BriMel unterwegs
„Lyricism Unplugged“ mit Redekunst vom Feinsten
- Organisator Andreas Heinrich
- Foto: Brigitte Melder
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Ludwigshafen. Am Abend des 14. November präsentierte das WOW-Magazin Ludwigshafen zum zweiten Mal das Eigenformat „Lyricism Unplugged" im heimeligen unvergleichlichen Cinema Paradiso & Arte, der ehemaligen Notkirche aus dem Jahr 1886 und heutigen ausgezeichneten LUcation.
Die Veranstaltung richtete sich sowohl an eingefleischte Rapfans als auch an Menschen, die bisher wenig bis keine Berührung mit dieser Kunstform hatten. Durch den Verzicht auf Beats und musikalische Begleitung konnten sich die Zuhörer voll und ganz auf die tiefgründigen Texte und die darin steckende Lyrik konzentrieren. Man erlebte Rap in seiner reinsten Form als moderne Dichtkunst mit der Kraft der Worte. Texte, die einen einfach mitnahmen und in ihren Bann zogen performten Gastgeber Andreas Heinrich als Andymics, Sklassic, Slik Momentz und Dascha Reimt. Zudem wurde man während der Pause und im Anschluss der Lesungen musikalisch von Claude Schmidt am Flügel vortrefflich unterhalten. Es sind alles musikalische Größen aus dem Rhein-Neckar-Delta bis nach Frankfurt am Main, die ohne musikalische Begleitung auskommen und ihre Worte unplugged wirken lassen können. Karin Maria Zimmer hatte sich im Vorfeld um den guten Sound der Akustik gekümmert. Und somit war alles bereit, also kuschelig in die Sessel zurücklehnen und die Worte auf sich wirken lassen.
Andreas Heinrich begrüßte das Publikum. Man habe ja eine Veranstaltungsreihe im Kulturzentrum das Haus, aber das hätte nie so werden können wie hier in dieser Location. Es sei so schön, wenn man eine Idee hat und die auch noch gut ankomme. Er sieht Rap als einen Teil der zeitgenössischen Dichtkunst und gab eine kleine Einführung in die Entstehungsgeschichte der Hip-Hop-Kultur. Die Anfänge seien in New York in der Bronx entstanden. Es geht um Kreativität und Wortgewandtheit, die er in seinem ersten Text umwandelte. „Gib mir eine Woche und ich schreibe dir ein Buch“. Es folgte eine Neuinterpretation der „Kalenderblätter“ von Fabian Römer im angelehnten Reimschema. Seine Mutter sagte einmal zu ihm als er 18 Jahre alt war „Ich seh‘ Dich immer nur Rennen“, das inspirierte ihn zum nächsten Text. Er kann es nicht haben auf der Stelle zu stehen und will Probleme von der Seele reden.
Als ebenso guten Rapper und Texter stellte Andy Sklassic vor. Er lebt seit 36 Jahren in Ludwigshafen und hat die Themen Körper, Seele und Geist aufgegliedert in Bubble Mind Soul. „Egal, wo wir her sind, es kommt darauf an, was wir machen und wer wir sind.“ Der Lebenslauf ist wie ein harter Marathon und das Schreiben ist immer ein auf und ab, das er in einen Text umzuwandeln versuchte. „Er hat Dich gesehen, auch wenn die Zeiten dunkel waren. Wenn man einen Lauf hat fühlt es sich irgendwie magisch an.“ Man solle in der Politik Flagge zeigen und die Uhr gleicht einem Seismographen. Er sei ein alter Grübler und sein Kopf sei ein Panic-Room und manchmal wie ein Karussell. Man könne aus einer banalen Mücke einen Elefanten machen. Er ließ sein Leben Revue passieren und stellte fest, dass er bereits ein viertel Jahrhundert auf dem Tacho habe und wir kleine Lichter seien, jedoch wie Sterne glänzen wollen.
Der nächste Part ging um „La Musica“, einer gemeinsamen großen Liebe. „Ich glaube fest an Dich, Du bist ein Fest für mich!“
Als Slik Momentz trat Fritz auf, dem Andreas Heinrich viel zu verdanken habe, der das Lob etwas relativierte und Applaus für diesen und dessen Engagement vom Publikum einforderte. Nicht geprobt und am Tag zuvor erst abgetippt und ausgedruckt stellte er „Hallo Welt“ mit spontaner Klavierbegleitung vor, im Anschluss sein wie er sagt persönlichstes Lied „Wenn du fällst“. Noch verschiedene kleinere Ausschnitte aus einem Album hat er in einer nachdenklichen Zeit geschrieben. „Allein“, aber es geht darum, dass man nicht alleine ist. Er mag lieber Menschen, die einen Knall haben. „Diese Stadt brennt“ ein gemeinsames Lied mit Rapper Kollege KenPlan war eines seiner weiteren Stücke. Als Cannabis noch illegal war, zu Zeiten der Prohibition wie er sagt, hatte er "Bestes Kleid", ein Lied über eine Hanfpflanze in seinem Zimmer geschrieben. Der letzte Text entsprang aus der Zeit, als seine Tochter geboren wurde und er Gefühle hatte, die er nicht aussprechen konnte. „Ich schließ meine Augen und ich flieg weit weg“, doch aus Sorgen- werden Lachfalten.
Applaus für Claude Schmidt, der am Klavier hervorragend spielte während in der Pause die Gäste die hausgemachte und vielgepriesene Lasagne verzehrten. Claude macht seit 40 Jahren Musik und war als Barpianist glücklich. Er macht U- und E-Musik, Unterhaltungsmusik und ernste Musik, aber heute spiele er das, worauf er gerade Lust habe und das war riesig. Die Gäste dankten es ihm mit einem tosenden Applaus und Zugaberufen.
Andreas Heinrich begrüßte zurück aus der Pause und lobte nochmals diese wunderschöne Location und die leckere Lasagne und kündigte Dascha Reimt an, die er bei einem Auftritt in Heidelberg gesehen hatte, aber Dascha sei auch deutschlandweit unterwegs. Auch im Freestyle trägt sie Gedichte mit Musik unterlegt vor. „Kopflos lesen wir die Zeitung und im Nu ist die Zeit um“ auf solche Texte muss man erstmal kommen und die junge Dame hatte es drauf und performte die ganze Zeit ohne abzulesen. Respekt, dass man sich so viel Text in diesem Tempo merken kann. „Konsumenten haben mehr Macht als Präsidenten“ – unterlegt mit Klangschalen-Hintergrund. Es ging um „Wahre Liebe“, aber ohne h. Glaubst du an die wahre Liebe? Sie lacht, wenn es zum Heulen nicht reicht. Der Spruch kam von Oma, die dement wurde, aber sie wollte sie im nächsten Stück damit in Erinnerung behalten. Auf ihren Schultern bauten wir den Staat. Es folgte „Kein Bock“, ein feministisches Lied, bei dem die Gäste im Chor den Refrain mitriefen. Auf die Frage der Freestyle-Rapperin, welches Wort im nächsten Text vorkommen soll, rief jemand „Lasagne“ und alle mussten lachen. Kein Problem für die junge Dame und die Lasagne war „gegessen“. Beim Text „Frankfurter Mädchen“ bezog sie ebenfalls das Publikum mit ein „Frankfurter Mädchen, Frankfurter Schnauze, Frankfurter Seele, in Frankfurt zuhause“ im Chor, da kam Stimmung auf genau wie beim letzten Stück „Teile und herrsche“, wer gegen wen, Dascha gegen das ganze System, Wahrheit gegen Lüge usw.
Und dann präsentierte Andreas Heinrich noch einen Special Guest aus Studernheim, der heute einen neuen Song herausbringt: Raphael, in der Szene bekannt als El Leucos. In dem an diesem Tag veröffentlichten Text mit seinen Initialen als Titel geht es um seinen Werdegang. Ein zweiter Song geht darüber, dass er sich in eine andere Welt beamt - eine Traumwelt erschafft. Der Song ist eine never ending Story, mittlerweile hat er darauf schon 10 Strophen geschrieben. Andy stieg wieder ein und präsentierte seine letzten Werke, vollendete den Text „...Und? Wie frei fühlst du dich? Wenn man dir bevor du fliegen lernst als Küken deine Flügel bricht“. Der Song wird auch in den nächsten Monaten veröffentlicht. Eine Strophe über den Kampf gegen sich selbst folgte, den er damals auf Anfrage eines befreundeten Rappers namens Shook für dessen Lied schrieb. Er erzählte von einer Reise nach Ägypten, die er mit seiner Frau Delia unternahm, nachdem sie die Brücke am Berliner Platz bemalt hatten. Damals tippte er sich die Notiz "im Reich der Pharaonen" ins Handy und begann darauf Reime zu suchen und schließlich einen ganzen Song darauf aufzubauen. Es folgte "Macht was!“, was Andy 2019 schon bei den singenden Balkonen von diversen Balkonen in der Innenstadt schrie. Er beendete den lyrischen Teil des Abends mit einem Text, der zum großen Teil auch an seine Heimatstadt Ludwigshafen angelehnt ist und bat zum Abschluss nochmal alle Künstler auf die Bühne, um sie feiern zu lassen und sich gemeinsam verabschieden zu können. Anschließend setzte sich Claude wieder ans Klavier und der Abend klang bei guten Gesprächen mit den Musikern und leckeren Getränken aus. (mel)
Autor:Brigitte Melder aus Böhl-Iggelheim |
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