Baden-Württembergs Fußballverbände zum Thema Mikroplastik
Statement in Sachen Kunstrasenplätze

Foto: sferrario1968/pixabay.com
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Karlsruhe/Freiburg/Stuttgart. Die baden-württembergischen Fußballverbände setzen sich in der aktuellen Diskussion rund um das Thema Mikroplastik in Kunstrasenspielfeldern klar für die Belange der 3.081 Fußballvereine des Landes und deren gut eine Million Mitglieder ein. Im Dialog mit Politik, Wissenschaft und Wirtschaft fordern wir eine fundierte Aufarbeitung der aktuellen Situation sowie Bestandsschutz und angemessene Übergangsregelungen für die rund 700 sich bereits im Betrieb befindenden baden-württembergischen Kunstrasenplätze, die von einem möglichen Verbot von Plastik-Einstreumaterial betroffen sein könnten.

Nach einem Vorschlag der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA), der im März 2019 bei der Europäischen Kommission vorgelegt wurde, soll die Verwendung von Produkten, denen bewusst Mikroplastik zugesetzt wird, deutlich eingeschränkt werden. Insbesondere empfiehlt die ECHA, künftig Kunststoffgranulate zur Verwendung in Kunststoffrasensystemen zu verbieten. Dies würde in Deutschland rund 5.000 Kunstrasenplätze betreffen, die mit dem entsprechenden Granulat befüllt sind.

Die Regierungsfraktionen von GRÜNE und CDU haben daraufhin mit einer Mehrheit im Umweltausschuss beschlossen, dass es keine Zuschüsse des Landes mehr für mit Kunststoffgranulat verfüllte Kunstrasenplätze geben soll. „Faktisch bedeutet dies, dass im Moment keine neuen Bauprojekte in Angriff genommen werden können. Das hat zu Verunsicherung und Unverständnis bei uns und unseren Fußballvereinen geführt, zumal es derzeit keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse zum tatsächlichen Austrag bei Kunstrasenplätzen der neuesten Generation mit optionalen Rückhaltesystemen gibt“, betont Ronny Zimmermann, Präsident des Badischen Fußballverbandes. Darüber hinaus hat im Rahmen der Entscheidung offensichtlich nicht hinreichend Berücksichtigung gefunden, welche gesellschaftliche Bedeutung der Breitensport hat. „Wir hätten uns hier eine frühere Einbindung in die Diskussion gewünscht, um darlegen zu können, dass neben Aspekten des Umwelt- und Gesundheitsschutzes auch die konkreten Folgen für das Vereinsleben berücksichtigt werden müssen. Vereine brauchen hier Sicherheit, mindestens für vorgesehene Nutzungsdauer der Plätze von rund 15 Jahren, unabhängig von einer Übergansfrist“, so Thomas Schmidt, Präsident des Südbadischen Fußballverbandes. Insbesondere im verdichteten städtischen Raum sowie in den Hochlagen des Schwarzwalds und der Schwäbischen Alb sind Kunstrasenplätzen alternativlos, um regelmäßig und ganzjährig Fußball spielen zu können.

Hinzu kommt, dass sich die bisherigen Studien teilweise auf falsche Annahmen stützen, jedenfalls soweit das Land Baden-Württemberg betroffen ist. „Dass Umweltbelastungen durch Sportstätten auf ein Mindestmaß reduziert werden müssen, ist auch ein Anliegen der Fußball-verbände. Die Belastung durch Mikroplastik wird im Zusammenhang mit dem Sport jedoch völlig überproportional dargestellt“, sagt Matthias Schöck, Präsident des Württembergischen Fußballverbandes. Die Studie des Fraunhofer Instituts zu Mikroplastik unterstellt, dass jährlich in Deutschland 8.000 bis 11.000 Tonnen Granulat von Kunstrasenplätzen in die Umwelt ausgetragen werden. Inzwischen räumt Fraunhofer aber ein, dass die Zahlen auf Schätzungen und Annahmen beruhen, die nicht die in Deutschland gültigen Normen und Bauarten zugrunde legen und man deshalb eine neue Studie in Angriff nimmt. Der Marktführer in Sachen Kunstrasen Polytan geht von etwa einem Zehntel der publizierten Mengen aus und kann diese durch Erfahrungen aus der Praxis belegen. Die entsprechende Einschätzung wird auch vom Sportamt der Landeshauptstadt Stuttgart geteilt. Dort gibt es Erfahrungswerte, wonach die Nachfüllmenge an Kunststoffgranulat ca. 30-40 Kg pro Platz und Jahr beträgt.

Die Fußballverbände werden sich auch weiterhin konstruktiv an der Aufarbeitung der Fakten sowie an der Diskussion beteiligen sowie sich für umweltorientierte Lösungen einsetzen, die weder den Fußballbetrieb beeinträchtigen noch die Vereine in Baden-Württemberg finanziell überfordern. Aktuell ist aber auch festzuhalten, dass die diskutierten Alternativen – z.B. in Form von kork-, sand- oder unverfüllten Kunstrasenplätzen – bisher nicht ausreichend erprobt sind. Weder gibt es gesicherte Erkenntnisse darüber, ob diese tatsächlich umweltschonender sind, noch ist hinreichend untersucht, wie sich diese auf die Gesundheit der Spieler auswirken.

FAQ Mikroplastik, Quelle: DFB
Die angedachte Mikroplastik-Einschränkung in der EU beschäftigt den DFB und zahlreiche
Amateurvereine, die mit ihren Kunstrasenplätzen betroffen sein könnten. Wie sieht der
aktuelle Stand aus? Was wären mögliche Auswirkungen? Was müssen Vereine jetzt wissen
und beachten? Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema.

Um was geht es genau?
Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) mit Sitz in Helsinki prüft im Auftrag der EUKommission,
ob die Verwendung von bestimmten Füllmaterialien aus Kunststoff auf
Kunststoffrasenplätzen eingeschränkt oder verboten werden soll, um die Abgabe von
Mikroplastik in die Umwelt zu reduzieren. Dazu gehört das häufig verwendete
Kunststoffgranulat. Es besteht bei der ECHA die Befürchtung, dass die Füllmaterialien
ausgetragen werden und dadurch über den Boden, das Grundwasser und die Kanalisation
in die Nahrungskette gelangen. Wichtig: Es geht keineswegs um ein generelles Verbot von
Kunstrasenspielfeldern, sondern ausschließlich um das Befüllmaterial mit Bestandteilen
aus Mikroplastik. Die Europäische Kommission hat dies in einer Mitteilung noch einmal
ausdrücklich betont.

Welche Probleme ergeben sich daraus für den Fußball und seine Vereine?
Auf vielen Kunstrasenplätzen in Deutschland werden verschiedene Arten von
kunststoffbasierten Füllmaterialien verwendet. Sollte deren Nutzung verboten werden,
müsste das Füllmaterial auf den betroffenen Plätzen ausgetauscht werden, um das
Spielfeld weiter nutzen zu können. Der Austausch des Füllmaterials verursacht nicht
unerhebliche Kosten, bundesweit würde mit Austauschkosten von vielen Millionen Euro
gerechnet. Die meisten Vereine und auch viele Kommunen könnten die erforderlichen
Kosten für den Austausch des Materials kurzfristig nicht tragen. Außerdem weist die
Industrie darauf hin, dass in manchen Fällen ein Austausch nicht ohne Qualitätsverlust
möglich ist. Zudem könnten kurzfristig ggf. Lieferengpässe entstehen.

Wie ist der aktuelle Stand, ist das alles schon sicher?
Zurzeit läuft das öffentliche Konsultationsverfahren der ECHA. Der DOSB, die UEFA, der
DFB, die meisten Fußball-Landesverbände und viele politische Institutionen haben
gegenüber der ECHA bereits darauf hingewiesen, welche negativen Auswirkungen ein
kurzfristiges Verbot der Nutzung von Füllmaterialien aus Kunststoff für das Training und
den Spielbetrieb hätte. Viele hunderttausend Sportler und Sportlerinnen, vor allem Kinder
und Jugendliche, wären betroffen. Daher fordert der DFB in der Diskussion einen klaren
Blick auf die Belange des Sports und dessen gesellschaftspolitische Wichtigkeit. Außerdem
ist der DFB bestrebt, der ECHA durch valides Datenmaterial nachzuweisen, dass der
jährliche Austrag von Mikroplastik auf Kunstrasenplätzen in Deutschland erheblich geringer
ist als bisher angenommen. Die öffentliche Anhörung endet am 20. September 2019.
Danach wird die ECHA sich eine abschließende Meinung bilden. Das Ergebnis ist noch
völlig offen.

Wie sieht der weitere Zeitplan aus?
Nach Abschluss der Anhörungsphase am 20. September 2019 wird sich die ECHA mit der
Thematik weiter befassen, in verschiedenen Ausschüssen ihre eigenen Erkenntnisse mit
den Stellungnahmen der einzelnen EU-Mitgliedsländer sowie der verschiedenen Industrieund
Sportverbände abgleichen und mögliche Folgen eines Verbots diskutieren. Die ECHA
hat hierbei gesellschaftliche, ökonomische und umweltpolitische Aspekte gleichermaßen
zu berücksichtigen. Es wird davon ausgegangen, dass die ECHA in den ersten Monaten des
Jahres 2020 der EU-Kommission das Ergebnis ihrer Untersuchungen vorlegt und einen
Entscheidungsvorschlag unterbreitet. Wie die EU-Kommission damit verfährt, ist aktuell
nicht absehbar.

Welche Haltung hat der DFB?
Als Mitglied einer vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) geleiteten
Arbeitsgruppe mit Mitgliedern aus Sportverbänden und der Wissenschaft bekennt sich der
DFB dazu, dass Sportanlagen möglichst umweltfreundlich betrieben werden. Er sieht daher
langfristig die Aufgabe, die heute noch genutzten Füllmaterialien aus Kunststoff durch
andere Produkte zu ersetzen oder Füllmaterialien gänzlich überflüssig zu machen. Hier ist
die Industrie gefordert.

Ein Verzicht auf Kunstrasenplätze ist für den DFB keine Lösung. Im Vergleich mit
Naturrasenspielfeldern bieten Kunstrasenplätze deutlich umfangreichere
Nutzungsmöglichkeiten. Ohne Kunstrasenplätze könnte vor allem in größeren Städten und
Gemeinden kein annähernd ausreichendes Fußballangebot gewährleistet werden.
Nicht akzeptabel wäre, wenn durch ein kurzfristiges Verbot der geregelte Trainings- und
Spielbetrieb vielerorts gefährdet wäre. Aus Sicht des DFB muss ein langfristig angelegter
Übergang geschaffen werden. Der Sportbetrieb sowie die wirtschaftliche Situation der
betroffenen Vereine sind bestmöglich zu berücksichtigen. Dazu gehören ein
Bestandsschutz und umfassende Übergangsregelungen für im Betrieb befindliche Plätze,
die vom möglichen Verbot von Plastik-Einstreumaterial betroffen wären. Eine möglichst
kostenneutrale Lösung für die Vereine und Kommunen wäre zu gewährleisten.
Beim Neubau von Plätzen sollte auf kunststoffbasierte Füllstoffe verzichtet werden. Im
Dialog mit den Kunststoffrasen-Herstellern sind die jeweils besten Alternativen
herauszuarbeiten. Sollte sich der Bau eines Kunststoffrasenplatzes dadurch verteuern,
wären durch die öffentliche Hand entsprechend zusätzliche Mittel bereitzustellen.

Autor:

Jo Wagner

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