„Die Kammgarn wird es, so wie wir sie kennen, frühestens 2021 wieder geben“
Kulturschaffende und die Folgen von Corona

Seit dem 15. März sind Richard Müller und sein Kammgarn-Team zur kulturellen Untätigkeit verdammt. Ein Ende ist noch nicht abzusehen. | Foto: Ralf Vester
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  • Seit dem 15. März sind Richard Müller und sein Kammgarn-Team zur kulturellen Untätigkeit verdammt. Ein Ende ist noch nicht abzusehen.
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Kultur.Es hätte alles so schön sein können. Das Jahr 2020 hatte für das Kulturzentrum Kammgarn vielversprechend begonnen. Die Besucherzahlen der ersten Monate und die weiteren Ticketverkäufe waren mehr als zufriedenstellend. Das Team um Richard Müller hatte ein mit diversen Highlights gespicktes Programm auf die Beine gestellt. Auch das legendäre Internationale Jazzfestival im August versprach, ein besonderer Leckerbissen zu werden. Eigentlich rosige Aussichten und ein bestens angerichteter Tisch.

von Ralf Vester

Doch Mitte März, bedingt durch Corona, die jähe Vollbremsung von hundert auf null. Am 15. März ging die letzte Veranstaltung über die Bühne. „Die Kammgarn wird es, so wie wir sie kennen, frühestens 2021 wieder geben. Wir haben bereits mehr als 60 Veranstaltungen ins nächste Jahr verlegt“, berichtet Richard Müller. Sofern es 2020 nicht noch ungewöhnlich schnell einen Impfstoff gegen das Virus gebe, seien maximal kleine, feine und eher regionale Events möglich. Ein noch nicht mal mit einem Drittel der maximal möglichen 500 Stühle bestücktes Casino rechne sich weder für die Kammgarn noch für die Künstler. Zumal man dem Gebot der Rechenbarkeit extrem verpflichtet sei.

„Aber um wenigstens die angehen zu können, bräuchte es endlich mal klare Ansagen seitens der Regierung, wie Großveranstaltungen zu definieren sind. Wir hängen noch immer vollkommen in der Luft und können keinerlei Konzepte entwickeln. Am besten wäre eine bundesweit einheitliche Definition, damit ließe sich arbeiten“, fordert Müller. Er will das keineswegs als Generalkritik an der Politik verstanden wissen, denn er sieht durchaus auch positive Ansätze wie den 6-Punkte-Plan oder die Projektförderung, die Bestandteile der jüngsten „Kulturoffensive“ der Landesregierung sind.

„Wir Kulturschaffenden wollen keine Extrawürste, sondern nur wie andere Branchen auch behandelt werden, denen bereits Lockerungen gewährt wurden. Wir haben ein schlechtes Standing und keine Lobby“, stellt Müller, dessen Vertrag als Geschäftsführer im April um fünf weitere Jahre verlängert wurde, fest. Den Solokünstlern, die nicht in der Künstlersozialkasse (KSK) organisiert seien, drohe der Marsch Richtung Hartz IV. Rheinland-Pfalz habe nicht die Möglichkeiten wie das finanzstarke Bayern und Baden-Württemberg. Von den 1.000 bzw. 1.180 Euro Grundsicherung, mit denen dort den freien Kulturschaffenden für die Dauer der Krise monatlich geholfen wird, könne man in unseren Gefilden nur träumen.

„Als größere Institution werden wir die Corona-Krise überleben, auch wenn es hart wird. Aber die kleinen Veranstalter und Clubs, die zudem Gastronomie anbieten, bekommen extreme Probleme“, sorgt sich der Kammgarn-Frontmann um die kulturelle Vielfalt der Stadt und sieht nicht nur das eigene Los. Freilich wurden auch im Kulturzentrum die Betriebskosten bestmöglich reduziert. Alle festangestellten Mitarbeiter sind in Kurzarbeit, die Miete wurde in Absprache mit der Stadt ausgesetzt. Die zahlreichen Minijobber, die zum Beispiel im Ticketing oder in der Gastronomie zum Einsatz kommen, sind fürs Erste freigestellt.

Derweil ist man in der Kammgarn alles andere als untätig. Das Zur-Verfügung-Stellen der Räumlichkeiten für Blutspendeaktionen oder Aufsichtsratssitzungen spielt kleinere Beträge ein. Die Schreinerei wird derzeit renoviert und soll schon bald als gediegenes Ambiente für Ausstellungen dienen. Hinzu kommt die jährliche Rundum-Renovierung des Hauses. Auch über den Möglichkeiten des Innenhofs im Hinblick auf Außengastronomie kreisen die Gedanken.

Sollten die Beschränkungen in puncto Abstandsgebot und Kontaktsperre irgendwann wieder im größeren Stil zurückgefahren und im Optimalfall gänzlich aufgehoben werden, schätzt Richard Müller die Vorlaufzeit auf „zwei bis drei Monate“, um „ein hochkarätiges Programm“ auf die Beine stellen zu können. Dass der Veranstaltungsmarkt nach der Corona-Krise besonders hart umkämpft sein wird, liegt auf der Hand. Aber die Kammgarn ist seit langen Jahren nicht nur für Besucher, sondern auch für renommierte Künstler aus dem In- und Ausland ein echter Magnet. Es bleibt für die kleinen und großen Veranstalter sowie für die Künstler zu hoffen, dass die Politik ihnen bald klare Perspektiven aufzeigt und Regelungen an die Hand gibt, damit sie die Menschen möglichst bald wieder live begeistern können.

Autor:

Ralf Vester aus Kaiserslautern

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