Kommentar: Haushalt 2025 für den Kreis Germersheim genehmigt – aber zu welchem Preis

- „Land unter bei den Kommunalfinanzen: Sparzwänge werden auf dem Rücken der Kinder ausgetragen - etwa wenn wichtige Schwimmlern-Initiativen gestrichen werden, wie im Kreis Germersheim
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Landkreis Germersheim. Die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) hat den Haushalt des Landkreises Germersheim für das Jahr 2025 genehmigt. „Endlich sind wir wieder handlungsfähig und wichtige Projekte können vorangetrieben werden“, erklärt Landrat Martin Brandl. Als Beispiel nennt er den Bau des Gymnasiums Rheinzabern: „Beinah ein halbes Jahr ohne genehmigten Haushalt hat uns in wichtigen Themen leider ins Hintertreffen geraten lassen. Auch die Digitalisierung der Verwaltung konnte nicht mit voller Kraft vorangetrieben und dringend benötigtes Personal für eine schnellere Bearbeitung von Bürgeranliegen nicht eingestellt werden. Allein die Verzögerung beim Bau des Gymnasiums kostet den Steuerzahler monatlich durchschnittlich rund 150.000 Euro.“
Mit der Genehmigung verbunden ist eine Reduzierung der ursprünglich beantragten Investitionskredite von rund 30,4 auf etwa 19,4 Millionen Euro. Die Liquiditätskredite wurden in voller Höhe bewilligt, ebenso die Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 45,6 Millionen Euro. Kritisch sieht die ADD weiterhin die Finanzplanung für die Jahre 2026 und 2027 und fordert zusätzliche Konsolidierungsmaßnahmen zur Defizitreduzierung.
In ihrer Stellungnahme hebt die ADD die Rolle der Kreisumlage hervor: „Hinsichtlich der erforderlichen Einnahmeoptimierung steht der Landkreis zwingend in der Pflicht, die ihm zur Verfügung stehenden Ertragsmöglichkeiten vollständig abzuschöpfen. Dabei kommt der Erhebung der Kreisumlage (…) eine zentrale Bedeutung bei der Finanzierung der Aufgaben des Landkreises zu. Der Kreistag des Landkreises Germersheim hat (…) einer Umlageerhöhung um 0,5 % auf 50,2 % zugestimmt.“
Landrat Brandl zeigt sich kritisch gegenüber den Forderungen: „Die ADD geht noch weiter und der Kreis muss auf Einnahmensteigerung hinarbeiten. Unsere Kommunen weiter zu belasten, bedeutet, ihnen jeglichen Spielraum für dringend notwendige Vorhaben und kreative Gestaltung zu nehmen. Denn die Folge wären erneute Steuererhöhungen in den Kommunen, damit diese einigermaßen handlungsfähig bleiben könnten. Die hält das Land aufgrund der aktuell noch durchschnittlichen Grundsteuersätze grundsätzlich für überlegenswert. Das würde allerdings das Wohnen weiter verteuern und die Bürger müssten diese zusätzlichen Lasten direkt tragen.“
Auch das Genehmigungsschreiben der ADD enthält eine deutliche Botschaft: „Die Kommunalaufsicht des Landkreises ist daher angehalten, eine angemessene Ertragsabschöpfung, erforderlichenfalls durch Anhebung der Realsteuerhebesätze, ihrer kreisangehörigen Gemeinden ¬ und damit eine angemessene Erhöhung der kommunalen Finanzausstattung insgesamt ¬ sicherzustellen.“ Für Brandl ist das nicht akzeptabel: „Das ist doch keine ernsthafte Option! Das Land muss uns für die Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben endlich ordentlich mit Geld ausstatten. Stattdessen soll der Landkreis der Buhmann sein und die Gemeinden schröpfen, die sowieso, genauso wie der Kreis, mit dem Rücken zur Wand stehen?“
Schwimminitiative des Kreises wird gestrichen
Die ADD hatte den Haushaltsentwurf zunächst abgelehnt und eine Reduktion des Defizits um 2,3 Millionen Euro verlangt. Nach mehreren Gesprächen und Änderungen wurde der Haushalt nun genehmigt. Zu den Anpassungen zählen eine Gewinnausschüttung der Sparkasse in Höhe von etwa 567.000 Euro, die Kürzung der Schwimminitiative um 450.000 Euro, zusätzliche Einnahmen durch Bußgelder und Gebühren in Höhe von 100.000 Euro sowie die bereits genannte Erhöhung der Kreisumlage um 0,5 Prozent.
Im Genehmigungsschreiben heißt es weiter: „(…) Um alle sich bietenden Möglichkeiten auf der Einnahme- und Ausgabeseite zur Verbesserung der finanziellen Lage konsequent auszuschöpfen, sollte ein defizitärer, überwiegend umlagefinanzierter Landkreis jedoch stetig prüfen, ob die umlagepflichtigen Kommunen eine weitere Erhöhung der Kreisumlage stemmen können. Der Landkreis nimmt überwiegend Aufgaben für den kreisangehörigen Bereich wahr, weshalb unter den gegebenen Voraussetzungen die kollektive Mithilfe der Verbands- und Ortsgemeinden erwartet werden muss.“ Landrat Brandl kontert deutlich: Das Land solle den Kreis lieber „anständig mit Geld ausstatten, statt auf ‚kollektive Mithilfe der Verbands- und Ortsgemeinden‘ zu pochen.“
Kommentar: Sparen auf dem Rücken der Kinder – ein Armutszeugnis
Wieso fühlt es sich an, als ob hier ein Exempel auf dem Rücken der Schwächsten statuiert wird? Die Genehmigung des Kreishaushalts 2025 bringt dem Landkreis Germersheim endlich wieder Handlungsspielraum. Doch zu welchem Preis? Über die zusätzliche Belastung der Kommunen wurde schon viel gesagt, aber die geforderten Einsparungen treffen nun ausgerechnet wieder jene, die am wenigsten für die Misere können: die Kinder. Wenn eine Schwimmlern-Initiative, die den Kreis 450.000 Euro kostet, weggekürzt werden muss, um den Haushalt genehmigungsfähig zu machen, ist das ein fatales Signal.
Laut einer forsa-Umfrage im Auftrag der DLRG kann etwa jedes fünfte Grundschulkind in Deutschland nicht schwimmen. Weitere 23 Prozent gelten als unsichere Schwimmer. Insgesamt verlassen also fast 60 Prozent der Kinder die Grundschule, ohne sichere Schwimmkompetenz erworben zu haben – in einem Land, in dem es an Gewässern wahrlich nicht mangelt.
Gleichzeitig warnen Fachleute seit Jahren vor zunehmendem Bewegungsmangel bei Kindern. Immer weniger Mädchen und Jungen erreichen die empfohlenen täglichen Bewegungszeiten, viele leiden bereits im Grundschulalter unter Haltungsschäden, Übergewicht oder Koordinationsproblemen. Schwimmunterricht ist daher weit mehr als Freizeitgestaltung – er ist ein unverzichtbarer Baustein für Gesundheit, Sicherheit und soziale Teilhabe.
Wenn Sparvorgaben bedeuten, dass Kinder künftig noch weniger Zugang zu Bewegung und Sicherheit haben, dann läuft etwas gewaltig schief. Wer Schwimmförderung kürzt, spart nicht nur kurzfristig Geld – sondern langfristig an Bildung, Integration und Lebensqualität. Wenn jetzt alle anderen Einsparmöglichkeiten ausgeschöpft sind und ausgerechnet hier der Rotstift angesetzt wird, um einen genehmigungsfähigen Haushalt vorweisen zu können, offenbart das eine gefährliche Schieflage in der politischen Prioritätensetzung. Es ist nicht nur eine Sparmaßnahme – es ist ein Rückschritt. Ein Rückschritt, der Kindern die Chance auf Sicherheit, Bewegung und Entwicklung nimmt.
Besonders zynisch wirkt es, wenn ausgerechnet eine sozialdemokratisch geführte Landesregierung solche Einsparungen durchsetzt, statt die Kommunen mit ausreichenden Finanzmitteln für gesetzlich geforderte Leistungen auszustatten. So wächst Politikverdrossenheit – nicht aus Desinteresse, sondern aus Enttäuschung. Während auf Landesebene vollmundig von Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit gesprochen wird, trifft die Realität in den Kommunen am Ende wieder einmal die Schwächsten: Kinder, die nicht schwimmen lernen, weil ihre Bedürfnisse eben in der Politik immer noch keinen wirklichen Stellenwert haben.
Mit den eingesparten 450.000 Euro wird ein Haushalt aus rein finanzieller Sicht nicht plötzlich genehmigungsfähig. Die Kürzung erscheint vielmehr als symbolische Maßnahme – ein politisches Signal der Unterwerfung gegenüber der ADD. Die geforderten zusätzlichen Einsparungen wirken in diesem Zusammenhang weniger wie der Anspruch, eine solide Haushaltsführung vorzuweisen, sondern wie eine reine Gängelung. [Heike Schwitalla, Redakteurin]
Autor:Heike Schwitalla aus Germersheim |
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