Zeugnisse: „Eine schlechte Note ist keinesfalls das Ende der Welt“

- Dorothea May arbeitet als Schulseelsorgerin in Ramstein-Miesenbach
- Foto: Dorothea May/privat
- hochgeladen von Cornelia Bauer
Speyer. Am Freitag, 4. Juli, endet das Schuljahr in Rheinland-Pfalz und im Saarland, und es gibt Zeugnisse. Für viele Schülerinnen und Schüler, ihre Eltern und Angehörigen, ist das ein schwieriges Thema. Im Interview gibt Dorothea May, Schulseelsorgerin, Tipps für den richtigen Umgang mit schlechten Noten und Unsicherheiten.
Dorothea May arbeitet am Reichswald-Gymnasium Ramstein-Miesenbach als Lehrerin für Naturwissenschaften, Biologie und katholische Religion sowie im Bereich der Schulseelsorge. Die Schulseelsorge am Reichswald-Gymnasium versucht im Schulalltag Räume für ein klassen- und stufenübergreifendes Miteinander, gegenseitige Wertschätzung und persönliche Reflexion zu schaffen und damit einen Beitrag für eine menschliche und wertschätzende Schulkultur zu leisten.
???: Kommen Schülerinnen und Schüler wegen Sorgen rund um schlechte Noten zu Ihnen? Wenn ja, wie gehen Sie damit um?
Dorothea May: Ja, es kommt durchaus vor, dass Schülerinnen und Schüler wegen schlechter Noten zu mir kommen. Für viele ist das eine belastende Erfahrung, die Unsicherheit oder sogar Angst auslösen kann. Wenn jemand zu mir kommt, höre ich ihm oder ihr zunächst aufmerksam zu, um genau zu verstehen, worin die Sorgen liegen. Es ist mir wichtig, den Kindern und Jugendlichen das Gefühl zu geben, dass ihnen jemand zuhört, sie mit ihren Problemen nicht allein sind und dass es Wege gibt, ihre Situation zu verbessern.
Gemeinsam sprechen wir darüber, worin die Ursachen für die schlechten Noten bestehen könnten, denn oft sind die Noten nur das Symptom eines tiefergehenden Problems, wie zum Beispiel Lernschwierigkeiten oder Motivationsprobleme. Zudem versuche ich, den Schülerinnen und Schülern Mut zu machen, nicht aufzugeben und sich auf ihre Stärken, Talente und die individuelle Entwicklung zu konzentrieren. Mir ist es außerdem sehr wichtig zu vermitteln, dass eine schlechte Note keinesfalls das Ende der Welt ist. Noten sind nur ein kleiner Teil dessen, was einen Menschen ausmacht, und spiegeln nicht die gesamte Persönlichkeit, die Fähigkeiten oder das Potenzial eines Kindes oder Jugendlichen wider. Jeder Mensch ist viel mehr als seine Noten. Fehler und Rückschläge gehören außerdem zum Lernen dazu und bieten die Chance, daraus zu wachsen und sich weiterzuentwickeln.
???: Was raten Sie Eltern – Wie sollen sie sich verhalten, wenn ihr Kind ein schlechtes Zeugnis mit nach Hause bringt?
May: Ich empfehle den Eltern, ruhig und verständnisvoll zu bleiben. Es ist zwar nachvollziehbar, dass sie sich Sorgen machen, aber Vorwürfe oder Druck können die Situation verschärfen und das Selbstvertrauen des Kindes schwächen. Stattdessen ist es hilfreich, das Gespräch mit dem Kind offen und unterstützend zu führen. Eltern sollten versuchen, die Gefühle ihres Kindes ernst zu nehmen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen.
Es ist wichtig, das Kind zu ermutigen und ihm zu zeigen, dass sie an seiner Seite stehen. Ziel sollte dabei sein, das Selbstvertrauen des Kindes wieder aufzubauen und ihm zu vermitteln, dass eine schlechte Note nicht seine gesamte Zukunft bestimmt. Letztendlich geht es darum, gemeinsam an Lösungen, wie beispielsweise Nachhilfe oder Lernhilfen, zu arbeiten und das Kind in seinem Bemühen zu bestärken.
???: Wohin können sich die Schülerinnen und Schüler (außer an Sie) wenden, wenn sie wegen schlechter Noten oder ihres schlechten Zeugnisses Redebedarf haben?
May: Neben mir können sich die Schülerinnen und Schüler auch an ihre Fachlehrkräfte, die Stufenleitungen, die Schulsozialarbeiterin sowie die beiden Vertrauenslehrer wenden. Es ist uns als Schule ein großes Anliegen, eine Atmosphäre des Vertrauens zu schaffen, in der sich jeder wohlfühlt und Unterstützung findet, wenn er sie braucht. Darüber hinaus gibt es auch außerschulische Beratungsangebote, wie Schulpsychologen oder Beratungsstellen, die bei tiefergehenden Problemen helfen können. Niederschwellige Angebote für Kinder und Jugendliche stellen auch das Kinder- und Jugendtelefon („Nummer gegen Kummer“, 116111) und die Jugendnotmail (https://jugendnotmail.de) dar. Generell ist es wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler wissen, dass sie nicht allein sind und dass es viele Menschen gibt, die ihnen bei ihren Sorgen und Nöten zur Seite stehen.
???: Wie können Eltern die Kinder, gerade nach einem schlechten Zeugnis, wieder für die Schule motivieren?
May: Eltern spielen eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, die Motivation ihrer Kinder wieder aufzubauen. Ich empfehle, dass Eltern ihre Kinder ermutigen, ihre eigenen Stärken zu entdecken und ihnen zeigen, dass sie an sie glauben. Das bedeutet, positive Rückmeldungen zu geben und die Bemühungen des Kindes zu würdigen, auch wenn die Ergebnisse (noch) nicht perfekt sind.
Außerdem ist es in meinen Augen sinnvoll, sich gemeinsam realistische Ziele für das neue Schuljahr zu setzen und das Kind bei der Erreichung dieser Ziele zu unterstützen, ohne jedoch Druck auszuüben. Lob und positive Bestärkung können viel bewirken, um das Selbstvertrauen wieder aufzubauen und die Motivation für die Schule zu fördern. Denn wenn Kinder spüren, dass ihre Anstrengungen gesehen und wertgeschätzt werden, steigt häufig auch ihre Motivation, sich weiter anzustrengen.
Autor:Cornelia Bauer aus Speyer |
|
Cornelia Bauer auf Facebook |
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.