BriMel trifft
einen von vielen spontanen Hochwasserhelfern

Hab mein Wagen vollgeladen - Ully Zahn packt an | Foto: Brigitte Melder
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  • Hab mein Wagen vollgeladen - Ully Zahn packt an
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Böhl-Iggelheim. Am 9. August traf ich mich mit dem Böhler Veranstalter Ully Zahn, der meine Aufmerksamkeit erregte, indem er eigentlich nur Hilfsgüter in das von dem Hochwasser betroffene Ahrtal bringen wollte und sich dann spontan entschloss, gleich dort zu bleiben und mit anzupacken.

???: Hallo Ully, muss die Zeit nutzen, wenn du schon mal kurz wieder in der Heimat bist. Wie oft bist du denn jetzt gependelt zwischen Bad Neuenahr-Ahrweiler und Böhl-Iggelheim?
Zahn: Hallo Brigitte, schön, dass du mich besuchst. Ich war jetzt die letzten Wochen jeweils von Mittwoch bis Samstag, also immer 4 Tage, im Ahrtal. Am kommenden Mittwoch mache ich meine vierte Tour.

???: Eigentlich wolltest Du doch nur Hilfsgüter hinfahren. Was hat Dich dazu bewegt, dort zu bleiben und mit anzupacken? Gab es ein Schlüsselerlebnis?
Zahn: Stimmt! Geplant war, die Hilfsgüterlieferung - ursprünglich aufgerufen von den Böhler Hängsching - zu begleiten. Als wir dann aber in Bad Neuenahr-Ahrweiler von der Autobahn fuhren und in Walporzheim eingefahren sind hatten wir alle das Gefühl, wir würden in ein Kriegsgebiet kommen. Nachdem wir bereits an zwei Sammelpunkten abgeladen hatten, habe ich dem dritten Sammelpunkt meine Hilfe angeboten und mich entschlossen, dort zu bleiben. Ich hätte mich nicht abends zuhause auf die Couch setzen können mit dem Gefühl, ich hätte bereits genug geholfen.

???: Gehen die Tage von Deinem Urlaub ab oder gibt es da eine Sonderregelung?
Zahn: Teilweise habe ich immer noch Corona bedingt Kurzarbeit und teilweise habe ich auch Urlaub genommen.

???: Was hast du dort vorwiegend gemacht? Dort wurde jede helfende Hand dankend angenommen oder?
Zahn: Um es vorweg zu nehmen; ich war bis heute noch nicht mit einem „Schlammtrupp“ unterwegs – vor denen habe ich größten Respekt – sondern ich habe mich einer privaten Hilfsorganisation angeschlossen (übrigens alles Eventorganisatoren, Zeltverleiher usw.) und in der ersten Woche vorwiegend Infrastruktur aufgebaut und Hilfsgüter in Empfang genommen, sortiert und dann natürlich wieder an Bedürftige verteilt.

???: Da man hörte, dass Kleidung massenhaft eingetrudelt ist, standen nur noch spezielle praktische Dinge auf der Wunschliste wie Besen, Schaufeln, diverse Elektrogeräte und Stromkabel, Werkzeug, Verbandszeugs, Taschenlampen, Dosenöffner, Konserven, Gaskocher und Arbeitshandschuhe. Habt ihr jetzt genug oder wird noch mehr benötigt?
Zahn: Generell muss man sagen, dass die Versorgung an Lebensmitteln, Getränken und Hygiene schon sehr früh ausreichend gewährleistet wurde. Dazu haben wir gleich Ende der ersten Woche damit begonnen, einen Werkzeugstand aufzubauen. Federführend war hier Frau Esther Ollik von der TV-Sendung „Bares für Rares“, die mit ihrem Netzwerk immer für Nachschub von neuem und effizientem Werkzeug sorgte. Daneben konnte ich zweimal mit meinem Auto voll mit Sachspenden (wie schon genannt) und mittlerweile über 4000 Euro Geldspenden vor Ort dafür sorgen, dass unsere Hilfe auch wirklich bei den Betroffenen ankommt. Bei Bedarf beschaffte oder bestellte ich Hilfsgüter aller Art (Schubkarren, Stirnlampen, Schaufel, Besen, Bohrhammer, Stemmhammer, Stromaggregate usw.), die ich dann direkt vor Ort übergeben konnte. Gerade gestern habe ich 250 Gaskartuschen direkt an die Sammelstelle in der Heerstraße liefern lassen. Aktuell wird viel schweres Gerät benötigt wie zum Beispiel Stemmhammer, Bohrhämmer, Bautrockner usw.

???: Wo hast du eigentlich übernachtet während Deines Aufenthaltes? Etwa im Auto oder gab es da Zelte mit Pritschen?
Zahn: Da mein Aufenthalt ja nicht geplant war, habe ich zu Beginn im Versorgungszelt in einem Schlafsack auf einem Feldbett geschlafen. Mittlerweile habe ich in meinem VW Touran die drei Rücksitze ausgebaut und schlafe im Auto. Aber für die Helfer gibt es mehrere Möglichkeiten der Übernachtung und auch Duschen und warme Mahlzeiten werden mittlerweile von den Hilfsorganisationen angeboten.

???: Bist Du so ein Mensch mit „Helfersyndrom“ oder hast Du vielleicht Verwandte oder Bekannte in diesem Katastrophengebiet? War es das erste Mal oder hast Du so eine Aktion schon öfter gestartet?
Zahn: Nein, ich kannte vorher niemanden aus dem Gebiet und ich war zu meiner Schande auch noch nicht in dem ehemals schönen Ahrtal. Für mich war es also das erste Mal! Ich spende zwar schon seit längerem kleinere Geldbeträge für die verschiedensten Anlässe und auch schon während Corona habe ich versucht, mit Spenden zu unterstützen, aber vor Ort das ist eine andere Hausnummer. Aber ich war nicht alleine. Ich möchte auch erwähnen, dass ich aus Böhl-Iggelheim Unterstützung bekam von Axel H., der auch viele Spenden gesammelt hatte und selbst in Ahrweiler tatkräftigt angepackt hat, und vor Ort habe ich völlig überraschend Andreas W. getroffen, der wirklich mit einem Schlammtrupp tagelang unterwegs war und Keller und Wohnungen von Unrat und Schlamm befreite und auch zur Wiederherstellung wieder anreisen möchte. 

???: Die Bilder vor Ort lassen einen wohl nie mehr los. Wie geht es Dir so damit?
Zahn: Wer jetzt einmal hier im Ahrtal war kommt bestimmt immer wieder. Vor Ort ist es ein anderes Schlafen als hier zuhause. Dort gehen einem immer Dinge durch den Kopf wie die Bilder und verschiedene Gespräche, wenn zum Beispiel jemand erzählt, dass er alles verloren hat, nicht nur materiell, sondern einen Todesfall beklagen muss. Da nimmt man diese Gedanken mit ins Bett und steht auch wieder mit ihnen auf. Es wird einen immer begleiten, aber zuhause dann nicht so extrem.

???: Hast Du noch besondere Wünsche an Hilfsgütern für die nächste Zeit?
Zahn: Ja, hab ich. Wir brauchen als nächstes funktionstüchtige Waschmaschinen, Kühlschränke und Trockner. Ich organisiere dann in ca. 2 – 3 Wochen noch einmal einen Transport mit Anhänger.

???: Ich hab Dich jetzt als Interviewpartner unter vielen Helfern herausgepickt, weil ich Dich kenne. Aber es war wirklich unglaublich, welche Hilfsaktionen in unserem Dörfle plötzlich gestartet wurden. So etwas habe ich derart noch nicht erlebt. Ich kann die „helfenden Hände“ gar nicht alle aufzählen, so viele engagierten sich. Deshalb möchte ich Dir und allen anderen auf diesem Wege danken. Chapeau!
Zahn: Mein Dank und Bewunderung geht auch an die freiwilligen Helfer vor Ort (teilweise selbst betroffen), die trotzdem diesen Werkzeugstand seit dem ersten Tag mit betreuen.

Außerdem möchte ich mich auch bei all denen von ganzem Herzen bedanken, die mir innerhalb von 24 Stunden nach meinem Aufruf in Facebook so viele Hilfsgüter und Bargeld vorbeibrachten und mir das alles anvertrauten. Das war wirklich unglaublich!

Aber auch andere Helfer verdienen Erwähnung. So war ich letzten Freitag einen Tag mit Ines T. (Krankenschwester und in Ahrweiler lebend) unterwegs. Sie hat das Projekt „Aktion – von Tür zu Tür“ gegründet und kümmert sich um Senioren, die betroffen und teilweise traumatisiert zu Hause sitzen. Sie macht Einkäufe und Botengänge, und ich habe sie mit Gaskochern und Kartuschen, Powerbanks, Taschenlampen usw. und auch mit Bargeld für die Einkäufe unterstützt.

Und eines möchte ich nochmal ausdrücklich sagen: Es ist unvorstellbar, was dort aus privater Hand organisiert und bewerkstelligt wurde und ich hoffe, dass das auch noch lange anhält. Ich glaube, diese Hilfsbereitschaft ist momentan in Deutschland einzigartig und für die Betroffenen extrem wichtig und diese freiwillige Hilfe wird auch mit Begeisterung und großer Dankbarkeit angenommen.
Und ich habe jede Menge tolle Menschen (Betroffene wie Helfer) kennengelernt, das alleine war mein Einsatz schon wert.
(mel)

Autor:

Brigitte Melder aus Böhl-Iggelheim

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