„Historisches Ereignis“
Friedrich Merz erst im zweiten Wahlgang zum Bundeskanzler gewählt

- Bundeskanzler Friedrich Merz.
- Foto: Tobias Koch
- hochgeladen von Werner G. Stähle
Der von den Bundestag-Fraktionen CDU/CSU und SPD vorgeschlagene Kandidat für das Amt des Bundeskanzlers ist heute Vormittag (6. Mai 2025) im ersten Wahlgang gescheitert. Friedrich Merz (CDU) erhielt 310 Ja-Stimmen. Damit wurde die erforderliche Mehrheit von 316 nicht erreicht - und der bereits förmlich verabschiedete Olaf Scholz (SPD) blieb bis auf weiteres Bundeskanzler und die Ministerinnen und Minister seiner Regierung im Amt. Wann ein zweiter Wahlgang stattfinden kann war zunächst nicht geklärt.
Bundestagspräsidentin Julia Klöckner unterbrach nach der Verkündung des Wahlergebnisses die Sitzung auf unbestimmte Zeit. „Mit einem Signal“ soll bekannt gegeben werden wann die Fortsetzung erfolgt, erklärte sie. Vor Ort anwesende Berichterstatter schildern ein „aufgeregtes Durcheinander“ unter den Abgeordneten. Der Kandidat Friedrich Merz habe bislang keine Erklärung abgegeben oder abgeben lassen. Damit blieb lange unklar ob er wieder antreten wird. Gegen zwölf Uhr trat Jens Span, Vorsitzender der CDU/CSU Bundestagsfraktion kurz an die Mikrofone und erklärte, seine Fraktion werde Friedrich Merz für einen zweiten Wahlgang vorschlagen. „Wann dieser stattfinden kann, kann ich noch nicht sagen“.
Wie von Bundestagspräsidentin Julia Klöckner verkündet wurde, hatten von den 630 Abgeordneten des Deutschen Bundestages 621 in geheimer Wahl abgestimmt. 310 votierten mit „ja“. Damit wurde die erforderliche Mindestzahl von 316 nicht erreicht. 307 stimmten mit „nein“, eine Stimme war ungültig, drei enthielten sich. Die Koalition von CDU/CSU und SPD umfasst 328 Abgeordnete. Somit hatten von dieser mindestens 18 Friedrich Merz die Kür zum Kanzler verweigert.
Der geschäftsführende Bundeskanzler Olaf Scholz reagierte mit Kopfschütteln und Schulterzucken. Er hatte sich gestern Abend mit einem „Großen Zapfenstreich“ festlich verabschieden lassen. Offenbar hatten er und die maßgeblichen politischen Akteure als selbstverständlich angenommen, dass die Parlamentarierinnen und Parlamentarier der neuen Koalition abstimmen würden wie von ihnen erwartet.
Politologe Albrecht von Lucke (Berlin) sprach im Interview von einem „Historischen Ereignis“. Tatsächlich ist seit Bestehen der Bundesrepublik noch kein Kanzlerkandidat nicht im Ersten Wahlgang gewählt worden. Markus Söder kommentierte als CSU-Parteivorsitzender und Ministerpräsident von Bayern aus München „das zeigt, dass wir in einer ernsten Lage sind“. Es könne ein „Vorbote von Weimar sein“. Offenbar bezog er sich auf den Rücktritt der Regierung Hermann Müller (SPD) am 27. März 1930. Danach hatte Heinrich Brüning (Zentrum) ein Minderheitenkabinett gebildet und war zur Politik der Notverordnungen übergegangen, gestützt durch den Reichspräsidenten Hindenburg.
Nachdem die Fraktionen von B90/Grüne und Die Linke einer Änderung der Geschäftsordnung zugestimmt hatten, konnte am Nachmittag ein zweiter Wahlgang durchgeführt werden. Kurz nach 16 Uhr verkündete dann Bundestagspräsidentin Klöckner, dass Friedrich Merz von den Abgeordneten des Deutschen Bundestags im zweiten Wahlgang zum Bundeskanzler gewählt wurde, mit 325 Ja-Stimmen, 289 Nein bei einer Enthaltung. Demzufolge stimmten weiterhin mindestens drei Abgeordnete seiner Koalition nicht für ihn.
Autor:Werner G. Stähle aus Hauenstein |
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