David Weidmann überwacht als Disponent in Karlsruhe den AVG-Stadtbahnverkehr
Stadtbahnverkehr in der Region stets im Blick

Alles im Blick: David Weidmann | Foto: Paul Gärtner
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Karlsruhe. David Weidmann fährt quasi immer mit - obwohl ihn die Fahrgäste in den Stadtbahnen der Albtal-Verkehrs-Gesellschaft (AVG) nie zu Gesicht bekommen. Auf den Monitoren vor ihm flimmert ein Wirrwarr aus bunten Zahlen, Linien und Symbolen, unzählige Meldungen und Informationen rattern im Sekundentakt über die Bildschirme.

Das ungeübte Auge erkennt hier nichts. Weidmann hingegen schon: Der 31-Jährige ist Disponent in der Leitstelle der Albtal-Verkehrs-Gesellschaft (AVG). Er weiß immer, wo welche Bahn gerade ist und zieht sich aus der Flut der Daten Zugnummern, Einfach- oder Doppeltraktion, Anzeige von Verspätungen, Stellung der Weichen, Meldungen zu Feuerwehreinsätzen, Fahrplantabellen, Signalen an Bahnübergängen, Verfügbarkeit von Fahrstraßen und vieles mehr – die Informationen, die für seine Arbeit gerade relevant sind.

Zusammen mit 55 Kollegen steuert Weidmann den Stadtbahnverkehr zwischen Bruchsal, Heilbronn, Wörth und Freudenstadt. In der Leitstelle in der Karlsruher Gerwigstraße laufen alle Fäden zusammen, das ist gewissermaßen das Gehirn des operativen Betriebs. Schichtbetrieb rund um die Uhr, an 365 Tagen im Jahr. Weidmann ist heute für den Albtalbahnhof in Karlsruhe zuständig. Dieser ist ein wichtiger Knotenpunkt im Netz der AVG. Hier verkehren nicht nur die Linien S1 und S11, sondern auch acht weitere Stadtbahnlinien steuern den Bahnhof an, weil sie hier nach ihrem Umlauf enden oder die Gleise für Rangierfahrten nutzen müssen. „Wir haben rund 300 planmäßige Zugbewegungen am Albtalbahnhof pro Tag. Da wird einem nicht langweilig“, schmunzelt Weidmann.

Die Mitarbeiter in der Leitstelle drehen bei ihrer tagtäglichen Arbeit permanent an unzähligen kleinen und größeren Stellschrauben, damit der Stadtbahnverkehr möglichst reibungslos verläuft. Sie reagieren auf Störungen, füttern die verschiedenen Informationsmedien für die Fahrgäste, organisieren Umleitungen und Ersatzbusse oder verständigen Rettungskräfte bei Unfällen. Dabei sind sie über Funk in permanentem Austausch mit den Fahrern in den Bahnen und kommunizieren mit den anderen Eisenbahnunternehmen, die das Schienennetz ebenfalls nutzen oder in der Region Bahn-Infrastruktur unterhalten. Hinzu kommt die gesetzlich vorgeschriebene Dokumentation des Betriebsablaufes für die staatlichen Aufsichtsbehörden. Rund 60.000 Betriebsmeldungen müssen pro Jahr erfasst werden.

Die Kommunikation in der AVG-Kommandozentrale läuft über viele Kanäle und oft parallel. Gelebtes Multitasking für ein hochkomplexes Nahverkehrssystem, im dem bis zu 250 Stadtbahnen gleichzeitig unterwegs sind und überwacht werden. Stressresistenz ist Grundvoraussetzung für die Arbeit als Disponent. „Oft sind schnelle Entscheidungen gefragt. Bei unserem Job muss man stets einen kühlen Kopf bewahren und in der Lage sein Prioritäten zu setzen. Gegebenenfalls lässt man auch mal was hinten runterfallen und erledigt das dann später, damit der gesamte Betrieb weiterläuft. Das ist schließlich immer das Wichtigste“, erklärt Weidmann.

Denn wenn irgendwo Störungen auftreten und nicht zeitnah behoben werden, hat dies immer einen Effekt auf das ganze Netz und beeinträchtigt auch den Betriebsablauf der anderen AVG-Linien und des gesamten Bahnverkehrs in der Region. „Wenn ein Falschparker die Gleise in der Karlsruher
Innenstadt blockiert, hat dies auch Auswirkungen auf den Zugverkehr nach Freudenstadt oder Heilbronn.“ Die Vorzüge, die das „Karlsruher Modell“ mit der Verknüpfung innerstädtischer Straßenbahnstrecken mit Eisenbahntrassen im Umland für den Fahrgast bringt, bedeutet für die AVG-Mitarbeiter hinter den Kulissen einen deutlichen organisatorischen Aufwand und eine erhöhte Dokumentationspflicht. „Grundsätzlich ist unser Nahverkehrsmodell störungsanfälliger als ein in sich geschlossenes System, in dem einzelne Störfälle nicht so weit ins ganze Netz übertragen werden sondern stärker lokal begrenzt bleiben“, betont Weidmann.

Dass er sich eines Tages mit der Optimierung von Wendezeiten oder dem Abgleich von Soll- und-Ist-Daten beschäftigen würde, war für ihn vor ein paar Jahren noch nicht absehbar. Weidmann, der in seiner Freizeit bei den Heimspielen des Karlsruher SC vor dem Anpfiff als Fahnenschwenker auf dem Platz steht, ist Quereinsteiger und arbeitete bis 2008 bei einem Unternehmen aus der Holzbranche am Karlsruher Rheinhafen. Als dann in der Wirtschafts- und Finanzkrise die Nachfrage für den Rohstoff einbrach, suchte er eine neue berufliche Perspektive. „Mein Vater arbeitet schon seit 26 Jahren bei der AVG. Da war es naheliegend, dass ich mich auch dort bewerbe.“

Mit Erfolg: Zunächst absolvierte er eine Ausbildung zum Triebfahrzeugführer und lenkte knapp sieben Jahre die Stadtbahnen in der Region, „am liebsten auf der Strecke der Linie S1 zwischen Bad Herrenalb und Hochstetten“. Anschließend wechselte er dann nach viermonatiger Zusatzausbildung in die Leitstelle – einen Weg, den nahezu alle seiner jetzigen Kollegen vor und nach ihm gegangen sind. Es ist eine Karrieremöglichkeit, die die AVG ihren Triebfahrzeugführern bewusst aufzeigt und gezielt fördert. „Wenn man in der Leitstelle arbeiten will, muss man fundierte Kenntnisse von unserem Netz und der Infrastruktur haben. Dies ist umso wichtiger, da man tagtäglich mit den Kollegen, die draußen fahren, in Kontakt steht und gemeinsam Lösungen suchen muss. Wenn die merken, da weiß jemand, wovon er spricht, erhöht das auch die eigene Akzeptanz.“ Damit die Leitstelle für ihre Mitarbeiter nicht zum Elfenbeinturm wird, übernehmen Weidmann & Co. deshalb regelmäßig Fahrdienste. Rund zehn Prozent ihrer Arbeitszeit verbringen sie durchschnittlich pro Monat draußen auf der Strecke.

Seinen Job-Wechsel vor knapp zehn Jahren von der Holz- in die Eisenbahnbranche hat Weidmann nie bereut, im Gegenteil: „Ich komme jeden Tag hierher und weiß nicht, was mich erwartet. In der einen Minute kann es noch ganz ruhig sein, dann geht es plötzlich hoch her. Genau das macht den Reiz dieser Arbeit aus.“ Zudem schätzt er die Teamarbeit. „Ohne die geht es nicht. Als Einzelkämpfer und ohne die Unterstützung der Kollegen auf den Fahrzeugen oder an den Arbeitsplätzen neben dir und im Flottenmanagement hast Du keine Chance. Wichtig ist, dass alle an einem Strang ziehen“. (avg)

Autor:

Jo Wagner

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