Oft sehr verzweifelt:
Was hat Corona aus uns gemacht?

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Interview mit Karin Vogelbacher, Heilpraktikerin für Psychotherapie, mit Praxis in Wiesental:

Haben Sie in Ihrer psychotherapeutischen Praxis unmittelbare Berührungspunkte mit Corona–Betroffenen?
Bei Covid-19 handelt es sich um eine sehr schwere Krankheit, die nicht nur viele Todesopfer gefordert hat, sondern deren Nachwirkungen im gesellschaftlichen und gesundheitlichen Bereich sich jetzt erst langsam offenbaren.
Mittlerweile habe ich in meiner Praxis vermehrt Patienten, die mittelbar oder unmittelbar unter den Folgen dieser Krankheit leiden. So gibt es z.B. Long–Covid–Fälle. Dabei handelt es sich um Menschen, die auch nach einer zunächst überstandenen Covid-19 Erkrankung wochen- bis monatelang mit schweren Nachwirkungen zu kämpfen haben.

Wie zeigt sich dies?

Diese Menschen sind oft sehr verzweifelt, weil sie das Gefühl haben, einfach nicht gesund werden zu können. Das Virus hinterlässt seine Spuren keineswegs nur im Bereich des Atemtraktes, sondern greift auch das Nervensystem an. Neben den rein körperlichen Problemen wie Husten, Kurzatmigkeit und Verlust von Geruchs- und Geschmackssinn sind anhaltende Kopfschmerzen sowie anhaltende Erschöpfungszustände und Konzentrationsschwierigkeiten weit verbreitet.
Hinzu kommen psychische Störungen wie Ängste, Depression, Stimmungsschwankungen und Schlaflosigkeit.

Wie sieht es mit mittelbar Corona-Betroffenen aus?

Die Angehörigen von Covid-10-Opfern leiden ganz besonders darunter, dass es vielfach nicht möglich war, sich um die schwerkranken Patienten zu kümmern oder von Sterbenden Abschied zu nehmen. Im Umfeld von Long Covid stellt die lange Krankheit des Betroffenen für das Umfeld, in erster Linie für LebenspartnerInnen und Familie eine hohe Belastung dar. Wenn ein Mensch, der vorher voll leistungsfähig war, plötzlich nur noch müde, traurig und erschö0pft ist, muss das erst einmal verarbeitet werden. Dafür braucht es viel Verständnis vom Umfeld.
Das Problem der fehlenden Begleitung von schwerkranken PatientInnen gilt so natürlich auch für andere Erkrankte oder Sterbende.
Bereits mehrfach gab es in meiner Praxis Fälle, in denen das fehlende oder verkürzte Abschiednehmen zu einer deutlichen Belastung der Angehörigen geführt hat, die erst einmal verarbeitet werden muss.

Wie sehen Sie die allgemeinen gesellschaftlichen Auswirkungen, die durch Corona ausgelöst wurden?

Es gibt niemanden, an dem die Coronazeit spurlos vorüber gegangen wäre. Die individuellen Auswirkungen hängen natürlich sehr stark von der persönlichen Vulnerabilität (Verletzlichkeit) und Resilienz (Widerstandskraft) ab.
Wir alle haben erlebt, dass das gesellschaftliche Leben in kürzester Zeit fast auf null heruntergefahren wurde. Der Mensch ist jedoch ein soziales Wesen. Wir brauchen andere, um zu überleben, um zu leben und um mit einem Sinn im Leben glücklich zu sein.
Sehr häufig höre ich in meiner Praxis, dass es gerade die kleinen Dinge sind, die den Menschen in der Zeit der Lockdowns gefehlt haben. Das Treffen mit Freunden, das ungezwungene Zusammensein beim Sport, die freundliche Umarmung, oder auch nur einfach mal einen Kaffee trinken zu gehen.
Bei Menschen, die gerade am Rande einer psychischen Störung stehen, kann dieser Mangel dazu führen, dass es zunehmend unmöglich wird, sich selbst zu regulieren. Bei anderen kann es sein, dass die Achtsamkeit für die kleinen Dinge gestärkt wird.

Gibt es auch positive Nebeneffekte und - wenn ja - welche?

Insbesondere im ersten Lockdown wurde die Entschleunigung und der Rückzug in den Privatbereich von vielen Menschen als wohltuend empfunden. Ein großer Teil des sogenannten Freizeitstresses fiel weg.
Außerdem hat vielen Arbeitnehmern die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten und dadurch täglich lange Fahrtzeiten einzusparen, gutgetan. Dadurch wurden ganz neue Möglichkeiten der achtsamen Wahrnehmung und Wertschätzung der eigenen Person und des nahen Umfelds eröffnet, die einige meiner Patienten positiv nutzen konnten.
Ein positiver Nebeneffekt, den ich bei meinen jugendlichen Patienten beobachten konnte, ist zum einen eine große Rücksichtnahme auf die ältere Generation, die es zu schützen galt. Gerade Heranwachsende waren und sind sich ihrer Verantwortung für andere dadurch sehr bewusst geworden. Zusätzlich konnte ich durch das Homeschooling auch eine positive Verstärkung des eigenverantwortlichen Lernens beobachten.

Wie ist Ihr Ausblick für die Zukunft?

Ich bin zuversichtlich, dass wir als Gesellschaft die Auswirkungen der Coronazeit in gemeinsamer Anstrengung bewältigen können und hoffe, dass die genannten positiven Effekte erhalten bleiben.

Autor:

Werner Schmidhuber aus Waghäusel

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