Karlsruher Capoeira-Trainer bei digitaler Fachkonferenz
Capoeira und Wissenschaft

Foto: Abadá-Capoeira
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Die Themen waren vielfältig: Capoeira als unterstützende Therapie bei Parkinson oder als physiotherapeutischer Ansatz bei Kindern mit cerebraler Bewegungsstörung. Einfluss der Isolation während der Corona-Pandemie auf die Lebensqualität älterer Capoeiristas. Die Entwicklung charakteristischer Angriffsbewegungen im Laufe der Capoeira-Geschichte. Inklusion in der Capoeira.
Eines hatten all diese Themen jedoch gemein: die brasilianische Kampfkunst Capoeira. Und sie waren Teil des technisch-wissenschaftlichen Treffens der weltweit größten Capoeira-Vereinigung „Abadá“.

Bereits zum fünften Mal wurde die Konferenz abgehalten – in diesem Jahr Corona-bedingt erstmals digital. Organisiert wurde das Event vom Bundesinstitut Ceará (IFCE) in Kooperation mit der Bundes-Universität Vale do Sao Francisco (UNIVASF) in Brasilien. Rund 300 Teilnehmende konnten in verschiedenen Online-Räumen wissenschaftlichen Vorträgen lauschen und per Video über die Erkenntnisse diskutieren. 115 Arbeiten aus dem natur- und sozialwissenschaftlichen Bereich wurden vorgestellt und in einem Konferenzband veröffentlicht.

Darunter auch die am KIT durchgeführte Masterarbeit des Karlsruher Capoeira-Trainers Luiz Carlos dos Santos Gomes (Instrutor Cao). Der gebürtige Brasilianer wurde vom Organisationskomitee als Vortragender eingeladen und konnte neben der Präsentation seiner Forschungsergebnisse auch eine Diskussionsrunde als Moderator leiten. Besonders positiv hat Cao die Organisation der Veranstaltung in Erinnerung: „Es war ein perfekt organisiertes Riesen-Online-Event, bei dem 30 Personen allein für die technische Unterstützung zuständig waren und in den Online-Räumen für einen reibungslosen Ablauf gesorgt haben. Wirklich beeindruckend, was dort geleistet wurde. Ich bin sehr stolz, dass ich mit meiner Arbeit einen wissenschaftlichen Input geben konnte.“

In seiner sportwissenschaftlichen Masterarbeit ist dos Santos Gomes der Frage nachgegangen, ob sich verschiedene Capoeira-Ausweichbewegungen hinsichtlich der Gelenkbelastung in Hüfte, Knie und Fuß unterscheiden. Bei allen vier untersuchten Ausweichbewegungen geht der Capoeira-Spieler in Deckung, indem er beide Beine beugt und den geraden Oberkörper nach vorne neigt. Die genaue Ausführung variiert bei jeder Bewegung leicht und ähnelt mal einem tiefen Ausfallschritt, mal der Pose eines Sumo-Ringers, mal einer Hocke. Die Bewegungen wurden von 14 hochauflösenden Infrarotkameras aufgenommen und durch ein sogenanntes markerbasiertes optisches Verfahren analysiert. Die vom Kontakt der Füße mit dem Boden erzeugten Kräfte wurden anhand von zwei Kraftmessplatten gemessen. So konnte die Gelenkbelastung mithilfe einer spezifischen Software berechnet werden. Dos Santos Gomes hat mit seiner Forschung herausgefunden, dass die Belastung je nach Bewegung für die einzelnen Gelenke unterschiedlich groß ist. „Es gibt keine eindeutige Antwort, welche Ausweichbewegung die höchste allgemeine Gelenkbelastung aufweist. Insgesamt ist die mechanische Belastung zwar für die Hüfte am größten. Im Vergleich mit anderen Sportarten – wie zum Beispiel Springen oder Laufen – ist die mechanische Belastung bei den Capoeira-Bewegungen aber wesentlich geringer.“ Eine gute Nachricht also für alle begeisterten Capoeiristas. „Eine spannende Frage für zukünftige Studien könnte darin liegen, wie sich die Bewegungen noch schonender optimieren lassen“, fasst dos Santos Gomes zusammen, um „zielgruppenspezifisches Training zu therapeutischen Zwecken entwickeln zu können.“

In seinem Verein Capoeira Karlsruhe e. V. ist Cao nicht der Einzige, der sich mit Capoeira wissenschaftlich auseinandersetzt. Eine Schülerin hat in ihrer sozialwissenschaftlichen Bachelor-Arbeit das Potential von Capoeira für das Informelle Lernen – also das Lernen außerhalb von Bildungsinstitutionen – in der Sozialen Arbeit untersucht. Sie konnte anhand von Experteninterviews und Literaturrecherche belegen, dass durch Capoeira Kompetenzen gefördert werden können. Durch das Capoeira-typische „spielerische Miteinander statt kämpferische Gegeneinander“ können Schülerinnen und Schüler Sozialkompetenz entwickeln. Um ihre Selbstkompetenz zu fördern, hilft der Facettenreichtum der Sportart, in der jeder Schüler einen Raum für seine individuellen Stärken finden kann. Die interviewten Capoeira-Trainer betonten vor allem das große Potential der Capoeira in den Bereichen Integration, Inklusion und Gewaltprävention.

Diejenigen, denen Capoeira nur als Sportart oder als kulturelles UNESCO-Welterbe Brasiliens bekannt ist, werden erstaunt sein, dass es sich bei der wissenschaftlichen Konferenz um das drittgrößte internationale Abadá-Capoeira-Event handelt – nach den Welt- und Europameisterschaften. Wer die unglaublich vielseitige Capoeira kennenlernen möchte, ist eingeladen, sich zu einem Schnuppertraining per Mail anzumelden (info@capoeira-karlsruhe.de). Aufgrund der Covid-19-Pandemiebeschränkungen voraussichtlich wieder ab Dezember 2020. Nähere Infos sind auf der Homepage zu finden. www.capoeira-karlsruhe.de

Foto: Abadá-Capoeira

Foto: Abadá-Capoeira
Foto: Abadá-Capoeira
Autor:

Dana Graulich aus Karlsruhe

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