Asternweg: Hoffnung für Familie Kallenbach in der Biebermühle
- Vom Asternweg in die Biebermühle: Anthony (links), Jamie und ihre Mutter Steffi Kallenbach planen die nächsten Schritte für den Umzug
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Kaiserslautern/Donsieders. "Asternweg – Eine Straße ohne Ausweg" titelte 2015 der Fernsehsender VOX seine Dokumentation über den sozialen Brennpunkt in Kaiserslautern. Familie Kallenbach gehörte damals und auch in der kürzlich ausgestrahlten Fortsetzung zu den Hauptprotagonisten. Für Mutter Steffi und ihre sechs Kinder hat sich ein Ausweg aufgetan: raus aus dem Asternweg, hinein in ein neues Zuhause.
Von Monika Klein
Umzugskisten, Tüten und Taschen, Krimskrams und an der Wand lehnen Bretter, die noch zu Betten und Schränken zusammengebaut werden müssen. Wenn sich Steffi Kallenbach in ihrem neuen Zuhause umschaut, wirkt sie fast verloren. Aus den nicht einmal 60 Quadratmetern im Asternweg sind rund 280 Quadratmeter Wohnfläche geworden, unterteilt in acht Zimmer. Hinzu kommen eine große Terrasse und ein parkähnlicher Garten mit circa 11.000 Quadratmetern. "Uns allen geht es hier besser", sagt die 37-jährige Witwe.
- Blick vom oberen Stockwerk aus auf die Terrasse und den parkähnlichen Garten
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Welsh-Schied ist Wegbereiterin
Dass sich dieser Neuanfang überhaupt aufgetan hat, ist Katharina Welsh-Schied zu verdanken. Die Vorsitzende des Asternweg-Vereins ist Macherin, Anpackerin, Kümmerin, Wegbereiterin. Über ihre Kontakte hat sie das Haus in der Biebermühle 7 bei Donsieders (Kreis Südwestpfalz) für die Kallenbachs gefunden. Auf eine Besichtigung im Juni folgte der Mietvertrag ab September. Seitdem steht auch die Wohnung im Asternweg leer, Welsh-Schied hat der Familie ein vorübergehendes Domizil in einem Haus in Clausen (Verbandsgemeinde Rodalben) zur Verfügung gestellt.
- Katharina Welsh-Schied kennt die Kallenbachs seit Jahren und zieht an allen Strängen, um die Familie voranzubringen
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"Der Vermieter verzichtet auf einen Teil des Mietzins', um der Familie eine faire Chance zu geben", erzählt sie. Sie selbst schießt die Aufwandsentschädigung, die sie als Selbstständige für die Begleitung der TV-Dokumentation bekommen hat, nach Abzug der Steuern zu. Dann gibt es noch einen anonymen Spender.
Die Wohnung im Asternweg ist leer
Ganz angekommen ist die Familie noch nicht. Am Sonntag, 16. November 2025, erfolgt der finale Umzug. Couch, Fernseher, Kleidung, Kleinmöbel, Werkzeug und das Bett von Alina (17) müssen noch ins neue Zuhause gebracht werden. Die dortige Einrichtung setzt sich aus Mobiliar zusammen, das entweder schon im Haus vorhanden war oder von Spenden aus Welsh-Schieds Netzwerk von Hilfsvereinen stammt. Die Wohnung im Asternweg ist längst ausgeräumt. "Wir konnten fast nichts mitnehmen", meint Kallenbach.
Schlichtwohnung, das bedeutete für Familie Kallenbach menschenunwürdiges Wohnen und erdrückende Raumverhältnisse. Dagegen bietet das Haus in der Biebermühle ein Zimmer für jedes Kind, zwei Bäder, Privatsphäre und Raum für Rückzug. Für die sechsfache Mutter eine Entwicklung, die sie nach zig Absagen bei der Wohnungssuche kaum noch für möglich gehalten hatte. "Als wir die Zusage bekommen haben, waren wir richtig froh und stolz. Wir haben durchs ganze Haus im Asternweg gekrischen."
Anthony findet seinen Weg
Dabei ist noch nicht alles fertig. Gerade erst ist ein Ersatzteil für die Heizung geliefert und eingebaut worden, jetzt müssen noch kleine Installationsarbeiten in den Bädern erledigt und die Küchenmöbel in der Höhe angepasst werden. Anthony, Steffi Kallenbachs ältester Sohn, läuft voller Schwung mit dem Schraubendreher in der Hand vom Wohnzimmer in die Küche und wieder zurück. Er tauscht Lichtschalter aus, baut Steckdosen ein und montiert Lampen.
- Anthony ist dem Abwärtssog des sozialen Brennpunkts entkommen und schmiedet Zukunftspläne
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Mit seinen 20 Jahren hat er keine Ausbildung, war schon in Haft und ist auf Bewährung draußen, dazu kommt seine Drogensucht. Doch jetzt sieht er für sich eine Perspektive und schmiedet Zukunftspläne. "Ich will mich später mit einem Hausmeisterservice selbstständig machen. Ich will alle Arbeiten rund ums Haus anbieten, auch Gartenarbeit und Winterdienst. Unten im Haus richte ich mir ein Lager und ein Büro ein", hat er schon ganz konkrete Vorstellungen. Bis es soweit ist, will er handwerkliche Erfahrungen sammeln. Stolz ist er darauf, dass er in Welsh-Schieds Reinigungs- und Abbruchfirma als Subunternehmer mit anpackt und am Folgetag einem Dachdecker zur Hand geht.
Asternweg-Zeit ist vorbei
Anthony ist klar, dass dieser Umzug eine Chance bietet, die er vielleicht nie wieder bekommt. Er ist der Perspektivlosigkeit und dem Stillstand des sozialen Brennpunkts und damit auch der Resignation entkommen. Den Kontakt zu der kriminellen Szene habe er ganz abgebrochen, wie er sagt, auch fast völlig zu den anderen Asternweg-Bewohnern. "Ab und an kiffe ich mal, aber von dem anderen Scheißdreck bin ich weg", sagt er mit entschlossener Stimme über harte Drogen. Auf ihn kommt eine gesetzlich angeordnete Entgiftung ab dem ersten Dezember zu. Vorbild möchte er für seine Geschwister sein. "Auf jeden Fall."
Für seine Mutter hat sich ebenfalls einiges geändert. Auch sie hat den Kontakt zu den Asternweg-Bewohnern abgebrochen. "In Lautern gibt es nichts mehr, was uns hält." Ihr ist klar, dass dieser Umzug eine Chance darstellt, die sie nutzen will. Durch die Fernsehreihe hat sie eine gewisse Bekanntheit erlangt und wird auch von Fremden angesprochen. Druck, es schaffen zu müssen, oder Befürchtungen zu scheitern, verspürt sie nicht. "Das ist alles ganz okay für mich", meint sie.
Neuer Alltag für Steffi Kallenbach
Stundenweise putzt sie jetzt als Subunternehmerin für Welsh-Schied. "Damit sie wieder den Weg ins Arbeitsleben findet", erläutert ihre Unterstützerin, die aus einer gut gestellten Akademikerfamilie stammt, aber ausgeschert sei. Sie weiß, dass der Tod von Steffi Kallenbachs Eltern und ihrem Mann Helmut vor drei Jahren Lücken hinterlassen hat und Steffi Kallenbach mehr Verantwortung übernehmen muss.
- Für Steffi Kallenbach und ihre Familie beginnt ein komplett neues Leben
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"Wenn man eine harte Zeit gehabt und sich herausgearbeitet hat, wird man stolz und stark", spricht sie aus eigener Erfahrung. Noch unterstützt sie im Umgang mit Behörden und bei der Organisation im Alltag. Sie sieht sich als Trainerin, Lehrerin oder Coachin. Für sie steht fest: "Der beste Lehrer ist der, der sich selbst unnötig macht." Deswegen wird sie ihre Hilfe nach und nach auslaufen lassen. Ein Jahr gibt sie den Kallenbachs Zeit, auf eigenen Beinen zu stehen. Zweifel, dass das gelingt, hat sie nicht. "Die packen das."
Ein Schatten über der Familie
An diesem Nachmittag kann Kallenbach im Haus wenig voranbringen. Der 13-jährige Jamie ist da, der auch weiterhin die Fritz-Walter-Förderschule in Kaiserslautern besucht. Jeremy (15) und Alina sind noch unterwegs. Die 17-jährige Tochter strebt nach wie vor eine Ausbildung zur Friseurin an und möchte demnächst mit dem Führerschein beginnen. Die beiden jüngsten Kinder, Emilie (10) und Julia (11), fehlen schmerzlich. Sie wurden vom Jugendamt in verschiedenen Wohngruppen untergebracht.
- Steffi Kallenbach steht in dem Zimmer, das Julia beziehen kann. Die Mutter wünscht sich nichts mehr, als dass ihre beiden Töchter zu ihr zurück dürfen
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Diese Tatsache liegt wie ein dunkler Schatten auf der Mutter. Alle 14 Tage darf sie ihre Töchter an den Wochenenden besuchen – jedes Mal ist der Abschied für beide Seiten mit Tränen verbunden. Den beiden Mädchen hat sie schon Fotos von ihren neuen Zimmern gezeigt, eine Voraussetzung dafür, dass sie zurückkehren können. Voller Hoffnung schaut sie jetzt auf die Adventszeit und auf Weihnachten. "Mein allergrößter Wunsch ist, dass Emilie und Julia so bald wie möglich wieder bei uns sind."
Autor:Monika Klein aus Kaiserslautern |
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