Kiosk am Rheinvorland
"Eine menschlichere Gesellschaft" - leider nicht im Alltag der Bürgerinnen und Bürger von Germersheim

 Mit völlig unpassendem und überzogenem Pathos in der Überschrift wurde die Pressemitteilung des Mainzer Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau über den Zuschuss für eine barrierefreie - wie sollte sie aufgrund der geltenden Vorschriften denn auch anders sein?! - öffentliche Toilettenanlage am Germersheimer Rheinufer noch einmal für die Druckausgabe des WOCHENBLATT vom 22.01.2020 aufbereitet.
Durch die Hervorhebung der an einen Kiosk - bei der Beschlussfassung war es noch ein "Pavillon" - angeschlossenen Toilette wird allerdings davon abgelenkt, dass mit dem Bescheid aus Mainz die Stadtverwaltung auch grünes Licht erhalten hat, weitere 400 000 Euro (mindestens) auf ihrer Lieblingsspielwiese "Stadtmarketing/Tourismus" auszugeben, sich mit dem Kiosk nach den Räumen in der Stadthalle eine weitere Gaststättenimmobilie zuzulegen und zukünftig auch noch selbst als Gastwirt aufzutreten. Denn der noch zu suchende Pächter ist doch nur ein Strohmann, weil er ein "gastronomisches Konzept" vorlegen muss, das die Stadt bereits für ihn festgelegt hat: "Kaffee und Kuchen von guter Qualität, eventuell Eis, kleine Gerichte wie warme Baguettes oder Ähnliches, und Wein vom Winzer."
Kann es, ja darf es wirklich sein, dass die Stadtverwaltung, die immer dann, wenn es ihr in den Kram passt, auf ihre hohe Verschuldung hinweist, Steuergelder ver(sch)wendet, um sich im Gaststättengewerbe zu betätigen? Dieses Geld sollte sie besser als Daseinsvorsorge, zu der sie ja verpflichtet ist, in Maßnahmen investieren, die für alle Bürgerinnen und Bürger von Germersheim in deren ganz normalem Alltag bei jedem Wind und Wetter "eine menschlichere Gesellschaft" schaffen.
Die hier so besonders herausgestellte Barrierefreiheit - die Berücksichtigung der Belange von Personen, "deren Mobilität ... wegen einer körperlichen (sensorischen oder motorischen, dauerhaften oder zeitweiligen) Behinderung, einer geistigen Behinderung oder Beeinträchtigung, wegen anderer Behinderungen oder aufgrund des Alters eingeschränkt ist" - spielt nämlich ansonsten im Denken und Planen der Verantwortlichen im Stadthaus keine Rolle.

  • ·Die CDU sah sich deshalb vor einigen Jahren veranlasst, die Stadtverwaltung durch einen Antrag aufzufordern, bei Baumaßnahmen "besonders auf die Belange beeinträchtigter Personen einzugehen".
  • ·Aus unerfindlichen Gründen verlegte die Stadt den Ruftaxi-Halt von der Einmündung der Sponeck-Str. in die K.-Adenauer-Str. an die Einmündung der Sponeck-Str. in die Th.-Heuss-Str. mit der Folge, dass sich für die Senior*innen des DRK-Sozialzentrums Betreutes Wohnen der Weg zum Haltepunkt von vorher 70 m auf nun 300 m verlängert.
  • ·Am im November 2018 eröffneten Fachmarktzentrum wurde die neue Haltestelle "Paradeplatz" (Bus + Ruftaxi) eingerichtet, aber der Investor durfte so bauen, dass sich der Weg von den Märkten zur Haltestelle für diejenigen, die das Treppenkonstrukt nicht nutzen können, von ca. 110 m auf 270 m verlängert.
  • Mit dem Ruftaxi wiederum bietet die Stadt ein Beförderungsmittel an, das nicht barrierefrei ist und noch viele andere "Konstruktionsfehler" (u. a. mangelhafte Anschlüsse an S- und Stadtbahn, Benachteiligung der Germersheimer ÖPNV-Nutzer*innen durch fehlende Einbindung in den Verbundtarif) aufweist. Es gibt leider keine Anzeichen dafür, dass die Stadt zusammen mit dem Kreis Germersheim, dem eigentlichen Aufgabenträger, daran etwas ändern will, obwohl durch das Personenbeförderungsgesetz 2013 das Ziel der vollständigen Barrierefreiheit bei der Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs bis zum 01. Januar 2022 vorgegeben wurde.

Wesentliche Verbesserungen im Straßen-ÖPNV (die auch Touristen zugute kämen) sind aber nur ein Bereich, in dem Germersheim "menschlicher" werden könnte - nein, nicht könnte, sondern muss. Wie sieht es etwa insgesamt mit der Kinder-/Familienfreundlichkeit aus? Beim Ruftaxi, das es nun bald 30 Jahre gibt, ist die Stadt jedenfalls nie darauf gekommen, ein "Herz für Kinder" zu beweisen - es kostet (seit 2004) 1,50 € pro Fahrgast. Aber bei ihren touristischen Angeboten zahlen Kinder unter 14 Jahren nichts (Stadtführungen) oder nur 6 € (Nachenfahrten).

Also, liebe Leserinnen und Leser, zeigen Sie weitere Defizite auf, machen Sie Ihr Anliegen öffentlich.

Nebenbei ...
Im Zusammenhang mit diesem Bauvorhaben wurden - zumindest nicht in der Presse - wichtige Fragen nicht gestellt oder beantwortet, zum Beispiel:

  • ·Hat man überhaupt ernsthaft erneut nach einem Investor gesucht? Wenn 2008 sich keiner gefunden hat, als das Umfeld noch anders aussah, sollte man annehmen dürfen, dass nach der Umgestaltung des Rheinvorlandes für 2,3 Millionen € doch inzwischen die Bauwilligen Schlange stehen müssten. Oder ist trotz der optischen Verbesserungen niemand interessiert gewesen, weil über das ganze Jahr gesehen die "Kundschaft" für diesen "Pavillon" doch nicht groß genug ist?
  • ·Welche jährlichen Folgekosten sind mit dem Gebäude verbunden? Wer trägt die durch den Betrieb der Toilettenanlage entstehenden Kosten (Abwasser, Reinigung, Strom für Heizung - oder ist keine vorgesehen und das Ganze nur eine Schönwetter-Geschichte)?
  • ·Ist die Nutzung der Toilette unentgeltlich oder nur gegen Gebühr möglich, rund um die Uhr oder nur zu Öffnungszeiten des Kiosks?
  • ·Wie soll die versprochene Deckelung der 2018 auf 550 000 € geschätzten Kosten bei einer zu erwartenden Erhöhung der Baupreise um etwa 10% bis zur Erstellung in diesem Jahr rein praktisch funktionieren? Weniger Stelzen? Wohl ausgeschlossen. Weniger Quadratmeter? Billigeres Material?
  • ·Sind in dieser Summe auch die Erschließungskosten (Stromversorgung/Abwasserentsorgung) enthalten?
Autor:

Hermann Völkel aus Germersheim

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