Stadtbäume im Stress: Streit um Baumkonzept entlang Kohl-Allee

Gefüllte Vogelkirsche: Selten wächst sie so vollkronig. Sie erreicht eine maximale Höhe von 10 Metern und hat eine sschmale Krone.  | Foto: KI-generiert/Julia Glöckner
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  • Gefüllte Vogelkirsche: Selten wächst sie so vollkronig. Sie erreicht eine maximale Höhe von 10 Metern und hat eine sschmale Krone.
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Ludwigshafen. Der Stadtbaum hat in den vergangenen Jahren in seiner Bedeutung zugelegt. Mit dem Stadtumbau um die Kohl-Allee wächst der Friedenspark um weitere 9 Hektar. Entlang der Allee sollen laut Verwaltung 920 Bäume stehen. Die Wahl der richtigen, robusten Baumarten sorgt derzeit für Kontroversen.

Von Julia Glöckner

Städte am Oberrhein wie Ludwigshafen, Mannheim, Karlsruhe kämpfen mit ähnlichen stadtklimatischen Herausforderungen. Die Zahl der Hitzetage ist dort ähnlich hoch. Stadtbäume haben es besonders schwer. Sie leiden unter massiver Trockenheit, transpirieren bei Hitze mehr. Dabei steht in Hitzesommern durch Versiegelung und enge Wurzelräume begrenzt Wasser bereit.

Welche Bäume überleben die Hitze?

Das Forschungsprojekt „Grüne Lunge“ am KIT Karlsruhe zeigt: 80 Prozent der Stadtbäume haben bereits einen Kronenschaden. Sie zeigen abgestorbene Triebe und Totäste sowie geringeres Austreiben im Frühjahr. In Städten gibt es seit 5 bis 10 Jahren einen hohen Nettoverlust bei vielen heimischen Arten: Fürs Nachpflanzen fehlen in Gartenbauämtern die Kapazitäten. Manchen Kommunen fehlen zudem schlichtweg die Mittel, andere stellen zu wenig Mittel ein.

Im Auftrag des Gartenbauamts Karlsruhe erforscht das Forschungsprojekt „Grüne Lunge“, welche Baumarten sich als Alleebäume und in urbanen Waldgärten wie dem künftigen Friedenspark eignen. Grünflächenämter setzen aktuell große Hoffnungen in mediterrane Baumarten wie etwa den Zirbelbaum, der in Barcelona wächst, teilt die Verwaltung Karlsruhe auf Anfrage mit.

Stadtbäume gewinnen an Bedeutung

Dabei sind Stadtbäume wesentlich für die Zukunft lebenswerter Städte. Das Schwammstadtprinzip legt den Fokus der Klimawandelanpassung im urbanen Raum auf den Stadtbaum als effektives Mittel für die Nachtabkühlung. Stadtbäume verschatten Plätze sowie Straßen und verdunsten Wasser über ihre Blätter. Besonders urbane Hitzeinseln wie die Mannheimer und Ludwigshafener Innenstädte lassen sich durch Stadtbäume eindämmen. Friedenspark sowie Kohl-Allee sind daher nach dem Schwammstadtprinzip geplant.

Bürgerinitiative kritisiert Baumkonzept

Die Stadt Ludwigshafen hatte für Friedenspark und die Alle bereits ein Baumkonzept erarbeitet. „Baumarten wie Amberbaum, japanischer Schnurbaum und Zelklove sind an die Hitzebelastungen der Innenstadt angepasst. Sie erreichen eine Höhe von 15 bis 20 Metern sowie einen Kronendurchmesser von 10 bis 15 Metern“, erklärt die Stadt auf Anfrage. „Im Sinne weiter Wurzelräume, die mit hohem Wachstum und großen Kronen einhergehen, wird Skelettbodensubstrat in den Boden eingebracht.“ Denn die Städte kämpfen damit, dass sie die Bäume alt bekommen, was vielerorts nur noch mit Bewässerung und Sensorik gelingt. In Mannheim werden Stadtbäume bis in 10. Standjahr gegossen.

Vor allem Bäume mit dichten, großen Kronen verdunsten ausreichend Wasser, um die Umgebung zu kühlen. Die Bürgerinitiative Lebenswertes Ludwigshafen (BILL) legte die Baumliste für die Kohl-Allee daher dem Baumexperten Volker Ziesling vor. „Auf der Baumliste stehen zwar hitzetolerante, aber nur niedrig und langsam wachsende sowie kleinkronige Bäume“, erklärt Till Gerlach, Sprecher der BILL. „Die Gründe dafür sind offenkundig: Minimierung des Pflegeaufwands und des Laubabwurfs, also Kosteneinsparungen. Der kühlende Einfluss der Bäume auf das Stadtklima bleibt jedoch gering und der Schattenwurf ist minimal“. Weder Biodiversität noch Stadtklima würden mit der Kohl-Allee verbessert.

Der Schattenwurf der japanischen Schnurbaums ist laut Ziesling durch die relativ geringe Blattoberfläche nur sehr mäßig. Der Baum ist entlang des gesamten Mittelstreifens geplant. Weiterhin sind alle Baumteile als giftig für Mensch und Tier eingestuft, was für Kinder zur Gefahr werden kann.  | Foto: KI-generiert/Julia Glöckner
  • Der Schattenwurf der japanischen Schnurbaums ist laut Ziesling durch die relativ geringe Blattoberfläche nur sehr mäßig. Der Baum ist entlang des gesamten Mittelstreifens geplant. Weiterhin sind alle Baumteile als giftig für Mensch und Tier eingestuft, was für Kinder zur Gefahr werden kann.
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Zielings Begutachtung der Baumliste zufolge erreicht der Amberbaum, der mit 166 Exemplare entlang der Allee geplant ist, nur eine geringe Höhe und Blattmasse. Verschattung und Wirkung aufs Stadtklima seien daher gering, erklärt der ehemals leitende Forstdirektor in Rheinland-Pfalz in seinem Kurzgutachten. Dasselbe sei vom japanischen Schnurbaum durch geringe Blattoberfläche zu erwarten, genauso wie von der kleinkronigen Vogelkirsche, der kleinwüchsigen Zelklove sowie von der kegelförmigen Blumenesche.

Mit 166 Exemplaren soll dieser Baum die häufigste Art
werden. Er erreicht lediglich eine mittlere Höhe, besitzt wenig Blattmasse und bringt daher laut dem Baumexperten Ziesling nur geringen Schatten und ist für die Biodiversität wenig hilfreich. | Foto: KI-generiert/Julia Glöckner
  • Mit 166 Exemplaren soll dieser Baum die häufigste Art
    werden. Er erreicht lediglich eine mittlere Höhe, besitzt wenig Blattmasse und bringt daher laut dem Baumexperten Ziesling nur geringen Schatten und ist für die Biodiversität wenig hilfreich.
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„Die Amerikanische Esche ist zudem als invasiv einzustufen. Sie neigt zum Verwildern und kann sich insbesondere in der Nähe großer Flussläufe unkontrolliert in den Auen ausbreiten und die dort geschützte gebietsheimische Vegetation verdrängen“, schreibt Ziesling.

Von der Stadtlinde Rancho, die ebenfalls auf der Liste steht, rät auch das KIT Karlsruhe ab. „Die Stadtlinden in unseren Versuchsreihen starben alle bei Temperaturen zwischen 36 bis 40 Grad“, sagt die wissenschaftliche Mitarbeiterin Katrin Fröhlich beim Projekt "Grüne Lunge". 

Weil es nicht nur starke Westwinde, sondern auch Winde von Ost nach West gibt, wird nach Abriss des Rathauscenters eine Freiluftschneise für besseres Mikroklima sorgen. Auch die 80 Meter breite Kohl-Alle trägt diese Winde weiter. Die Stadt muss deshalb abwägen, wie dicht und großkronig die Allee zu bepflanzen ist. 

Rahmenplan legt Baumarten nicht fest

Angesichts des Planungshorizonts der Kohl-Allee, deren Fertigstellung und erste Bepflanzung noch 6 bis 10 Jahre dauern wird, ist es zu früh für eine endgültige Baumliste. Weder mit dem Rahmenplan fürs Quartier noch mit künftigen Bebauungsplänen ist die Grünflächengestaltung festgelegt. 

Aktuell überdenkt das Grünflächenamt die Baumauswahl, zumal viele Stadtbäume mit Blick auf Klimaresilienz, Verträglichkeit mit anderen Arten und Schwammstadttauglichkeit derzeit kontrovers diskutiert werden. Über die Zusammensetzung robuster Waldgärten und Parks wird intensiv geforscht. Von den Ergebnissen kann das neue Quartier um die Kohl-Allee nur profitieren. 

Lösung zur Rettung des Stadtgrüns kann laut dem Projekt Grüne Lunge auf kurze Sicht nur Bewässerung sein, wobei Bewässerungsverbände für Schuldenstädte Teil des Auswegs sein müssen. Auf lange Sicht sollen Schwammstadt und robuste Baumarten das Grün in den Städten erhalten. 

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Julia Glöckner aus Ludwigshafen

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