Tag 15-20: Transalp Wien - Nizza
Sieben auf einen Streich

Bergsalamder | Foto: Markus Pacher
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Sieg und Niederlage liegen bei einer Bergtour oft nah beieinander. In den letzten Tagen haben mir die verheerenden Regenfälle und der ständige Hochnebel manchen Strich durch die Rechnung gemacht. Zur Zeit wird Kärnten und das angrenzende Slowenien von einer Hochwasserkatastrophe ungeahnten Ausmaßes heimgesucht.
Mittlerweile bin ich über den sogenannten Salzsteigweg, auch genannt Österreichischer Weitwanderweg Nummer 9, von den Nördlichen Kalkalpen in den Südalpen gelandet. Salzsteigweg? Selbst die meisten Einheimischen haben davon nie gehört. So bin ich völlig allein unterwegs, treffe während der vergangenen vier Etappen keinen einzigen anderen Wanderer.
Das mag natürlich auch an der desaströsen  Witterung liegen. Und das Hauptproblem ist nicht etwa das ständige Ausgesetztsein von Nässe, Kälte und Sturm. Nein, es ist der Hochnebel ab 2000 Meter Höhe,  der die Orientierung nicht nur erschwert, sondern schlichtweg unmöglich macht.
In St. Peter am Kammersberg, das ich nach 12 Kilometer Fußmarsch von Oberwölz aus erreiche, steige ich nach einer Übernachtung im Muracher Hof in den Salzsteigweg ein. Der Pächter, ein junger Ungar mit Familie, erzählt mir von seiner schwierigen wirtschaftlichen Situation in seiner Heimat und seinem Versuch, in Österreich Fuß zu fassen, um seine Familie ernähren zu können.
Nächstes Ziel ist die Murauer Hütte, beziehungsweise die 400 Meter höher gelegene Bernhard-Fest-Selbstversorgerhütte. Dort treffe ich eine Gruppe mit Jugendlichen nebst erwachsenem Wanderführer an. Da ich die geschlossene Gesellschaft nicht stören möchte,  ziehe ich es vor, in einer winzigen, unweit gelegenen Kapelle zu nächtigen. Zwei Quadratmeter vor dem Altarraum sollten genügen für einen erholsamen Schlaf. Isomatte und Decken besorge ich von der Selbstversorgerhütte. Heilige Apollonia ich danke dir. Du hast mir die ungewöhnlichste Nacht meines Lebens bereitet!
In den Abendstunden geht der Vorhang endgültig zu, selbst die kaum 100 Meter entfernt liegende Bernhard-Fest-Hütte ist völlig aus meinem Sichtfeld verschwunden.
Der nächste Tag gerät erwartungsgemäß zu einem Fiasko. Das zehn Stunden Gehzeit entfernt liegende Feriendorf Flattnitz werde ich nicht erreichen, die Zeitverluste infolge auftretender Orientierungsprobleme sind enorm, die Suche nach den nächsten Markierungen erweisen sich im wahrsten Sinne des Wortes als aussichtslos. Man bewegt sich ständig im Kreis, landet nach langem Suchen schließlich wieder am gleichen Fleck - und gibt irgendwann völlig entkräftet auf. In solch einer Situation gibt es nur noch eine Lösung: Runter vom Plateau und ab ins Tal zur nächsten Straße. Querfeldein sause ich also den Berg herunter und gelange nach drei Stunden auf einem Forstweg, von dort an eine Straße, wo mich ein Autofahrer aufnimmt und mich mit ins schöne Murau, einem wunderbaren kleinen Städtchen an der Grenze zu Kärnten nimmt. Dort zerrt mich ein 82-jähriger Mann regelrecht von der Gasse direkt in seine Pension Zum Bärenwirt. Gerettet. In den nächsten beiden Tagen lässt er es sich nicht nehmen, mir den ein oder anderen Fahrdienst zu erweisen. 
Schließlich reißt die Wolkendecke ein wenig auf und ich nutze am nächsten Tag die wenigen Stunden, um von der Bergstation des Skigebiets Kreischberg zu einer Gratwanderung aufzubrechen. Sieben Zweitausender, die sich aneinander reihen, wie die Perlen auf einer Schnur, sammle ich im sanften Auf und Ab innerhalb von acht Stunden ein - ein schöner Trost für den Einbruch tags zuvor.
Mein Bärenwirt fährt mich anderntags zur frühen Morgenstunde nach Flattnitz,  wo ich den Faden meiner Transalp wieder aufnehme. Ganz hoch geht's hinauf, über den Lattersteig ins nächste, bereits in Kärnten gelegene Tal. Und wieder erschweren Nebel und Dauerregen das Fortkommen, so dass ich mich gezwungen sehe, auf halber Strecke  in einer am Fels mit Drahtseilen festgezurrten  Holzhütte notzulagern. Hier verbringe ich 17 einsame Stunden. Es pfeift durch alle Ritzen und Löcher, um mich herum tobt ein ohrenbetäubender Sturm  begleitet von sintflutartigen Regenfällen. Aufbruch am Tag darauf um 7 Uhr trotz weiterhin dichten Nebels über die Bretthöhe (2350 m) und von dort über ein riesiges Almplateau hinunter ins Tal. Immer wieder verliere ich die Markierungen, schaffe es aber wie durch ein Wunder im mittlerweile fast zur Routine gewordenen Querfeldein-Modus wohlbehalten im winzigen, auf 1500 Meter Meereshöhe befindlichen, dem Gurktaler Alpen zugehörigen  Bergdörfchen St. Lorenzo anzukommen. Von dort sind es nur noch wenige Kilometer nach Reichenau, wo ich in einer gemütlichen Privatpension Unterschlupf finde.

Lesen, wie es weitergeht:
Auf in den sonnigen Süden!

Tag 12-14 meiner Tour gibt's hier:

Reiche und böse Steine
Autor:

Markus Pacher aus Neustadt/Weinstraße

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