Scherenschnittkünstlerin Elisabeth Emmler vor 100 Jahren geboren
Filigrane Kunst aus Papier

Die Pirmasenserin Elisabeth Emmler wäre im Mai 100 Jahre alt geworden. Ihre Heimatstadt hat der bedeutenden Scherenschnittkünstlerin und ihren filigranen Werken im Museum Altes Rathaus ein eigenes Kabinett gewidmet.  Foto: Sammlung Stadtarchiv
  • Die Pirmasenserin Elisabeth Emmler wäre im Mai 100 Jahre alt geworden. Ihre Heimatstadt hat der bedeutenden Scherenschnittkünstlerin und ihren filigranen Werken im Museum Altes Rathaus ein eigenes Kabinett gewidmet. Foto: Sammlung Stadtarchiv
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Pirmasens. Vor 100 Jahren kam eine besondere Künstlerin zur Welt: Elisabeth Emmler wurde für ihre Scherenschnitte, die international gefragt waren, mit mehreren Preisen ausgezeichnet. Im Alten Rathaus sind ihre filigranen Werke, Porträts, Pflanzenstudien, Landschaftsbilder und Blumenaquarelle in einem eigenen Kabinett zu bewundern.
Im Laufe ihres Lebens fertigte Elisabeth Emmler mehrere Zehntausend Scherenschnitte. Berühmt wurde sie durch ihre Illustrationen in Märchen- und Sagenbüchern. Die Künstlerin hatte eine schier unerschöpfliche Fantasie und Schaffenskraft, mit der sie die Figuren zum Leben erweckte. Ihre kunstvollen Papierbilder aus Licht und Schatten erzählen eigene Geschichten „Wenn Du Märchenaugen hast, ist die Welt voller Wunder“, war Elisabeth Emmlers Lebensmotto.
Das Licht der Welt erblickte die Pirmasenser am 2. Mai 1921 in Pirmasens als ältestes von drei Kindern. Ihr Vater Jakob war Redakteur, die Mutter Therese Buchhändlerin. Ihre Begabung im Zeichnen, Malen und Papierschneiden wurde sehr früh erkannt. Bereits als Schülerin machte sie damit immer wieder auf sich aufmerksam, erste Ausstellungen fanden in der elterlichen Wohnung in der Herzogstraße 4 statt. Mit dem Schulwechsel in die Höhere Töchterschule fand sie Förderer in der Personen des Direktors Oskar Ferrg und der Kunstlehrerin Cläre Brabänder. Beide legten der Mutter nahe, die Tochter in einem künstlerischen Beruf ausbilden zu lassen. Dies war jedoch unter den damals sehr schwierigen familiären Verhältnissen unmöglich: Der Vater war jung verstorben, die Mutter hatte für die beiden noch jüngeren Geschwister allein zu sorgen, so dass Elisabeth Emmler gezwungen war, eine Stelle als Stenotypistin anzunehmen, um zum Lebensunterhalt der Familie beizutragen.
1939 erkrankte die junge Frau schwer. Erst nach vielen Wochen trat eine allmähliche Besserung ein. Zu diesem Zeitpunkt stand der Zweite Weltkrieg unmittelbar bevor, die Räumung der Stadt Pirmasens – im Grenzgebiet zu Frankreich – wurde vorbereitet. Obwohl sie noch nicht wieder richtig gehen konnte, verließ Elisabeth zusammen mit Mutter und Geschwistern mit dem letzten fahrplanmäßigen Zug die Heimat in Richtung Kahl am Main, wo die Familie bei Verwandten unterkam. Drei Tage später brach der Zweite Weltkrieg aus. Die Umsiedlung nach Unterfranken war im Nachhinein betrachtet, durchaus ein Glücksfall für die Pirmasenserin. Denn von Kahl aus war die Hochschule für Gestaltung in Offenbach mit dem Zug leicht zu erreichen, wo sie im Frühjahr 1940 mit dem Studium begann. Dort machte sie sich mit allen Techniken der Buchillustration vertraut. Nachdem die zeichnerischen Talente gefestigt waren, verlagerte sich die Künstlerin intensiv autodidaktisch auf die Scherenschnitte. Maßgeblich beeinflussend für die künstlerische Ausprägung war Professor Willi Harwerth. Jede freie Minute, und das war im Krieg mit seinen immer häufiger werdenden Bombenangriffen nicht ganz leicht, nutzte sie für ihre Arbeit.
Durch die Vermittlung von Karl Klingspor, dem Inhaber einer Schriftgießerei in Offenbach am Main, der regelmäßig Künstler zum Entwerfen von Druckschriften heranzog, fand sie ihren ersten Verlag. Die Firma Nattermüller in Hannover-Münden brachte zahlreiche ihrer Motive als Glückwunschkarten heraus. Sie erhielt Aufträge von Firmen, Zeitschriften und Buchverlagen. Bald konnte sie ihre ersten Ausstellungen bestücken, zunächst in Kahl, später in Aschaffenburg, Würzburg, Offenbach, Hanau, Wuppertal und Berlin.
In den 1950er und 1960er Jahren wurde Elisabeth Emmler auch durch Radio- und Fernsehreportagen über Deutschland hinaus bekannt. Viele ihrer Originale befinden sich in den USA, Afrika, Indien und Australien. Zum Weihnachtsfest 1959 sandte sie an Papst Johannes XXIII. eine in Scherenschnitt ausgeführte Rosenkranzmadonna.
Von 1956 bis 1968 unterrichtete Elisabeth Emmler als Kunsterzieherin an den Realschulen in Alzenau und Aschaffenburg. Nach diesem Exkurs widmete sich die fast 50-jährige einzig und allein der Kunst. 1977 ließ sie sich mit ihrem langjährigen Lebensgefährten in Wertheim nieder.
Eine besondere Liebe hatte Elisabeth Emmler zur Natur, was in ihren zahlreichen Pflanzenmotiven deutlich zum Ausdruck kommt. Die filigrane Zartheit einzelner Zweige, Blüten, Blätter und Gräser hat sie mit unwahrscheinlicher Akribie nachempfunden. Ganz ähnlich ist es bei den Tierdarstellungen. Seien es nun Vögel, Pferde, Rehe oder das Eichhörnchen, jede charakteristische Bewegung hat sie auf Papier festgehalten.
Immer wieder kehrte Elisabeth Emmler zu den Märchenfiguren zurück. Von den Gebrüdern Grimm bis zu Sindbads Reisen illustrierte sie viele bekannte Kinderbücher, deren Bilder sich in das Gedächtnis einer ganzen Generation eingeprägt haben. Auch als Autorin von Erzählungen mit biografischen Zügen begeisterte die Pirmasenserin ihre Leser. Wie eine Märchenerzählerin wollte sie die Fantasie der Menschen beflügeln. So saß sie bei ihren Ausstellungen inmitten der Bilder und las aus ihren Büchern „Durch die Schusterkugeln geschaut“ und „Weihnachtsgeschichten“. Sie nahm die Zuhörer mit auf eine Reise voller Wunder und inmitten der schwarz/weißen Bilder erwachten Figuren in Gedanken zum Leben. Später beim Signieren schrieb sie oft den Satz „Wenn du Märchenaugen hast, ist die Welt voll Wunder“ (Viktor Blüthgen 1844-1920).
Zahlreiche Einzelausstellungen im In- und Ausland bestückte sie mit ihren Werken. Außerdem dienten ihre Schnitte zur Illustration fremder und eigener Bücher. Die in Pirmasens erscheinende Fachzeitschrift für das Schaustellergewerbe „Der Komet“ veröffentlichte regelmäßig zur Weihnachtszeit bis in die 1990er-Jahre Geschichten und Drucke der Künstlerin.
Die rege künstlerische Betätigung brachten ihr 1981 den Förderpreis der Stadt Wertheim und 1990 den Ehrenpreis der Stadt Wilna (Polen) ein. Pirmasens zeichnete sie 1991, aus Anlass ihres 75. Geburtstages, mit der Stadtehrenplakette in Bronze aus. Ihr künstlerisches Schaffen würdigte ihre Heimatstadt ab 1995 mit einem eigenen Scherenschnittkabinett im Museum Altes Rathaus. Mit mehr als 50 Exponaten deckt es die gängigen Sparten des Genres ab.
Nach ihrem Tod am 21. November 1998 in ihrer Wahlheimat Wertheim am Main, wo sie auch beigesetzt wurde, erhielt Pirmasens den kompletten Nachlass inklusive aller Druckwerke, Postkarten und (Märchen-)Bücher. Weit über 300 Schnitte befinden sich im Depot der Stadt und werden in der Dauerausstellung und in verschiedenen Wechselausstellungen gezeigt. ak/ps

Autor:

Andrea Kling aus Pirmasens

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