Neues Bestattungsrecht: Letzte Ruhe am Lieblingsort oder im Rhein finden

- Naturbestattung in den Schweizer Alpen: Die Oase der Ewigkeit bestattet zum Beispiel auf ihrer Almwiese verschickte Urnen, nachdem die Trauerfeier etwa im privaten Garten stattgefunden hat. Auf Wunsch können Angehörige auch selbst in die Schweiz überführen und beim Begräbnis dabei sein.
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Ludwigshafen/RLP. Wie Angehörige von Toten Abschied nehmen dürfen, ist Ländersache. Rheinland-Pfalz hat seit kurzem das liberalste Bestattungsrecht. Hier darf man Asche von nahestehenden Menschen jetzt im heimischen Garten begraben, im Fluss verstreuen, in einer Urne aufbewahren oder zu Diamanten verarbeiten.
Von Julia Glöckner
Bisher durfte man Angehörige nur auf dem Friedhof im Sarg oder in der Urne beisetzen, es gab in Rheinland-Pfalz "Friedhofszwang". Während dieser in vielen EU-Ländern wie Polen oder Luxemburg noch besteht, wird das Bestattungsrecht in Spanien, Deutschland, Niederland oder in der Schweiz zunehmend liberaler.
Das Gesetz in RLP ist nun in Kraft. „Flussbestattungen auf dem Rhein oder der Mosel sind bereits stark gefragt. Dabei fährt man mit dem Bestatter auf die Flussmitte, um die Asche zu verstreuen. Davor braucht es eine Genehmigung. Für die erste Flussbestattung diese Woche haben wir ein Boot gekauft“, erzählt Dietmar Kapelle, Geschäftsführer der „Oase der Ewigkeit“. Der deutsche Friedhofsträger für Naturbestattungen besitzt in Deutschland und der Schweiz mehrere Begräbniswälder. „Wer seine letzte Ruhe im deutschen Wald oder in den Schweizer Bergen finden will, kommt zu uns. In der Schweiz darf man die Asche im Gebirge in den Wind streuen.“
Auch das Verstreuen der Asche unterm Kirschbaum oder der Linde im privaten Garten ist in RLP nun erlaubt. Dies soll auch ohne Bestatter, nur im engen Verwandten- und Freundeskreis möglich sein. Zudem fällt der Sargzwang weg: Verstorbene dürfen nun im Sarg zur Begräbnisstätte getragen und dort im Tuch begraben werden. „Das ist im muslimischen Glauben üblich“, erklärt Kapelle. Neue Regeln gibt es auch beim Begräbnis von im Ausland verstorbenen Soldaten und Sternenkindern. Kinder, die gleichzeitig mit einem Elternteil verstorben sind, etwa bei einem Unfall, können in einem Grab beigesetzt werden. Neu ist außerdem, dass Asche auch in der Urne zu Hause vor der endgültigen Bestattung in der Erde aufbewahrt werden kann oder zu einem oder mehreren synthetischen Diamanten gepresst werden darf. Eine uralte Tradition ist mit der Gesetzesnovelle wieder erlaubt: Verstorbene dürfen am offenen Sarg verabschiedet werden, entweder beim Bestattungsunternehmen oder bei der Bestattungsfeier. Bei einer Beerdigung gilt aber weiterhin Friedhofszwang, nur bei Bestattungen nach dem Krematorium nicht.
Immer mehr Menschen wollen Naturbestattungen
Laut einer Umfrage des Verbraucherinstituts Bestattungskultur bevorzugen nur 25 Prozent der Deutschen für sich eine klassische Urnen- oder Sarggrabstätte auf einem Friedhof. 2013 waren es noch 49 Prozent. „75 Prozent der Menschen wollen in der Natur beigesetzt werden. Viele ältere Leute haben 20, 30 Jahre lang auf dem Grab der Eltern Blumen gesetzt und gegossen und wollen die Grabpflege umgehen, die im Wald die Natur oder der liebe Gott übernimmt“, sagt Kapelle. In manchen Friedwäldern sei das Pflanzen einer Staude oder das Legen von Blumen erlaubt. „Manche Gemeinden haben zudem die Preise für einen Platz auf dem Friedhof immer wieder erhöht, in einzelnen in den vergangenen Jahren verzehnfacht“, sagt Kapelle. „Viele Menschen haben nicht das Geld, 4000 bis 6000 Euro für ein Begräbnis zu zahlen.“
Auch Umweltbewusstsein sei ein Thema. Die Urnen seien zwar aus Bioplastik. Das baue sich aber nicht vollständig ab. Mit dem neuen Gesetz darf im Begräbniswald in RLP nun nur Asche aus der Urne in den Boden, vorher gab es Urnenpflicht. Angehörige können die verplombten Urne einfach selbst öffnen, werden von Mitarbeitern der Oase der Ewigkeit angeleitet. „Bohrungen für Urnen im Wald schädigen außerdem die Wurzeln“, sagt Kapelle. Nach Schweizer Recht darf Bioplastik nicht in die Erde. Studien aus der Schweiz zeigen, dass die Asche gut für die Natur ist, aber mehr als 10 Bestattungen um den Baum ihn überdüngt. Daher ist die Zahl streng reglementiert.
Die Voraussetzung für eine Bestattung außerhalb des Friedhofs: Bürger müssen im Vorfeld schriftlich festhalten, was mit ihnen hier auf der Erde nach ihrem Tod passieren soll oder eine Vorsorgevereinbarung mit Bestatter machen.
Kritik am Bestattungsrecht
Kirchen, CDU und Freie Wähler äußerten vor der Novelle Bedenken, weil mit dem neuen Gesetz eine Privatisierung der Trauer stattfinde und es so bald weniger oder keine öffentlichen Orte für eine gesunde Trauerkultur gebe. „Bestattungen und Beerdigungen auf Friedhöfen sind mit Einnahmen für Kirchen verbunden. Viele Friedhöfe sind in kirchlicher Hand“, vermutet Kapelle. „Auch auf Friedhöfen entstehen kleine Wäldchen. Doch sie bestehen meist nur sechs, sieben Bäumen, die Plätze sind meist schnell voll und die Rasenreihen bleiben leer.“
Laut Städtetag bleiben Gemeinden finanziell unberührt, weil sie künftig Flächen pachten werden. Zudem müssten Pflegebedürftige vor ihrem Tod weniger privates Geld zurückhalten, weil die Bestattungsvereinbarung deutlich günstiger wird als vorher. Das entlastet die Sozialdezernate, die vor dem Tod Hospize und Pflegeeinrichtungen mitfinanzieren, wenn wenig Vermögen da ist.
Die Oase der Ewigkeit verschickt auf Wunsch die GPS-Koordinaten, die Angehörige, Bekannte, Freunde immer wieder zur Bestattungsstelle im Wald führt.
Der Weg des Bundeslands Bremens 2015, die Bestattung am heimischen Apfelbaum an Bedingungen zu knüpfen – das private Grundstück muss öffentlich zugänglich sein, mindestens 1,5 Hektar groß und ein kostenpflichtiger Grundbucheintrag der Urnenbestattung ist Pflicht – hat sich nicht etabliert. „Der Wert des Grundstücks fällt in dem Bundesland damit, das in Bremen zudem 20 Jahre lang nicht verkauft werden darf“, erklärt Kapelle. "Kaum jemand machte von der Möglichkeit dort Gebrauch."
520 Begräbniswälder sind in den vergangenen 15 Jahren entstanden. Und es werden immer mehr Flächen aufgekauft und gepachtet. Hessen plant bis Ende des Jahres eine Novelle. „Die Gesellschaft wird sich dem Thema weiter öffnen – und der Druck ist groß, die Politik reagiert nur. Der Zeitgeist ist einfach ein anderer geworden“, sagt Kapelle. Viele Christen finden mittlerweile im Wald Ruhe, mit Säkularisierung hat der Trend nicht unbedingt etwas zu tun.
Mit seinem expandierenden Unternehmen, dass er vor 20 Jahren gründete, hat er den Wandel von der Nische zum Markt selbst erlebt. jg

- Viele Menschen wollen sich im Wind in der Schweiz verstreuen lassen
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Autor:Julia Glöckner aus Ludwigshafen |
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