BriMel unterwegs
Interessanter Interplast-Fotovortrag „Narkosen in Afrika“

- Claudia Bethge und Frau Dr. Kerstin Röhm
- Foto: Brigitte Melder
- hochgeladen von Brigitte Melder
Ludwigshafen. Am Abend des 5. Juni fand im Seminarraum der neuen Kinderklinik vom Sankt Marienkrankenhauses ein sehr interessanter Foto- und Filmvortrag vom Interplast Germany e.V. (gemeinnütziger Verein für Plastische Chirurgie in Entwicklungsländern) zum Thema „Narkosen in Afrika“ statt.
Es wurde eine sehr interessante Stunde, in der die vielfältigen Einsätze in den Interplast-Camps sehr charmant von Frau Dr. Kerstin Röhm (Interplast-Sektionsleitung KURPFALZ) gezeigt wurden. Sie stellte sich als Narkoseärztin aus dem Sankt Marienkrankenhaus vor und erzählte, dass in Afrika andere Voraussetzungen wären und man einen Plan B und C brauche sowohl für Narkosen als auch Operationen: Fehlende Infrastruktur, Material- und Medikamentenmangel, OP-Tische und Licht, Elektrizität und fließendes Wasser, Improvisation.
Wie kam man zu dem Camp? Durch einen Tipp von einer Oberärztin aus Karlsruhe. Es gibt Arbeitscamps, an denen man für zwei bis vier Wochen teilnehmen kann. Bis es zustande kam dauerte es 2 Jahre. Sie sind bereits seit 10 Jahren am Viktoriasee in Uganda. Sie zeigte anhand von Fotos, wie mit der Hygiene dort umgegangen wird, wie zum Beispiel Ärztekittel einfach zum Trocknen über einen Zaun gehängt werden. Sie wurden zuvor eingeweicht und von Hand gewaschen. Waschmaschine paradox, wenn der Stromausfall dann den Vorgang unterbricht oder der Wasserdruck zu gering ist. Auch der Sterilisator hat zu wenig Strom, muss aber für die OP steril sein. Man braucht schon eine gewisse Robustheit, wenn man bedenkt wie keimfrei es bei uns in Deutschland zugeht. Bei 35 °C ist keine richtige Hygiene möglich.
Der Verein wurde 1980 gegründet und hat über 2347 Mitglieder mit einem großen Anteil von Ärzten und Pflegekräften, die das Projekt unterstützen. 77 Einsätze hatten sie im Jahr 2024 und die Finanzierung erfolgt ausschließlich über Spendengelder. Die Sektion Kurpfalz wurde im März 2024 unter der Leitung von Frau Dr. Röhm als Teilsektion neu gegründet. Welche Länder sie „bedienen“ ersehen Sie aus dem anhängenden Foto.
Sie befinden sich bereits in der heißen Phase für den nächsten Einsatz in 3 Wochen nach Malawi. Mua liegt in einer sehr armen und abgelegenen Region östlich von der Hauptstadt Lilongwe in Zentral-Malawi. Am Krankenhaus Mua Mission Hospital mit ca. 140 Betten gibt es zwei OP-Säle, allerdings fehlt es an allem, vor allem an Monitoren und Medikamenten, aber auch gut ausgebildeten Ärzten, um routinemäßig Operationen dort durchzuführen. Über die Stiftung Marietta & Cäcilie Stiftung (www.mcstiftung.de) wurden Kontakte zu Interplast aufgenommen und bisher in drei Einsätzen viele Kindern und Frauen allgemein- und plastisch-chirurgisch vor Ort operiert und eine vielversprechende Kooperation begonnen.
Durch die fehlende Infrastruktur findet das Leben weitgehend draußen statt. Im Wartebereich müssen die teils von weither angereisten Patientinnen und Patienten oft stundenlang warten bis sie operiert werden. Alle Operationen über 12 bis 14 Stunden finden in einem Raum statt, also eine Operation nach der anderen. Vor drei Jahren wurde eine Photovoltaik-Anlage aufs Dach gebaut. Aber sie sind auch in Gebieten, wo es keine Elektrizität gibt. Sie haben ein großes Problem mit der Sauerstoffzufuhr und man braucht immer eine Reserveflasche in der Anästhesie.
Auf dem Klinikgelände befinden sich auch Tiere wie Kühe und Ziegen. Die Kinder haben zwar Schulpflicht, aber nur 25 % besuchen sie. Auch haben sie regelmäßig Kinder im OP-Raum, die mit ihren Müttern kommen und sogar auf den Rücken gebunden werden. Die Schwestern machen nach 2 Jahren Ausbildung schon selbst Narkosen.
Welche Patienten operieren sie? Zu Beginn werden die Patienten je nach Krankheit in Gruppen aufgeteilt: Operabilität und Durchführbarkeit, Unterernährung, Malaria, HIV, unbekannte Vorerkrankungen und begrenzte Diagnostik (Labor, Röntgen). Verschiedene Patientenbilder wurden gezeigt, teils mit Körperverbrennungen, die durch plastische Operationen so weit wieder hergestellt wurden, dass die verbrannten deformierten Gliedmaßen wieder benutzt werden konnten. Auch ein sechster Finger und ein Kropf mit 850 Gramm Gewicht wurden operativ entfernt. Insgesamt gibt es viele Menschen mit Jodmangel und Kinder mit Unterernährung. Eine Chemotherapie ist nur in den Städten möglich. Pathologie und Todesursache: Es gibt in der Regel keine Pathologie zum Einschicken von Gewebeproben, damit die Tumoren auch bekannt sind. Gott sei Dank hatten sie bisher keine Todesfälle im Camp. In einer interdisziplinären Zusammenarbeit versucht man Teaching & Ausbildung, Patientenselektion und Nachsorgeprobleme in den Griff zu bekommen.
Was können wir bewirken? Sie sind ja nicht ständig dort und regen eine Ausbildung am Ort an. Das Problem ist auch das Abfallmanagement. So verrosten Haltern und Klemmen und kaputte OP-Tische stehen dann als Ablageort herum. Sie schauen, dass die Verpackung der OP-Instrumente sogleich in Sammelbehälter und nicht in die Umwelt kommen. Sie haben keine Möglichkeit solche Sachen zu entsorgen.
Es ist rührend, wenn die behandelten Menschen aus Dankbarkeit den Medizinern dann eine Kuh oder ein Huhn schenken wollen. Das Abendessen läuft also praktisch ums Haus und es ist eine Situation, die sie aus ihrem Alltag nicht kennen. Dieses tolle Team versucht, die vorhandenen Ressourcen zu nutzen, um Kranke zu operieren.
Fragen aus dem Publikum folgten: Wie unterhalten Sie sich dort? Entweder mit Dolmetscher oder auf Englisch. Natürlich gibt es hier einen hohen Anteil an Analphabeten. Aber ein großes Vertrauen der Menschen ist da und eine Chance operiert zu werden. Alle Medikamente, die zur nächsten Reise mitgenommen werden, kommen aus Schenkungen oder müssen selbst gekauft werden. Bevor es los geht muss eine Einkaufsliste gemacht werden und die ist lang, denn vor Ort bekommt man ja so gut wie nichts. Frau Dr. Röhm bedankte sich für das Interesse an der Veranstaltung und lud zu einem Glas Sekt oder anderen Getränken ein. Gerne konnte man auch hinterher mit ihr oder der langjährigen Mitarbeiterin Claudia Bethge als Intensiv- und Anästhesiefachschwester ins Gespräch kommen.
Spendenkonto: Sparkasse Vorderpfalz, IBAN: DE84 5455 0010 0194 2408 00
(mel)
Autor:Brigitte Melder aus Böhl-Iggelheim |
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