In der Kriegsstraße nimmt die Trasse Form an
Wo halten aber Zulieferer, Handwerker und Pflegedienste?

Weg frei für den Gleisbau: Die provisorischen Autofahrspuren am Ettlinger Tor sind entfernt, so dass jetzt der Gleisbau jetzt auf vollen Touren laufen kann | Foto: Kasig
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  • Weg frei für den Gleisbau: Die provisorischen Autofahrspuren am Ettlinger Tor sind entfernt, so dass jetzt der Gleisbau jetzt auf vollen Touren laufen kann
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Karlsruhe. So langsam kann man sich den künftigen Boulevard in der Kriegsstraße vorstellen, denn jetzt sind die Schienenleger im Einsatz. Die neue Gleistrasse entlang der innerstädtischen Ost-West-Verbindung wächst über die Kreuzung Ettlinger Tor von Osten in Richtung Westen und auch vom Karlstor in Richtung Osten.

Zunächst waren alle Fahrbahnen für den Autoverkehr an den äußeren Rändern der Kriegsstraße unter Verkehr, damit die Gleisbautrasse frei wurde. Wie es auf ganzer Länge zwischen Ludwig-Erhard-Allee und Karlstor künftig aussehen wird, lässt sich in den bereits ganz oder fast komplett gebauten Bereichen erkennen.  Gleise, zwischen denen Gras wächst und die – wo das vom Platzangebot her möglich ist – von Baumreihen gesäumt werden, durchlaufen drei neue oberirdische Haltestellen, von denen jene westlich vom Mendelssohnplatz schon hergestellt ist.

Wer sich für die Pläne interessiert, der findet [Hier ist das pdf] entsprechende Angaben auf der Seite der Kombilösung. Deutlich erkennbar sind die vielen geplanten Bäume, die breiten Gehwege, die Radwege, die eingezeichneten verbliebenen wenigen Stellflächen und auch die verengten Spuren. Die Gehwege sind bereits fertiggestellt – breiter als zuvor, wo immer das möglich war. Und soweit die Bäume – über weite Strecken vier-reihig! – noch nicht gepflanzt werden konnten, sind zumindest Bauminseln schon angelegt.

Meist eine Spur weniger, aber auch weniger Stellplätze
Daneben sind die oberirdischen Fahrspuren der Kriegsstraße gegenüber dem alten Zustand deutlich reduziert. Zudem ist in jeder Fahrtrichtung reichlich Platz für eine durchgängige Radspur – auf Kosten eben einer Fahrbahn für den motorisierten Verkehr. Zu Hoffen ist, dass die Kriegsstraße im finalen Betrieb dann keine durchgehende Stau-Falle wird – was Anwohner, Pflegedienste, Zulieferer oder Taxiunternehmen kritisch sehen und auch schon angefragt haben.

Deutlich erkennbare Planung | Foto: Kopie Kasig
  • Deutlich erkennbare Planung
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Wo halten aber Pflegedienste?
Dazu kommt, dass nur noch wenige Parkplätze oder Stellflächen hier zu finden sind, was Anwohner mächtig stinkt – und auch mobilitätseingeschränkte und ältere Bürger zurecht in Aufregung versetzt. Denn für vieles ist Platz bei den wirklich überbreiten Gehsteigen, aber eben zum Beispiel nicht für Halteflächen für Zulieferer, Stellplätze für Mobilitätseingeschränkte oder Flächen für die durch eine älter werdende gesellschaft mehr werdenden Pflegedienste. Die Frage muss gestellt werden: Haben die Planer im Karlsruher Rathaus hier ältere Bürger und mobilitätseingeschränkte Menschen schlicht „vergessen“?

Es ist wohl kaum anzunehmen, dass man von der Stadt das bewusste Zustellen des Radwegs einkalkuliert, bis zum Beispiel ein Pflegedienst seinen Auftrag in einer Wohnung erfüllt hat. Oder wurde, ganz direkt gefragt, dieser Bereich der Stadt von den Planern für eine Gentrifizierung auserkoren? Ein Blick in die Altersstruktur – auch in Karlsruhe – offenbart, dass die Zahl der älteren Menschen besonders stark angestiegen ist – und weiter zunehmen wird, mit allen Folgen!

Platz für wen?
Bislang gab es auf "Wochenblatt"-Nachfragen noch keine entsprechende Antwort aus dem Rathaus. Dem Vernehmen nach habe sogar das zuständige Dezernat in die Planungen eingegriffen, Anwohnern und Lieferanten weniger Platz zu geben. Das Resultat: Mitunter gibt's nun acht Meter breite Gehsteige in einer Gegend, in der seit Jahren keine Menschenmassen flanieren, da es nicht wirklich viele Geschäfte oder Lokale mit Laufkundschaft zum Beispiel im Bereich zwischen Fritz-Erler-Straße/Adlerstraße/Kreuzstraße und Karl-Friedrich-Straße gibt, oder die zum Verweilen einladen. Deutlich lässt sich in diesem Bereich aber eine wohl politisch gewollte Verbannung des Service- und Individualverkehrs erkennen.

Beim Blick auf den Bereich zwischen Lammstraße und Einkaufszentrum Ettlinger Tor sind auf der Nordseite keine Parkplätze geplant, ein Blick ins städtische Adressbuch zeigt, dass hier aber etliche Bürger wohnen. Im Bereich zwischen Kreuzstraße/Adlerstraße/Fritz-Erler-Straße gibt's auf der Nordseite die Gewerbeschule, etliche Geschäfte, eine Gemeinde, ein Hotel, drei Lokale und etliche Mehrfamilien-Wohnhäuser (rund 120 Menschen gemeldet) - aber im Plan sind lediglich elf (!) Stellflächen eingezeichnet, bei einem über 4 Meter breiten Gehsteig!

Blick auf den Bereich zwischen Lammstraße und Einkaufszentrum Ettlinger Tor | Foto: Kopie Kasig
  • Blick auf den Bereich zwischen Lammstraße und Einkaufszentrum Ettlinger Tor
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Ältere Bürger ausgeschlossen?
Bei einer älter werdenden Gesellschaft ist absehbar, dass auch in Sachen Mobilität viele Hilfe und Unterstützung brauchen werden. Doch statt auf Verbote, Streichung oder dem bewussten Einbauen von Hindernissen, sollten eher Angebote geschaffen werden. Aufgabe der Verkehrspolitik in Karlsruhe muss sein, auch älteren Mitbürgern die Wahl in jedem Stadtteil zu lassen, so mobil zu sein, wie sie es brauchen. Nicht jeder hat eben das Glück, bis ins hohe Alter noch mit dem Rad fahren zu können, alleine die Straßenbahn nutzen zu können, Taxikosten zahlen zu können - oder zum Beispiel zwei Kinder zu haben, die einen zum Arzt transportieren (ein Helfer fährt das Auto, der andere hilft mit dem Rollstuhl).

Bei der Planung der vergangenen Jahre ist es leider nicht verwunderlich, dass sicherlich auch eine gewisse Stadtflucht einsetzte. Klare Ansage: Man kann und will sich das mitunter auch nicht mehr "geben". Dazu ist die Erreichbarkeit schlechter geworden, Stellflächen werden abgebaut und Zufahrten gestrichen. Ein Blick in den Statistikatlas der Stadt Karlsruhe ist durchaus erhellend: Im Bereich "Innenstadt-Ost" wohnen rund 6.500 Menschen; seit 2015 (7.200) ist die Zahl signifikant zurückgegangen. Erkennbar beim Blick auf die Alterstruktur (Ü65) ist, dass immer weniger ältere Menschen hier leben - ob wollen oder können, ist ein anderes Themenfeld, über das das "Wochenblatt" weiter berichten wird, denn immerhin gibt's hier 16 Prozent Einpersonenhalte im Alter über 60 Jahren.

Ärztliche Versorgung im Blick behalten
Übrigens erkennen auch immer mehr Arztpraxen das städtisch gemachte Problem, denn sie werden gewissermaßen auch von ihren teils langjährigen Kunden abgeschnitten. Einige haben darauf reagiert, achten verstärkt auf das Thema Standortqualität, schließen sich zusammen, haben eine praxisübergreifende Zusammenarbeit, gute Erreichbarkeit, genügend ebenerdige Flächen, barrierefreie Zugänge, kurze Anbindungswege - und Parkplätze! Tenor: "Gute Erreichbarkeit, ausreichend Parkflächen und komfortable Rahmenbedingungen sind für die Menschen das A und O“, betont Peter Sommer, Geschäftsführer "Medicplaza". Längst haben andere Städt wie Waiblingen die Wertig- und Wichtigkeit einer optimalen Infrastruktur für ältere Menschen erkannt. Denn in der City herrscht oft Platzmangel; alles ist begrenzt und beengt: Durch die aktuelle Entwicklung droht in Karlsruhe auch die Gefahr, dass über kurz oder lang eine Verlagerung des ärztlichen Angebots einsetzt. Dann müssen mehr Kunden "ihre" Ärzte außerhalb des gewohnten Umfelds aufsuchen.

Und das Handwerk?
Wo halten denn zum Beispiel im genannten Bereich Handwerker? Der Blick auf die Planung offenbart, dass im genannten Straßenabschnitt (auf der Nordseite) nur noch 23 "P" eingezeichnet sind, also Parkplätze. Das reicht nicht für Anwohner, nicht für Handwerker, nicht für Pflegedienste und auch nicht für die vielen Lieferdienste, die durch ein sich verändertes Einkaufsverhalten vermehrt in die Stadt stömen! Sie sind durch die Planung bei einer Lieferung faktisch gezwungen, "mal kurz auf dem Radweg" (auch wenn es verboten ist) zu halten. Es ist schließlich kaum anzunehmen, dass beispielsweise Handwerker mit dem Lastenrad von Kunde zu Kunde quer durch die Stadt mit Werkzeug und Ersatzgeräten fahren. Es muss daher auch in diesem Abschnitt Möglichkeiten jenseits des Rads oder des Lastenfahrrads geben.

Zeitplan im Blick
Bis zum 12. Dezember (allgemeiner Fahrplanwechsel) muss in der Kriegsstraße die oberirdische Gleistrasse fertiggestellt und abgenommen sein. Denn nur mit den neuen Schienen „oben“ ergibt das Konzept der Kombilösung mit dem Stadtbahn- und Straßenbahntunnel einen Sinn. Immerhin setzt das ab 12. Dezember von den Bahnen innerhalb Karlsruhes gefahrene neue Liniennetz gleichermaßen auf die unterirdische wie auf die oberirdische Komponente der Kombilösung - und die muss angebunden sein an die anderen Linien! Während unterirdisch östlich vom Marktplatz übrigens sieben Linien verkehren, sind es westlich vom Marktplatz vier und auf dem Südabzweig des Tunnels sechs. Und in der Kriegsstraße zwei – und dafür müssen die Schienen rechtzeitig verlegt, die Oberleitung montiert und die Lichtsignalanlagen installiert sein.

Autor:

Jo Wagner

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