Tag 32-38: Transalp Wien - Nizza
Heidi lässt grüßen

Vier Pfälzer auf dem Karnischen Höhenweg  | Foto: Markus Pacher
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  • Vier Pfälzer auf dem Karnischen Höhenweg
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"Ich kann dich ja unmöglich im See übernachten lassen", meint Hüttenwirt Helmut bei meiner Ankunft in der Wolayer Hütte. Ein heftiges Gewitter hat mich beim steilen Schlussanstieg durchs Geröll erwischt. Völlig abgekämpft komme ich unangemeldet an der bis auf den letzten Platz besetzten, am gleichnamigen See gelegenen Hütte an.
Zusammen mit seinem Bruder und Sohn führt Helmut ein hartes aber herzliches Regiment. Punkt halbacht müssen die Gäste am nächsten Morgen den Frühstücksraum verlassen. Da gibt's kein Pardon, ebenfalls bezüglich des Trockenraums. Auf meinen Wunsch hin, den Raumentfeuchter anzuschalten, reagiert er etwas unwirsch und empfiehlt mir Gelassenheit als wichtigste Grundtugend eines jeden Bergsteigers. Ich reagiere "gelassen" und darf dafür am nächsten Morgen in meine nassen Schuhe und Klamotten steigen.
Überfüllte Hütten sind nicht vergnügungssteuerpflichtig. Oftmals teilt man sich sein Matratzenlager mit bis zu 16 Personen, darunter natürlich einige Schnarcher - wogegen Ohrstöpsel nur bedingt helfen. Wanderer mit einem ausgeprägten Bedürfnis nach Körperpflege sollten von einer Hüttentour absehen. Immerhin gibt es mittlerweile Duschen, allerdings meist nur eine einzige. Nach dem Erwerb einer Duschmarke für 3.50 Euro darf man 3 Minuten unter einem dünnen Wasserstrahl versuchen, den vorher eingeschäumten Körper zu entseifen. Leider ging bei mir in der Woyaler Hütte nach 2 Minuten der automatische Lichtschalter aus. Erst nach längerer Suche fand ich die Türklinke und konnte der stockfinsteren Nasszelle entkommen.
Aber das ist der Kompromis, wenn man zu den privilegierten Menschen zählen möchte, die ohne ins Tal absteigen zu müssen, tagelang in der Höhe lustwandeln dürfen.
Eine Alternative sind Freibiwaks für die hartgesottenen Outdoor-Freunde oder Selbstversorgerhütten bzw. die meist an eine Blechtonne erinnernden, mit Drahtseilen an den Fels gezurrten Biwakschachteln, die zuweilen das Überleben von Bergsteigern bei Wetterumstürzen auf langen Etappen sichern.
Um die Neun-Stunden-Etappe von der Zöllnerseehütte zur Wolayer Hütte zu entschärfen, wechsle ich auf die italienische Seite und übernachte nach der Besteigung des Hohen Triebs und Blausteins an der  spektakulär von einem gigantischen Felskessel eingeschlossen Selbstversorgerhütte Palgrande. Der Nachteil von Selbstversorgerhütten: Man muss Essensvorräte und genügend Wasser mitschleppen, also mindestens 4 Kilogramm mehr Gewicht in den Rucksack packen.
Und man fühlt sich oftmals einsam. Welch ein großes Glück für mich, auf dem Weitermarsch Pfälzer Anschluss in Gestalt von Bernd, Ehefrau Bianca und den beiden Töchtern Jule und Lina gefunden zu haben. Dazu stoßen Doris und Herbert aus Wien. Zusammen bilden wir auf dem Weg Richtung Silian eine tolle Wandertruppe, passen aufeinander auf, helfen uns gegenseitig bei der Wegfindung und spielen abends zusammen Karten.
Leider ist der Karnische Höhenweg, sobald man auf die italienische Seite gerät, deutlich schlechter markiert. Einmal verfranse ich mich im Nirgendwo, verliere mindestens zwei Stunden. Dank einiger ortskundiger Italiener, die mir ihre Wanderkarte schenken - meine hatte ich unterwegs irgendwo liegengelassen - gerate ich wieder in die richtige Spur und erreiche noch rechtzeitig zum Abendessen mein Quartier. 
Eine echte Ziegenalm wie bei Heidi. Wo gibt's denn sowas? Unweit der Wolayer Hütte ist das Reich von Marita. Sie verwöhnt mich mit frischem Ziegenmilch-Yoghurt und einem erfrischenden Skiwasser. Tisch und Bank teile ich mit den Hühnern, neugierig beäugen mich die Ziegen. Was für eine Idylle. Ich beneide Marita um ihren Job und ziehe im Herzen tief berührt weiter.
Wer auf dem Karnischen Höhenweg längere Zeit unterwegs ist, dem geht möglicherweise irgendwann das Bargeld aus. Kreditkarten sind oben tabu und leider gibt's auch kein WLAN. Kommunikation mit der Außenwelt ist aufgrund des schlechten Empfangs oberhalb von 2000 Metern grundsätzlich kaum möglich. Immerhin das erste Problem wäre gelöst: Meine lieben Wanderfreunde gewähren mir Kredit in beliebiger Höhe. Als Pfälzer sei ich grundsätzlich kreditwürdig, meint Bernd. Dennoch entscheide ich mich für den Abstieg ins Tal. Hinunter in das unglaublich pittoresk, aus uralten Bauernhöfen bestehende Dörfchen Obertilliach, gleichzeitig Startpunkt von Jules großer Reise nach Georgien! 
Schwer fällt der Abschied von meinen Freunden, die ich noch ein Stückchen auf dem Weg von der Porzehütte zur Oberstanzerseehütte begleiten, bevor ich mich direttissima über eine steile Geröllrinne ins Tal stürze.
Die Entscheidung für den Abstieg sollte  sich im Nachhinein als überlebenswichtig erweisen. Völlig ausgelaugt komme ich nach dem 1000-Meter-Abstieg in Obertilliach an, werfe mich ins Hotelbett und stehe 18 Stunden lang nicht mehr auf. Erwischt hat mich ein Magen-Darmvirus, den ich mir zuvor in der Woyaler Hütte eingefangen hatte und dem außer mir noch drei andere Wanderer zum Opfer fielen, die vom Berg abtransportiert werden mussten.
Wie Phönix aus der Asche bin ich schließlich wieder auferstanden und habe mit Elke und Hund mit Unterstützung der Seilbahn, meinen 23. Zweitausender bestiegen. Unbeschreibbar herrlich der Blick vom Golzentipp (2317) nach Norden in die Hohen Tauern zu den Eispanzern  des Großvenedigers und Großglockners und gen Süden und Westen zu den wie die Zähne eines riesigen Drachens wirkenden mächtigen Zacken der Karnischen Alpen und Dolomiten. Einfach atemberaubend schön.

Lesen, wie es weitergeht:
Im Banne der Drei Zinnen

Tag 24-31 meiner Tour gibt's hier:
Traumhafte Bergwelten im sonnigen Süden

Autor:

Markus Pacher aus Neustadt/Weinstraße

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