Markus Sternlieb: Republikanische Architekturideale
- Das Stadthaus Nord, "Ludwigshafener Schlösssche" ohne Prinz
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Ludwigshafen. Er wollte ein ästhetisches, lebenswertes Ludwigshafen für alle schaffen – nicht nur für Privilegierte: Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab Markus Sternlieb als neuer Leiter dem Stadtbauamt eine neue städtebauliche Richtung vor. Mit Mut zum Stilwandel plante er Gebäude, die bis heute vom Geist der jungen Demokratie erzählen.
Von Julia Glöckner
Der junge Sternlieb: Architektur spiegelt Demokratieidealen wider
In seinen ersten Jahren als Leiter des Stadtbauamts trug ihm OB Krafft große Projekte aus. Sternlieb nahm in seinen Mitzwanzigern vor allem den Stil des Neobarock und Neoklassizismus auf, typische Elemente der Herrschaftsarchitektur von Schlössern, und übertrug sie auf seine ersten Bauten im Stadtgebiet. 1910 entstand das Straßenbahndepot, das Verwaltungsgebäude im Neobarock, die Wagenhalle ist dem Jugendstil zuzuordnen.
Nach der Geschichtsauffassung des Stadtarchivars Stefan Mörz stellte Sternlieb „die privilegierten Bauformen in moderner Gestalt der breiten Bevölkerung bereit“. Kurz nach Bau des Stadthaus Nords 1913, das bis heute „Ludwigshafens Schlössche“ genannt wird, gründete sich mit der Weimarer Republik Deutschlands erste Demokratie. Die allmähliche Unterspülung hierarchischer Herrschaftsverhältnisse in der Monarchie war schon vorher spürbar. Erste Arbeiterbewegungen wuchsen, politische Strömungen des Sozialismus und der Sozialdemokratie kamen auf, Intellektuelle diskutierten neue Demokratieideale und die bürgerliche Kultur taumelte. Einerseits wollte manche ihre Privilegien nicht aufgeben, andererseits bekannten sich viele zu neuen humanistischen Idealen.
Vor allem nach 1918 beeinflussten die neuen republikanische Ideale von Demokratieordnung und Menschlichkeit Künstler, Intellektuelle und Architekten. In der Baukunst des Südens Ludwigshafen finden diese Ideen bis heute Ausdruck. Hier wurde die herrschaftliche Baukunst des Neobarock und Neoklassizismus aufgenommen und mit deutlich weniger Prunk und Ornamenten umgesetzt, typisch für die Baux Arts.1919/20 wurde das Franzosenhaus nach den Plänen Sternliebs fertiggestellt, für Offiziersfamilien der französischen Besatzungsarmee, die hier stationiert waren, um nach Kriegsende die junge Demokratie zu stabilisieren. Die gesamten Künstlerviertel um den Bayernplatz wuchsen in dieser Zeit, was ihnen bis heute anzusehen ist.
- Das Stadthaus Nord ist der Eingang zum Hemshof
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Die Verschönerung des Stadtbilds: Sternlieb will lebenswerte Quartiere schaffen
In den ersten Jahren nach Amtsantritt 1905 verschärfte Sternlieb zudem die Bauordnung. Mit strengeren Vorschriften für die Planung von Grundrissen sollten klarere Straßenbilder entstehen. Bodenspekulationen hatten viele Investoren veranlasst, auf starke Verdichtung von Nutzflächen zu setzen. So waren dichte Quartiere im Hemshof entstanden. Mit neuen Bauvorschriften für Baulinie, Balkone, Erker und Gruben und Keller wollte Sternlieb sicherstellen, dass kommerzielle Zwecke die Ästhetik des Straßenbilds nicht länger überlagern. Auch städtebaulich suchte Sternlieb nach klareren Lösungen, plante mit einem neuen geregelten Straßennetz.
Vorschriften für Rückgebäude sollten das verschachtelte Anbauen von Gebäuden in Höfen verhindern. Dieses hatte zwar für schnellwachsenden Wohnraum gesorgt. Höfe waren damit aber für Jahrzehnte entstellt. „Vielerorts waren Siedlungen gewachsen, ohne Rücksicht auf Ästhetik der Straßenzüge oder des Straßenverlaufs“, schreibt Stadtarchivleiter Mörz. Seine Pläne und die neue Bauordnung sollten Ordnung schaffen im "zusammengewürfelten Häuserbestand".
Sternlieb drängte auf Ausbau der Bauberatung. Mit dem Stellenausbau konnten Bauanträge privater Bauherren gründlich geprüft werden. Die Planung durch private Architekten wurde Pflicht, selbst bei einfachen Anbauten.
Kaum ein anderer Architekt prägte den Süden und Friesenheim so sehr wie Sternlieb. Allerdings machte er wie alle Architekten seiner Zeit eine schnelle Stilentwicklung durch. Diese führt ihn zum Jugendstil und später zum neuen Bauen, der klassischen Moderne. Die französisch inspirierten Bebauungen der Wittelsbachstraße, an der schräg-symmetrischen Straßenführung in Richtung der großen Alleen erkennbar, führt bis heute weit in die Parkinsel hinein. Nicht viele deutsche Städte haben ein so großes city-nahes Quartier im Stil der Beaux Arts, in dem 80 Prozent des Altbestands im Kriegs erhalten blieb. jg
Weitere Informationen:
Mit dem Namen Markus Sternlieb verbindet sich eine der prägendsten Phasen der Ludwigshafener Baugeschichte. Der Planer machte wie viele Architekten einen bewegten Stilwandel durch, der die schnellen gesellschaftlichen Umbrüche der Zeit widerspiegelt. Die Wobla-Serie führt auf den Spuren Sternliebs durchs Stadtgebiet.
- Das Straßenbahndepot mit dem Verwaltungsgebäude im Neobarock und der Wagenhalle
- Foto: Brigitte Melder
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- Das Franzosenhaus
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Autor:Julia Glöckner aus Ludwigshafen |
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