Geheimnisvolle Heimat
7.000 Jahre Siedlungsgeschichte zum 1.250. Ortsjubiläum

Zum 1.250. Ortsjubiläum hat Archäologin Bettina Hünerfauth eine Ausstellung über 7.000 Jahre Siedlungsgeschichte in Weingarten zusammengestellt | Foto: Heike Schwitalla
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  • Zum 1.250. Ortsjubiläum hat Archäologin Bettina Hünerfauth eine Ausstellung über 7.000 Jahre Siedlungsgeschichte in Weingarten zusammengestellt
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Weingarten. Die Gemeinde Weingarten feiert dieses Jahr ihren 1.250. Geburtstag – das Datum 771 geht auf eine Erwähnung im Lorscher Codex, einer Schriften- und Urkundensammlung aus dem 12. Jahrhundert, die insgesamt über 1.000 Ersterwähnungen von Gemeinden enthält und damit älteste geschriebene Geschichtsquelle für viele Städte und Dörfer ist.

7.000 Jahre Siedlungsgeschichte

Aber so ganz stimmt das alles nicht. Denn: Was viele gar nicht wissen, eigentlich ist Weingarten viel älter. Das zeigt die Archäologin Bettina Hünerfauth, die aus Weingarten stammt, im Ort zur Schule ging und heute in der Direktion Landesarchäologie in Speyer arbeitet, in einer Ausstellung, die sie eigens für das Ortsjubiläum zusammengestellt hat und die derzeit im Obergeschoss der Weingartener Sportarena zu besichtigen ist.
Sie sei selbst überrascht gewesen, bei ihrer Recherche nach archäologischen Funden in Weingarten, so viele Resultate entdeckt zu haben, berichtet die junge Frau. „Und was wir hier sehen sind ja nur die Funde seit 1971“, erzählt sie. Darauf habe sie sich beschränkt – nicht nur aus Platzgründen, sondern auch, weil man bei den damaligen Feierlichkeiten zum 1.200 Jubiläum bereits auf die frühe Ortsgeschichte eingegangen sei.
Die Ausstellung erklärt zum Einstieg erst einmal, wie es überhaupt zu archäologischen Funden kommt: Nämlich meist zufällig – bei der Feldarbeit oder wenn irgendwo ein neues Baugrundstück erschlossen wird. Wie in den 1980er Jahren in Weingarten, als man unter dem Neubaugebiet „Im Schierlingsgarten“ ein fränkisches Gräberfeld aus dem sechsten oder siebten Jahrhundert nach Christus fand. Neben Knochenresten wurden hier unter anderem prachtvolle Fibeln, Schmuck, Schere und Kamm ausgegraben. In klassischer Horrorfilm-Art leben die Menschen hier quasi auf einem alten Friedhof. Gruselig? Das findet Bettina Hünerfauth nicht: "Eigentlich eher spannend und faszinierend, wenn man bedenkt, dass man etwas Neues baut, wo schon vor so langer Zeit Zivilisation war."

Aber die Geschichte der Besiedelung Weingartens lässt sich sogar noch weiter in die Vergangenheit nachweisen – nämlich bis in die Steinzeit. Vor fast 7.000 Jahren – gerade als die Menschen begannen sesshaft zu werden – entschied man sich schon, dass die Gegend rund um Weingarten ein schöner Ort zum Leben ist. Feuerstein aus dem Baltikum, erste Keramikscherben belegen dies. Ein Zufallsfund entdeckt auf den Feldern beim Draishof, während der Kartoffelernte. Weitere Exponate wie aus dem Neubaugebiet „Krummäcker“ belegen die Besiedlung in der Bronzezeit, ebenso wie einen Urnengräberfeld mit Grabbeilagen wie Schmuck und Trinkgefäßen, das 2007 beim Bau der EPS-Trasse im Gebiet „Auf der Lohe“ gefunden wurden.

Fundsituation einer urnenfelderzeitlichen Bestattung | Foto: © GDKE, LA-Speyer
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Aber wo waren die Römer?

Teile eines Webrahmens und eisenzeitliche Keramik ebenfalls aus der Grabung „Krummäcker“ deuten auch auf eine Besiedlung in der jüngeren Hallstattzeit – es waren also auch (im weitesten Sinne) Kelten in Weingarten. Allein die Römer haben das Örtchen wohl weitgehend gemieden – zumindest gibt es bisher keine Belege für eine Besiedlung durch die Römer. „Allerdings haben wir einige so genannte `Verlustfunde`, die zeigen, in der Umgebung lebten Römer, die auf der `Durchreise` mal eine Fibel oder ein paar Münzen verloren haben“, erklärt die Archäologin Bettina Hünerfauth.
Der wohl erstaunlichste Fund, der in der Ausstellung gezeigt wird: Geschliffene aber ansonsten unverarbeitete Korallenstücke vom Mittelmeer aus der Zeit von 620 bis 450 vor Christus, die nicht nur zeigen, dass es in Weingarten ausgesprochen kunstfertige Handwerker gegeben haben muss, sondern auch belegen, dass internationaler Handel bereits in einer so frühen Phase durchaus alltäglich war. „Es hat sich nicht viel geändert“, schmunzelt Bettina Hünerfauth. „Die Menschen mögen schöne Dinge. Sei es Schmuck oder Keramik. Und die sind fasziniert von dem Fremden und Exotischen, das damals wie heute besondere Anziehungskraft ausübt.“

Geschliffene Korallenstückchen, die sicherlich als Zierde eines Schmuckstückes dienen sollten  | Foto: © GDKE, LA-Speyer, P. Haag-Kirchner
  • Geschliffene Korallenstückchen, die sicherlich als Zierde eines Schmuckstückes dienen sollten
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Besichtigungstermine

Wer die Ausstellung besichtigen möchte, kann dies am 25. Juli, von 14 bis 18 Uhr, am 11. August von 16 bis 19 Uhr und am 29. August, von 14 bis 18 Uhr.  Für Gruppen und Schulklassen aus der Region können auch Sondertermine vereinbart werden.

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Autor:

Heike Schwitalla aus Germersheim

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