Kinderknochenfunde an der Außenwand der Christuskirche
Die Traufkinder von Haßloch

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Von Dr. Haro Schreiner

Haßloch. Die unteren Steine des Chorraumes der Christuskirche Haßloch sind feucht. Der Raum wurde baugleich mit der Stiftskirche in Neustadt, also etwas um 1350 gebaut. Innen befinden sich Malereien. Eine kleine Grube außerhalb direkt an der Wand sollte der von der Haßlocher Turminitiative beauftragte Fachkraft helfen, die Durchfeuchtung zu beurteilen. Schon nach ca. 60 Zentimeter Tiefe wurden dort alte Kinderknochen gefunden.
Der Chorraum ist etwa 250 Jahre älter als das älteste Haus. Häuser verschwanden, der Lehm blieb liegen. So kommt es, dass der heutige Boden ca. vierzig Zentimeter höher liegt als um das Jahr 1350. Damals gab es häufig Friedhöfe um die Kirchen, so auch in Haßloch. Jedoch waren die Gräber selbst nie direkt an der Außenwand der Kirchen.
Wie ist der so wenig tief gelegne Fund eventuell zu erklären? Im Mittelalter bis zur Neuzeit war es nach Meinung des Volksglaubens (auch in evangelischen Gebieten) schlimm, nicht getauft zu sein, weil dies keinen Zugang zum Himmel ermöglichte. Eine Taufe konnten nur lebende Personen erhalten. Ungetaufte durften nicht auf dem Friedhof beerdigt werden. Was also taten Mütter, beziehungsweise Eltern von tot geborenen Kindern? Der Begriff „Kindheit“ hat sich gewandelt. Wenn von 10 Kindern 8 Kinder starben, wurde dieses Schicksal früher anders empfunden, als es heute der Fall wäre. Doch einige Mütter wollten für das Seelenheil ihres tot geborenen Kindes sorgen. Wie berichtet wird, wurde das tote ungetaufte Kind heimlich nachts eilig an den Kirchenmauern eingegraben, wohl nicht sehr tief. So ist es möglicherweise auch in Haßloch geschehen. Man hoffte, dass durch das Regenwasser vom Dach der Kirche ein kleiner Ersatzsegen, eine Art „Taufe“, auf das Kind fiel. Wichtig war nach dem Volksglauben, dass das ungetaufte Kind nicht in der Hölle landete, sondern einen Zipfel des Himmels sah, also am Rand, am Saum des Himmels war. Die Praxis „Traufkind“ war allen bekannt, sie wurde von der Kirche geduldet (nicht offiziell). Theologisch wurde tatsächlich damals eine Diskussion geführt, was mit ungetauften Menschen passiert und welche Lösungen es gäbe.
Die Wand muss durch eine Drainage entfeuchtet werden. Es ist zu vermuten, dass es kein Zufall war, dass die Kinderknochen gefunden wurden. Es werden wohl weitere Kinderknochen auftauchen. Der erste Fund wurde von Archäologen aus Speyer begutachtet und archiviert.

Autor:

Markus Pacher aus Neustadt/Weinstraße

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