Leerstand, verwaiste Parks und Plätze: Ideen zur Belebung der Citys

- In Mannheim entstand in Nähe des Landgerichts eine neue Kochschule.
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Ludwigshafen/Frankfurt .Online-Shopping, hochfrequentierte Restaurants in den Citys sowie der Wunsch vieler Menschen nach mehr Freizeitangeboten ohne Konsumzwang – das alles führt zum Wandel der Innenstädte. Städte erproben in Pilotprojekten neue Ideen für die Citys. Auch Ludwigshafen arbeitet an Ideen, Zentren, Parks und Rheinufer neu zu beleben.
Städte stehen vor riesigen Transformationsaufgaben durch den Wandel im Einzelhandel: In den 70ern gründeten sich riesige Kaufhausketten. Gleichzeitig gab es in den Citys viel kleinteiligen Einzelhandel, wie etwa Tante-Emma-Läden für Lebensmittel. Seit den 90ern dominieren die Expansionsmodelle großer Ketten die Märkte. Einkaufszentren wurden aus dem Boden gestampft, die auf die Ketten perfekt zugeschnitten waren. Seither erleben die großen Warenhäuser einen Niedergang. Zuletzt zeigte sich dies am Zusammenbruch der Galerie Kaufhaus Gruppe. In vielen Städten, wo Galeria Filialen als letzte Rettung schloss, stehen die riesigen Bauten leer, auch in Heidelberg auf dem Bismarckplatz. Kaufhof schloss seine Filiale in Ludwigshafen dagegen schon Jahrzehnte früher. Auch das Karstadt-Outlet hielt sich nicht und gab 2013 auf.
Frische Ideen für Citys
„Viele Städte entwickeln Pilotprojekte für neue Nutzungen in den großen ehemaligen Kaufhaus-Bauten, mit Blick darauf, welche Funktionen die Citys heute noch haben können“, sagt Förster. Denn der Einzelhandel verliert zunehmend seine Grundfunktion in den Citys. Laut einer Umfrage des Kölner Instituts für Handelsforschung kommen immer mehr Menschen in die Innenstädte, um neben Einzelhandel auch Gastroangebote zu nutzen. Die Städte wollen vor allem für Jüngere unter 45 Jahren Angebote schaffen. Die jungen Generationen wünschen sich mehr konsumfreie öffentliche Plätze mit Aufenthaltsqualität. Zudem kommen sie auch abends in die Stadt, um Sport zu machen oder Kulturevents zu besuchen. Ältere kommen vor allem, um Gastronomie und Handel zu nutzen.
Die Citys werden zwar auf lange Sicht Zentren für Einzelhandel, Friseure, Bäckereien bleiben, sowohl für Jüngere und Ältere. Manche Geschäfts laufen gut und werden das auch weiterhin tun. Daneben wird es aber mehr neue Nutzungen und Angebote geben.
Seit 2021 stellte das Bundesbauministerium deutschen Städten 5 Millionen Euro bereit. Mit den Mittel sollten Kommunen Pilotprojekte entwickeln. Vor allem attraktive, gemeinwohlorientierte Treffpunkte sollten entstehen. Die Gewinnerprojekte haben Pioniercharakter und könnten von anderen Städten adaptiert werden, wie eine Jury aus den Bauministerien entschied.
Kampf gegen Leerstand
Die Stadt Hanau schuf im ehemaligen Galeria-Gebäude, das wegen seiner vergoldeten Glasfassade denkmalgeschützt ist, eine ganze Reihe neuer Nutzungen. Dort entstanden bereits Co-Working-Spaces, Workshop-Räume für Vereine, Unis, Engagierte. „Allmählich liegen Nutzungskonzepte für alle Etagen vor“, berichtet Förster.
Weitere Pilotprojekte erarbeiteten, was sich aus den Ladenlokalen im Erdgeschoss machen lässt. „Leerstände erzeugen eine Art Negativsog. Straßen, in denen zwei von drei Läden nicht vermietet sind, sind in der Regel schlecht frequentiert. Verwaiste Gegenden, mit Spinnweben und verstaubten Scheiben, schaffen keine Attraktivität mehr“, sagt Förster. „Wie lassen sich diese Läden also nutzen, um attraktive Zentren zu schaffen?“
Neue Nutzungen schützen demnach auch vor Leerstand, vor denen verbleibende Betreiber sich fürchten. „Vielerorts setzen sich Gastromeilen durch, wo ehemalige Geschäfte für Betten oder Haushaltswaren schließen. Gastronomie erwirtschaftet höhere Erlöse, ist aber auch meist die letzte Option, die angesichts der hohen Mieten noch möglich ist“, erklärt Förster. „In der Leipziger Straße in Berlin versucht ein Verein Eigentümer zu gewinnen, ihre Leerstände günstiger zu vermieten. Denn mancherorts erzeugen auch die hohen Mieterwartungen der Eigentümer Leerstand.“
In der neuen Altstadt Frankfurts managt die Römer GmbH die Nutzungen der Läden, damit sie attraktiv bleiben. So sind etwa Comicläden im Kommen, genauso wie Cosplay-Shops oder Vinotheken. „Hochpreisigen Weinausschank gibt es dort nicht. Dort wird Rheingauriesling serviert“, sagt Förster. Auf den richtigen Mix käme es an, damit die Läden sich halten.
In den Deutschlands Innenstädten öffnen viele Initiativen oder Geschäftsmodelle in ehemaligen Ladenlokalen ihre Türen. In Mannheim entstanden etwa eine Kochschule und ein Repaircafé, in Ludwigshafen Treffpunkte für Engagierte aus den kreativen Milieus oder ein Working-Space der Hochschule Ludwigshafen. Dort wird für Wissenstransfer in die Zivilgesellschaft hinein gesorgt. Vereine und Aktive wirken in Ludwigshafen stark an der Belebung von Orten mit Attraktivität sowie am Strukturwandel mit.
Zurück zur Salon-Kultur
„Bei der Gestaltung von Stadtbibliotheken richtet man den Blick nach Skandinavien. Dort haben sie 7 Tage die Woche 24 Stunden geöffnet“, sagt Förster. „So wurde in Mönchengladbach die Stadtbibliothek saniert und umgestaltet. Inzwischen gibt es Co-Working-Spaces, Räume für 3D-Druck und eine Nähwerkstatt, weil die Stadt stark von der Textilindustrie geprägt ist“.
Auch in Ludwigshafen zeigte sich, wie sich mit der Kernsanierung der Bibliothek ein Gebäude als öffentlicher Raum umfunktionieren lässt. Vor allem junge Menschen besuchen tagsüber die Bibliothek, nutzen die Leseecken und Lernräume. Am Wochenende kommen die Berufstätigen und Pendler, um Zeitung zu lesen, Podcast zu hören oder Bekannte zu treffen – bei freiem Eintritt. Als Pilotprojekt bewarb sich LUs Stadtbibliothek allerdings nicht. Sie war der Zeit voraus.
Dresdens Umbau des ehemaligen Kulturpalasts zur Stadtbibliothek gilt als vorbildhaft, zählt aber ebenfalls nicht zu den geförderten Pilotprojekten. Sie hält heute viele Nutzerplätze bereit, die meisten mit Blick auf die Altstadt, Gruppenarbeitsräume sowie Abspielräume für digitale Medien und einem Kultursaal.
Neue Stadträume am Fluss und in Parks entwickeln
Stadträume am Fluss und in Parks, die es auch in Ludwigshafen gibt, können Hebel zur Belebung der Citys sein. In Stuttgart rang ein Verein lange um neue Nutzungen am Neckar. „Der Neckar ist eine schmale Schifffahrtsstraße. Weil die Schiffe einen starken Sog erzeugen, ist Baden verboten. Auch öffnet sich der Kai nur durch Treppen zum Wasser hin. Wer es nicht zur Treppe schafft, findet keinen Weg aus dem Wasser und ertrinkt“, erklärt Förster. „Ein Bad war deshalb nicht machbar. Stattdessen wird die Neckarinsel, Sitz des Schifffahrtsamt, heute als Eventgelände genutzt. Auf der Insel stehen Veranstaltungscontainer. Kanufahren und Stand-Up-Paddeln sind möglich. Dort ist ein neuer Ort für die Stadtgesellschaft entwickelt worden.“
In Ludwigshafen werden in den nächsten Jahren neue Zugänge zum Rhein geschaffen. Derzeit laufen die Bauarbeiten zur Verlängerung der Hafenpromenade auf der Festlandseite zur Parkinsel. Wie sich die Areale um Rhein und Hafen noch nutzen lassen, wird sich mit der Umsetzung des Stadtentwicklungskonzepts für die City (ISEK) zeigen.

- Von der neuen Kohl-Allee aus wird es Zugänge zum Rhein geben. Das Areal um den Brückenkopf wird zur Grünfläche. Vom Stadthaus Nord führt eine Seitenstraße im schrägen Winkel auf die Kohl-Allee. Rechts von der Rheinbrücke gibt es weitere Areale am Rhein.
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Auch City-nahe Parks werden nach heutigen Vorstellungen umgenutzt. Neuruppin zählt zu den Gewinnerprojekten. Engagierte hauchten durch Sportangebote, naturnahe Erholung und nachhaltige Bildung dem Park neues Leben ein. Beteiligt sind Schulen, Vereine und Initiativen.
„Aktivitätsparks sind im Trend, in denen Tennis und Streetsoccer gespielt werden kann. So füllt sich etwa der Frankfurter Osthofenpark am Wochenende mit Menschen“, erklärt Förster. Ähnliches wird auch der Friedenspark leisten, der mit dem Bau der Kohl-Allee und dem neuen Quartier, das dadurch entsteht, deutlich größer wird. Dort werden große Flächen für Sport und Spiel sowie Skaterpark entstehen. Das trifft die Erwartungen der jungen Leute. Im Park wird es aber auch ruhige Ecken geben.
Die Ludwigshafener Festkampagne der Lukom zum hundertjährigen Jubiläum des Ebertparks wird die riesige Grünanlage neu beleben und aus seinem Dornröschenschlaf wecken. Zustande kommen wird das Projekt nicht durch öffentliche Fördermittel, sondern durch Spenden und Engagement aus der Zivilgesellschaft. jg
Weitere Informationen:
Die Ausstellung „Urbane Resilienz in der Praxis. Impulse für die Stadt im Wandel“ im Deutschen Architekturmuseum stellt 10 der 19 Pilotprojekte vor, die mit von Mitteln des Bundesministeriums seit 2021 entwickelt und umgesetzt wurden - im Dialog mit den Bürgern.


Autor:Julia Glöckner aus Ludwigshafen |
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