Nachkriegsmoderne im Stadtentwicklungsgebiet City birgt riesige Potenziale

- Skelettbau und abgerundete Balkone sind typische für die Architektur der 50er Jahre.
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Ludwigshafen. Angesichts des Sanierungsstaus in der City bleibt die charakteristische Architektur oft unentdeckt, wenn man im schnelllebigen Alltag zu Fuß vorbeieilt. Das bedeutende Erbe aus den 50ern, 60ern und 70er zeigt sich erst auf den zweiten Blick. Architektenkammern raten Städten, dies als Marke zu verstehen und damit Stadtmarketing zu machen.
Von Julia Glöckner
Tourguide Ursula Dann führt am Museumstag durch Sanierungsgebiet, vorbei an ungepflegten Ecken richtet sie den Blick immer wieder auf Architekturschätze, auf versteckte Fassaden, auf eleganten Bauten der Nachkriegsmoderne. Verdeckt durch sanierungsbedürftige Ladenzeilen kommen sie oft wenig zur Geltung.
Erster Stopp ist das alte Umspannwerk im Bauhausstil. „Der Bauhausstil zeigt sich hier an klaren, horizontalen Linien und den funktionalen Elementen. So führen durch die kunstvollen Erker die Treppenhäuser", erklärt Dann. Der Stil der neuen Sachlichkeit wurde später an vielen Gebäuden der 50er Jahre wieder aufgegriffen.
Am Lutherplatz wurde ein offener Kirchenraum realisiert, den Dann "offenen Kunstraum" nennt. Nach den Bombenangriffen 1945 blieb nur der Lutherturm und eine Fassade stehen. Die Umrisse des ehemaligen Kirchenschiffs sind durch den Sandsteinquader heute noch klar erkennbar und durch Rankgitter und Grünpflanzen begrenzt. Neben dem Lutherbrunnen ist Platz für das Restaurant Torre da Angelo, unter Ludwigshafenern längst zum Kultitaliener geworden.
Das Hack-Museum mit seiner 50 Meter langen Schieferwand, die zweitgrößte des Weltkünstlers Miró, gehört unbestritten zu den Schätzen Ludwigshafens, genauso wie der imposante Pfalzbau. Für viel mehr Überraschung und Interesse unter den Tourgästen sorgten die Gebäude aus den 50er und 60ern im Sanierungsgebiet, an denen sich die ganze städtebauliche und architektonische Eleganz dieser Zeit zeigt.
Charme der 50er am Berliner Platz
So zeigt sich die elegante Schlichtheit der 50er am Ankerhof, einem Wahrzeichen Ludwigshafens. Die Skelettbausweise der klassischen Moderne der 20er, auch Bauhaus genannt, wird an vielen Gebäuden in der City aus den 50ern wieder aufgegriffen. „Die 50er-Jahre-Architektur ist geprägt durch den Wunsch nach Offenheit und Freiheit. Das kommt an den großzügigen Loggien des Ankerhofs zum Ausdruck“, erklärt Dann. „Kennzeichnend ist auch Mosaik als Schmuck." Der Fokus dieser Zeit lag auf der Fassade. Mit Görtz fand sich ein Investor, der den abgerundeten Erker liebevoll sanieren ließ. Runderker und -balkone sind außerdem kennzeichnend für die 50er.

- Der Ankerhof wird von den Ludwigshafenern als architektonisch bedeutsames Gebäude geschätzt. Leider bröckelt an der Fassade der Beton.
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Den funktionalen Skelett-Bau greifen auch Ludwigshafens abgerundete Bauten aus den 50ern wieder auf. Die Bauweise wird durch Balkone und eingefasste Fenster betont und vermittelt Leichtigkeit und Klarheit. Die Rundbauten sind miteinander im Dialog. „Hier gilt die Regel des Vordingens und Zurückweichens", sagt Dann. Die Rundungen erzeugten Halbkreiselstrukturen für Bahnverkehr, elliptische Straßen und einen besonderen Platz im Herzen der Stadt. Auch an der Ecke Kaiser-Wilhelm-Straße/Ludwigsstraße stehen die abgerundeten 50er-Jahre-Charakterbauten. „Wer genau hinsieht, erkennt auch die leichten Abrundungen am Gebäude in der Ludwigsstraße, an dem derzeit ein Gerüst steht sowie an den Nebengebäuden", so Dann.

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Mit einigen Murals, die aus dem Programm Stadtimpulse finanziert wurden, wollte die Lukom Räume der City attraktiver machen. „Städte bringen vor allem dort Wandbilder an, wo Unorte entstanden sind. Die Öffnung vom Berliner Platz zum grünen Lichtenberger Ufer hat durch das Mural deutlich gewonnen. Die Begründung und die runden, geometrischen Sitzmöbel lassen den Berliner Platz wertiger erscheinen", sagt die Führerin.

- Die Abfahrt von der Hochstraße galt als Unort. Hier entstand ein Mural, das die Stadtkarte von Ludwigshafen kunstvoll umgesetzt hat.
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Die Bebauung des Platzes gegenüber der Haltestelle Berliner Platz fällt ins Auge. „Die geschwungenen Balkone sind klassifizierend für wertige 50er Jahre Architektur“, sagt Dann. Am Gebäude über dem Schuhhandel Keller überrascht Mosaik an der Fassade. Ein weiteres Gebäude gegenüber von Woolworth zeigt sich mit gekachelten Fassaden.
In den beiden verkehrsberuhigten Straßen der City setzt sich die Betonung der Fassaden durch kunstvoll verschieferte Gebäude fort. Am Gebäude in der Bismarckstraße neben dem schicken Neubau der TWL haben sich Fliesenlegermeister verewigt. Das zeigt, dass die Handwerksmeister und Bauherren damals stolz waren, am kompletten Neuaufbau der City beteiligt zu sein.

- Hier hat sich der Handwerksmeister verewigt: 1945 brannte die Innenstadt, 1959 wurde das gekachelte Gebäude neben dem Neubau der TWL fertiggestellt.
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Auch das Rheinufer hat mit dem neuen Rheinmarktgelände ums Einkaufszentrum in Form eines Kreuzfahrtschiffs deutlich gewonnen. Die imposanten Treppen zum Wasser werden bei Festivals und durch Gastronomen gerne als Location genutzt. „Das Gebäude hat rundum Balkone. Auch die Seite zur Zollhofstraße hin kann zum schönen, belebten Ort werden, wenn die Stadt sich weiter hin zu einer verkehrsberuhigten wandelt. Das haben Städte auf dem Weg zur Klimaneutralität vor. Wer weiß, was in 20, 30 Jahren ist“, sagt Dann.
Die Tour endet am Kulturzentrum "das Haus" und Karl-Kornmann-Platz. Das Haus ist mit seiner abgetreppten und abgestuften Bauweise und dem Relief der Fassade ein stolzes Erbe aus den 60ern. Mit ISEK (Innenstadtentwicklungskonzept) sollen Platz und Gebäude stark begrünt und zum zentralen, belebten Ort werden.
Die Architektur der Nachkriegsmoderne wird seit Jahren neu erkannt. Ihr Wert ist angesichts der Emissionen durchs Bauen, die 50 Prozent der Gesamtemissionen ausmachen, unter vielen Architekten unbestritten und wird neu diskutiert. Andere Städte wie Düsseldorf, Frankfurt, Berlin und Essen machen mit ihrer Nachkriegsarchitektur aus den 50er, 60er, 70er Jahren Stadtmarketing. jg

- Verkacheltes Gebäude neben dem TWL Neubau
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Autor:Julia Glöckner aus Ludwigshafen |
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