Fiebertraum in rot schwarz gold
Heinos Deutschland-Schokolade - wie essbarer Patriotismus knackt, schmilzt und klebt

Foto: KI Illustriert

Man stelle sich eine Tafel vor, die im Dreiklang Schwarz-Rot-Gold schweigt und doch schreit. Eine zuckrige Standarte, gegossen nicht in Bronze, sondern in Kakaomasse, poliert mit Nostalgie und dem sanften Fettglanz der Vermarktung. Der Name verspricht Herkunft wie ein Siegel, das „Original“ behauptet mit der heiligen Gravität eines Reichsapfels aus Nougat. Und über allem lächelt jener sonnengläserne Schutzpatron der volkstümlichen Heiterkeit aus Pappe, als hätte er soeben das Grundgesetz neu vertont – in Dur und mit Marzipanbrücken.

Die Entstehungsgeschichte, wie sie die Legende möchte, ist einfach und erhaben: Irgendwo zwischen Messehalle und Duty-free-Gedränge muss ein Meeting stattgefunden haben, in dem eine Hand zu viel in die Zuckerdose griff. Man verquirlte drei Teile Erinnerungssehnsucht mit zwei Teilen Stadionbratenduft, gab eine Prise Hymnenpathos hinzu, schlug das Ganze mit einem Rührgerät namens „Markenstrategie“, und als die Masse steif war, rief man feierlich: „Gießt mir eine Flagge!“ Seitdem gibt es dieses Süßwaren-Wagnis – nicht Wagner, nein: ein Wagnis –, das tut, als sei Geschichtspolitik eine Frage des korrekten Fettgehalts.

Man beachte die Typographie, die mit dem Wort „Land“ kokettiert, während die Buchstaben SCHOKO stolze Purzelbäume schlagen: ein semantisches Public Viewing, bei dem Nationalgefühl und Nussnougat in derselben Verpackung stehen. „Das Original“, murmelt der Karton, als wäre die Welt voll von Plagiaten der Bundesflagge aus Backkakao, und hier, endlich hier, läge die erste authentische Version vor – zertifiziert durch die Geste einer Sonnenbrille, die seit Jahrzehnten erfolgreich die Grenzen zwischen Bühne, Bäckerei und Bundesbewusstsein verwischt.

Die sensorische Choreografie ist programmatisch. Oben Zartbitter, damit die Politik nicht ganz aus dem Blick gerät. In der Mitte Vollmilch, weil die Mitte immer gewinnt. Unten weiße Schokolade, das süßliche Versprechen eines Stammtisch-Elysiums, in dem alles heller, harmloser und gut verpackt wirkt. Man verzehrt also von oben nach unten die Geschichte rückwärts: erst die herb gewordenen Realitäten, dann die cremige Behaglichkeit, zuletzt das entkernte Wunschland, das keinerlei Kakao mehr gesehen hat und doch am lautesten „Kakao!“ ruft.

Und nun zur Frage aller Fragen: Wer kauft so etwas? Wer steht da, zwischen Pfandbon und Parkhaus, und denkt: „Was Deutschland jetzt braucht, ist essbarer Patriotismus im DIN-A-Tafel-Format“? Vermutlich jene Spezies Einkaufswagenlenker, die schon immer gern Mitbringsel wählte, die eher eine Pointe als einen Geschmack haben. Flughafen-Philosophen mit Rollkoffer und Restbudget, Onkel mit Konfirmationskrawatte und Champions-League-Herz, Sammler von Erinnerbarkeit, die sich gern auf der Zunge auflöst. Menschen, die finden, dass ein Land vor allem dann gelingt, wenn es sich ordentlich verpacken lässt und im Zweifel knackt.

Viel schlimmer ist freilich die Vision, dass das funktioniert. Stellen wir uns die Republik im Zuckerrausch vor. In Behörden ersetzt die Kantine die Salzbrezel durch Präambel-Pralinés; beim Hammelsprung knistert es, und man stimmt ab, indem man laut den passenden Riegel bricht. Grundschulen lernen die Farblehre nicht mehr am Farbkasten, sondern am Flaggentafelchen, während die Musiklehrerin „Einigkeit und Recht und Schokolade“ in zwei Stimmen setzen lässt. Landtage führen die Fragestunde „Gesamtstaatliche Kakaofrage“ ein; das Wirtschaftsministerium meldet stolz ein neues Kern-Aggregat: das Brutto-Inlandsschoko. Und irgendwo in einem Thinktank verfasst man eine Denkschrift zur „Souveränitätskakaotisierung der Exportnation“ – selbstverständlich mit Schmelzpunkt-Impact-Assessment.

Der Fußballverband wechselt zu essbaren Eckfahnen, die Nationalmannschaft präsentiert ein Heimtrikot aus essbarer Textur, das nach Elfmeterschießen konsequent aufgegessen wird. Die Bahn führt den „Flex-Tarif Bitter 72 %“ ein, der nur dann pünktlich ist, wenn man ihn im Mund behält. In Feuilletons streitet man, ob das neue Süßwarenpatriotikum mehr an barocke Rhetorik oder an spätkapitalistische Zuckerrhetorik erinnert, während die Soziologie eine Typologie der „Knusperbürger“ entwickelt, die in Krisenzeiten milde schmelzen, aber in kalten Wintern wieder hart werden.

In Kirchen ruft man feierlich: „Nehmet und esst alle davon; es ist die Tafel der Gemeinschaft – haltbar bis 2027.“ Auf Weihnachtsmärkten reichen Bürgermeister mit weißen Handschuhen feierlich den ersten Riegel der Saison, und in Talkshows sitzt ein emeritierter Verfassungsrichter neben einem Chocolatier und diskutiert ernsthaft, ob der untere Streifen den Föderalismus gefährdet. Spätestens dann wird der Moment gekommen sein, in dem eine Stiftung für „Kakaokulturelle Bildung“ Förderanträge prüft, ob Jugendliche durch kontrolliertes Schmelzen demokratiekompetenter werden.

Und doch, selbst in dieser schillernden Kakistokratie des Kakaos, bleibt das banale Ende auf der Zunge. Denn man kann ein Land nicht naschen, ohne den Kiefer zu überanstrengen. Die Schokolade ist am Ende das, was sie immer war: eine tröstliche Unverschämtheit, ein selbstironischer Zuckerschnurrbart, der nach fünf Minuten verschmiert. Sie verschafft uns genau jene fünf Sekunden Erhabenheit, in denen wir glauben, der Duft von Nation ließe sich in Alufolie falten. Danach bleibt nur die Verpackung, die man zusammenknüllt – und das stille, klebrige Lachen darüber, dass wir beinahe geglaubt hätten, Geschmack ließe sich aus Pathos pressen.

Also gut: Möge, wer will, die Tafeln kaufen, verschenken, vernaschen, und sich dabei kurz fühlen wie der erste Mensch, der die Bundeslade als Knusperhäuschen entdeckt. Der Rest von uns prostet mit Kakao zu, nickt der Pappfigur freundlich zu und flüstert: „Danke, reicht, wir haben schon eine Flagge – die muss nicht in den Mund.“ Und wenn doch, dann bitte rechtsstaatlich kauend, mit Bissfestigkeitsvorbehalt und einer Serviette für die Würde.

Deutschland? Wenn das wirklich funktioniert, sitzen wir bald im Feuilleton und diskutieren ernsthaft, ob das Land nach Vollmilch oder Zartbitter schmeckt. Und einer wird sagen: „Kommt darauf an, von welcher Seite man anbeißt.“ Dann bricht irgendwo eine Tafel – und das Publikum bricht gleich mit. Vor Lachen. Denn am Ende bleibt die schönste Pointe dieser ganzen Pralinendiplomatie: ein Land aus Schokolade mag schmelzen, aber der Witz ist knackig. Einigkeit und Recht und – zack! – Naschland.

Autor:

Marko Cirkovic aus Durlach

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