Lehrer am Limit: 40 von 132 Erstklässlern an Gräfenauschule fallen durch

Die Förderräume sind gut gebucht  Foto: Julia Glöckner

Von Julia Glöckner

Ludwigshafen. 40 von 132 Erstklässlern der Gräfenauschule Ludwigshafen werden voraussichtlich die erste Klasse wiederholen müssen. Dass die Grundschüler ihre Lernziele nicht erreichen, habe besonders damit zu tun, dass sie schon vorher nicht ausreichend gefördert worden seien, so die Schulleiterin Barbara Mächtle. Zudem leben im Hemshof viele Migranten, eine Herausforderung für die Schule.

Lernschwierigkeiten bei Kindern
Die Gründe für die schlechten Lernfortschritte der Erstklässler seien vielfältig und verstrickt, berichtet die Schulleitung. Einer der Hauptgründe: In Ludwigshafen fehlen derzeit rund 2.000 Kitaplätze. Das verstärke noch den Trend, dass mehr und mehr Kinder gar keinen oder erst im letzten Vorschuljahr einen Kitaplatz bekommen. Damit seien sie unzureichend auf die Schule vorbereitet.
„Vielen Kindern fehlen die typischen Fertigkeiten, die sie aus der Kita eigentlich mitbringen sollten: Zahlen auf dem Würfel lesen, der sichere Umgang mit der Schere, das Erfassen kleiner Mengen im Matheunterricht oder einfach mal 20 Minuten sitzen bleiben und sich konzentrieren“, sagt Mächtle. „Auch im sozialen Umgang miteinander sind viele Erstklässler nicht so weit, wie man es altersgemäß erwarten sollte. Wir beobachten, dass die Kinder keine Strategien kennen, um Konflikte zu lösen. Den Lehrern gegenüber haben sie nicht den Mut, ihre Bedürfnisse und Sorgen mitzuteilen.“

Laut Schulleitung fehlt es vielen Schülern auch an Impulskontrolle, also an Einsicht und Disziplin, die eigenen Bedürfnisse hinten anzustellen, um mal eine Matheaufgabe fertig zu rechnen. Die Lehrer müssten viel Zeit für Erziehung aufwenden, die eigentlich für Stoffvermittlung gedacht ist. „Zudem bräuchten die Kinder eigentlich schon ab vier Jahren eine feste Tagesstruktur: Abläufe also, die sie annehmen und eingewöhnen, damit sie lernen, sich Aufgaben mit voller Konzentration zu widmen“, sagt Mächtle. Normalerweise lernen die Kinder das in der Kita.

Seit vielen Jahren lernen an der Gräfenauschule überdurchschnittlich viele Kinder mit Migrationshintergrund. Derzeit sind das 98 Prozent. Hinzu kommen Grundschüler aus Familien mit schlechteren sozialen Startvoraussetzungen: ein niedriges Bildungsniveau, Arbeitslosigkeit, Geldsorgen. Die ausländischen Familien seien teils kinderreich, so dass die beanspruchten Mütter weniger Zeit für jedes einzelne Kind hätten, so Mächtle.

Die Deutschkenntnisse vieler Schüler sind nicht gut genug, um lesen zu lernen. Derzeit braucht nur knapp ein Prozent der Erstklässler keine Sprachförderung. „Kinder bildungsferner Eltern, die selbst nicht die Möglichkeit hatten, eine Schule zu besuchen, fehlen außerdem häufiger in der Schule. Diesen Eltern vermitteln wir dann in Gesprächen, dass Schule eine Chance ist“, ergänzt Mächtle. Die anderen Grundschulen mit Einzugsgebiet Hemshof, die Erich-Kästner-Schule und die Goetheschule, kämpfen mit denselben Problemen.

Suche nach Lösungen
Mächtle sucht die Ursachen nicht nur in der Herkunft, sondern sucht gemeinsam mit dem Kollegium nach Lösungen. So konnte man den Lehrermangel und die Defizite durch Corona mit sogenannten anders qualifizierten Kräften, Studenten und Quereinsteigern, wieder wettmachen.

Mit mehr Ressourcen könnte man die Kinder allerdings noch besser auffangen, sagt Mächtle. Mit mehr Lehrpersonal ließen sich zum einen noch mehr Elterngespräche führen, um die Kinder im familiären Umfeld besser zu unterstützen und auf Lernziele hinzuführen. Zum anderen ließe sich der Umfang an Deutschförderstunden in der Schule weiter ausbauen.

Mächtle wünscht sich außerdem, dass die Kitas im Land die Vorschulkompetenzen besser fördern. So macht es derzeit eine BASF-Kitagruppe mit zwölf Schulanwärtern, die für zwei Stunden pro Woche gezielt auf die Schule vorbereitet werden. Das von BASF geförderte Kita-Projekt brachte Mächtle im vergangenen Jahr mit auf den Weg.

Verpflichtende Vorschuldeutschkurse im letzten Kitajahr gibt es in manchen Bundesländern bereits. Beginnt die Deutschförderung dagegen erst in der Schule, verpassen ausländische Kinder anderen wichtigen Unterricht. Denn dafür muss man sie aus den Klassen nehmen. „Für die Kinder wäre es auch gut, wenn sie außerhalb der Schule und möglichst schon vor Schulbeginn mehr im Austausch mit Kindern anderer Nationalitäten stehen würden oder Kindersprachkurse besuchen würden“, sagt Mächtle.

Herausfordernder Unterricht
Angesichts unterschiedlicher Lernfortschritte müssen die Lehrer oft differenzierten Unterricht machen: Während eine Gruppe sinnerfassend liest, übt eine andere Ortsangaben und eine weitere noch einen Buchstaben. Zusätzliche Kräfte könnten auch hier die Lehrer entlasten. „Dafür bräuchte es keinen zweiten Lehrer. Vielmehr bräuchte es Kräfte, die Kindern helfen, mal eine Seite aufzuschlagen und so verhindern, dass diejenigen, die weniger Deutsch verstehen, völlig abgehängt werden“, sagt Mächtle.

Normal begabte Kinder bleiben durch Lernschwierigkeiten im schlimmsten Fall auf der Strecke. Erkennt man bei ihnen keinen Förderbedarf durch Minderbegabung, der den Antrag auf sonderpädagogische Förderung rechtfertigt, werden sie nach maximal zweimaligem Wiederholen und sechs Jahren Grundschule auf eine weiterführende Schule kommen. Auf lange Sicht schaffen diese Schüler jedoch häufig gar keinen Schulabschluss.

Dabei soll Schule Kindern den Weg ins Leben ebnen. Kinder sind die Zukunft. Eine andere haben wir nicht. jg

Autor:

Julia Glöckner aus Ludwigshafen

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